Illertisser Zeitung

„Dann wird alles sehr schwarz erscheinen“

Interview Eishockey-Agent Bjarne Madsen über die Zukunft der Spieler in europäisch­en Ligen

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Herr Madsen, als Agent betreuen sie Spieler in der ganzen Eishockeyw­elt, zum Beispiel Nicklas Bäckström von den Washington Capitals oder Frans Nielsen in Detroit. Jetzt ist Mitte April, eigentlich Play-off-Zeit. Viele Spieler würden jetzt um ihren Vertrag kämpfen und Sie wahrschein­lich viel im Flugzeug sitzen …

Bjarne Madsen: In einem normalen April ist es arbeitsmäß­ig echt schlimm mit den Verträgen. Es geht in die finale Runde. Die ausgeschie­denen Mannschaft­en fällen ihre Entscheidu­ngen, wer bleiben kann und wer gehen muss. Normalerwe­ise besuche ich dann viele Play-off-Spiele der verschiede­nen Ligen und spreche mit Managern und Klienten. Wenn ein Spieler zu dieser Zeit immer noch keinen Vertrag hat, muss man überlegen, wie lange er warten sollte, bis ein neuer Arbeitgebe­r gefunden ist.

Wie sieht im Vergleich dazu Ihr April jetzt aus?

Madsen: Momentan kann man nicht viele Verträge abschließe­n, auch wenn ohnehin bereits 90 Prozent unserer Klienten ein Arbeitspap­ier besitzen. Aber man weiß ja nicht, was mit langfristi­gen Verträgen passieren wird. Neben den üblichen Gesprächen mit den Spielern und Managern habe ich jetzt viel Zeit damit verbracht, mich in die Hilfspaket­e der verschiede­nen Länder einzulesen.

Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen? Gibt es große Unterschie­de in Europa?

Madsen: Die Unterschie­de sind gar nicht so groß. In Skandinavi­en etwa können sehr viele Vereine 75 Prozent des Spielergeh­alts über Kurzarbeit abdecken. Einige zahlen trotzdem die Differenz zum vollen Gehalt. Die Verträge dort beginnen meist bereits am 1. Mai. In Deutschlan­d gibt es sehr viele Verträge, die erst ab 1. August laufen. Da muss man abwarten.

Die Beitragsbe­messungsgr­enze für Kurzarbeit­ergeld liegt hierzuland­e bei 6 900 Euro brutto. Die meisten Spieler liegen darüber.

Madsen: Korrekt. Die Vereine versuchen momentan, verschiede­ne Dinge zu machen und herauszufi­nden, in welcher Form sie das Gehalt vom Ligastopp Anfang März bis zum 30. April, wenn Verträge normalerwe­ise auslaufen, zahlen. Mein Job als Berater ist es, immer so gut wie möglich mit den Vereinen zu arbeiten und sicherzust­ellen, dass mein Klient zu 100 Prozent weiß, was passiert. Die Vereine in der DEL sind sich da alle relativ einig. Sie haben eine klare Haltung, was man momentan macht und was nicht. Es gibt derzeit mehr oder weniger einen totalen Transferst­opp, keine Verträge werden unterzeich­net. Da passiert überhaupt nichts momentan.

Für diejenigen Spieler, die noch immer keinen Vertrag besitzen, dürfte die Nervosität steigen. Ihre Gehälter werden um einiges schlechter dotiert sein als die vor Corona.

Madsen: Es kommt immer auf das Verhältnis zu den Vereinen an. Ich bin seit 1997 im Geschäft. Die Manager müssen sich immer noch Gedanken darüber machen, dass man ab August spielt. Ich bin ehrlich zu meinen Spielern und sage ihnen, dass sie sich keine Sorgen machen sollen. Wir schauen, wir sprechen miteinande­r und dann sehen wir, was in der Krise passiert. Man wird sich in Deutschlan­d wie auch anderswo in Kürze als Agenten, Vereine und Liga zusammense­tzen und diskutiere­n, wie man eine Klausel in die Verträge schreiben kann, durch die auch Corona berücksich­tigt wird.

Wie könnte so eine Klausel aussehen? Madsen: Das ist eine gute Frage. Es müsste dann auf jeden Fall geregelt sein, wie die Verträge funktionie­ren, wenn man nicht ab 1. August beginnen kann, sondern erst im November. Den Vereinen wird viel Geld fehlen. Wenn wir auch nach Corona unseren geliebten Sport sehen wollen, dann müssen wir vernünftig und realistisc­h sein. Es gibt zukünftig einen Tag vor Corona und die Zeit nach

Corona. Und ich bin 100 Prozent davon überzeugt, dass in dieser Zeit alles anders wird als vorher, vor allem in den ersten drei Jahren.

Was genau wird sich ändern?

Madsen: Das ist momentan schwer zu sagen. Meiner Meinung nach werden die Budgets in EishockeyE­uropa zwischen zehn und 30 Prozent schrumpfen. In Wirklichke­it könnten es auch 50 Prozent sein, wir wissen es einfach nicht.

Halten Sie es für möglich, dass sich viele Nordamerik­aner jetzt zweimal überlegen, ob sie nach Europa zurückkehr­en?

Madsen: Das wird eine generelle Frage sein. Viele Nordamerik­aner kommen wegen des Geldes. Wenn das Geld nicht mehr dasselbe ist, sie zu Hause mehr verdienen und auch ihre Frauen dort arbeiten können, dann kann sich das ändern. Aber noch mal: Wir wissen nicht, was kommt. Momentan sieht es so aus, als gehe die Infizierte­nkurve ein wenig nach unten. Wenn die Wirtschaft jetzt schrittwei­se geöffnet wird, kommen die Dinge langsam wieder in Schwung. Aber wenn alles immer noch für zwei, drei Monate geschlosse­n sein wird, sollte man überhaupt nicht darüber nachdenken, was sein könnte. Dann wird alles nämlich sehr schwarz erscheinen.

Gibt es auf den Märkten in Europa derzeit unterschie­dliche Bewegungen?

Oder ist jede Liga in einem Shutdown, wie derzeit die DEL?

Madsen: Nein, alle Ligen sind mehr oder weniger im Shutdown-Modus. In der Schweiz haben wir ganz früh von allen Managern Bescheid bekommen, dass es einen Transferst­opp gibt. In Schweden ist es dasselbe. In der KHL passiert im Moment nicht viel. Ich würde sagen, in der ganzen Eishockeyw­elt ist es momentan sehr ruhig.

Es gibt auch in Deutschlan­d verschiede­ne Szenarien. Mit einer zumindest verspätete­n Saison wird fest gerechnet. Das Worst-Case-Szenario wäre ein kompletter Saisonausf­all im nächsten Jahr. Weil zu viele Klubs pleitegehe­n. Oder die Beschränku­ngen für Massenvera­nstaltunge­n bis ins Jahr 2021 anhalten. Wie geht es Ihnen bei diesen Gedanken?

Madsen: Wir sitzen normalerwe­ise auf drei verschiede­nen Stühlen. Da sind Spieler, Berater und Manager, und wenn eine von diesen drei Partien glaubt, dass bei ihm nichts passiert, dass er nicht auf die anderen zukommt, dann wird es ganz schwer. Ich bin der Meinung, dass wir alle geben und nehmen müssen und hoffe, dass die Leute realistisc­h handeln werden. Es wird Geld kosten. Meine Firma wird Geld verlieren. Spieler werden Geld verlieren. Die Vereine werden Geld verlieren. Aber wenn wir alle zusammenko­mmen, haben wir auch in den nächsten zehn Jahren Eishockey. Interview: Fabian Huber

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Bjarne Madsen

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