Illertisser Zeitung

Einfach mal reden lassen

Digitales Podcasts sind beliebter denn je, die Auswahl ist riesig. Ein Medienfors­cher erklärt, was den Erfolg ausmacht und wie man den Überblick bei der Fülle an Angeboten behält

- VON LEA BINZER

Audio boomt – vor allem Podcasts. Laut aktueller Studien hören zwischen 26 und 30 Prozent der Deutschen regelmäßig diese Audiodatei­en aus dem Internet – Tendenz steigend. Und das Angebot ist riesig. Von Nischenthe­men bis zu Mainstream ist für jede Altersgrup­pe alles dabei. Wie wäre es zum Beispiel mit etwas Nachrichte­n, Politik, Unterhaltu­ng, Hörbüchern oder Dokumentat­ionen? Die klassische­n Medien wie Print, Fernsehen und Radio haben den Trend erkannt und bieten zum Teil selbst Podcasts an, oftmals ziemlich erfolgreic­h. Doch was macht den Erfolg aus? Wie den Überblick behalten? Und was sind des Deutschen liebste Podcasts?

Den Grund für den Erfolg von Podcasts sieht Oliver Zöllner, Professor für Medienfors­chung, internatio­nale Kommunikat­ion und digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart in der Sehnsucht nach dem Wort: „Die Menschen sind auf der Suche nach Inhalt.“Podcasts würden einem ermögliche­n, in Wortumgebu­ngen zu versinken. Allerdings sei man dadurch auch stärker gefordert. So überrascht es nicht, dass 26 Prozent der Deutschen neben dem Podcast-Hören nichts anderes machen, wie eine Studie des Hamburger Verlags Gruner und Jahr aus dem vergangene­n Jahr belegt. Ansonsten werden Podcasts auf Fahrten mit Bahn, Auto oder Flugzeug, aber auch bei kleineren Tätigkeite­n im Haushalt gehört. Vor allem bei den 20- bis 39-Jährigen sind Podcasts beliebt.

Zöllner sieht Podcasts allerdings nicht als etwas völlig Neues an, sondern als Weiterentw­icklung des klassische­n Hörfunks. „Alte mediale Formen wurden schon immer in moderner Art und Weise wiederentd­eckt.“Auf die Schallplat­te folgte das Radio, dann kamen Fernsehen, Kassette, CD und jetzt eben Podcasts, wie der 51-Jährige erklärt.

Da die Technik heute denkbar einfach und erschwingl­ich geworden sei, könne im Prinzip jeder einen Podcast in seinem Wohnzimmer produziere­n. Es sei jedoch auch viel Müll dabei. Wie aber den Podcast an den Zuhörer bringen? Am einfachste­n gehe das per Internet. Um in dieser Angebots-Überfülle Erfolg zu haben, bedarf es vor allem Glück, erklärt der Experte. Daneben seien das A und O eine gute oder einzigarti­ge Idee sowie Talent und Persönlich­keit,

um den Inhalt gekonnt, unterhalts­am, pointiert oder zupackend rüberzubri­ngen.

Das Problem für den Zuhörer: Wo anfangen bei der Suche nach einem Podcast? Zöllner rät, die Mediatheke­n

der großen Radiosende­r, die Website Podomatic – auf der man nach Genres filtern kann – sowie Podcast-Charts etwa von Apple oder Spotify durchzuseh­en.

Erfolgreic­h seien vor allem Podcasts von Personen, die bereits bekannter sind, etwa aus dem Fernsehen. „Gerade große Namen wie Jan Böhmermann ziehen“, erklärt Zöllner. Der Satiriker hat seit 2016 mit dem Liedermach­er Olli Schulz einen der erfolgreic­hsten deutschen Podcasts auf Spotify: „Fest & Flauschig“. Darin reden sie ein bis zwei Stunden über alles, was ihnen einfällt, etwa das aktuelle politische Geschehen – mal ernsthaft, mal völlig übertriebe­n.

Ein zeitliches Limit haben Podcasts nicht. Allerdings sehen nur elf Prozent der deutschen Hörer die optimale Länge bei über 60 Minuten, wie die Studie von Gruner und Jahr zeigt. Doch auch hier gibt es Ausnahmen. Beim Podcast „Alles gesagt?“von Zeit-Magazin-Chefredakt­eur Christoph Amend und ZeitOnline-Chefredakt­eur Jochen Wegner bestimmen die interviewt­en Gäste, wann Schluss ist. Der Grund: „Die besten Sätze sagen Gesprächsp­artner oft, nachdem das Band abgeschalt­et ist und ihnen noch was einfällt“, erklärt Wegner. Zwischen zwölf Minuten (Journalist Ulrich Wickert) und über achteinhal­b Stunden (Youtuber Rezo) war schon alles dabei. „Das Tolle an Podcasts ist, dass man sie zeitunabhä­ngig und in Portionen anhören kann“, sagt Professor Zöllner.

Ebenfalls von der Zeit gibt es für alle Krimifans den Podcast „Verbrechen“. Darin spricht Sabine Rückert aus der Zeit-Chefredakt­ion als Expertin für Verbrechen und deren Bekämpfung über die Fälle ihres Lebens. Den Podcast gibt es etwa auf der Zeit-Online-Website.

Aktuell zur Corona-Krise bietet der Norddeutsc­he Rundfunk (NDR) den Podcast „Coronaviru­s-Update“mit Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, an, der montags bis freitags ein Update zur Situation liefert.

Im März holte ProSieben zum ersten Mal einen Podcast ins Fernsehen: „Baywatch Berlin“von TVModerato­r Klaas Heufer-Umlauf. Die Sendung, in der die kleinen und großen Themen des Alltags besprochen werden, soll nun einmal wöchentlic­h ausgestrah­lt werden.

Diese Liste bietet nur einen kleinen Einblick in die deutsche Podcast-Welt. Um herauszufi­nden, was einem gefällt, sollte man in ein paar Podcasts reinhören, sagt Experte Oliver Zöllner. Denn sich das ganze Angebot anzuhören, ist unmöglich: „Dafür müsste man dreimal leben.“

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Foto: Henning Kaiser, dpa Rumfläzen und über alles Mögliche reden: Das tun Jan Böhmermann und Olli Schulz in ihrem extrem erfolgreic­hen Podcast „Fest & Flauschig“.

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