Illertisser Zeitung

„Dem Deutschen ist das Billigste gut genug“

Interview Der Starkoch Alfons Schuhbeck spricht Klartext über unsere Essgewohnh­eiten, aber auch über den Trend zum Veganen. Und er erzählt über seinen Umgang mit der Corona-Krise und gibt Tipps, wie man sich jetzt ernähren sollte

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Sie sind als Gastronom massiv von den Auswirkung­en der Corona-Krise betroffen. Wie gehen Sie damit um? Alfons Schuhbeck: Wenn ich den ganzen Tag nur über Corona spreche und mich beklage, dann werde ich selbst verrückt. Ich vermittle meinen Angestellt­en, dass wir alle zusammenhe­lfen und die schwere Zeit gemeinsam miteinande­r meistern müssen. Da braucht keiner Angst zu haben, dass er morgen die Kündigung bekommt. Es geht darum, den Leuten den Druck von den Schultern zu nehmen. Zum Beispiel sage ich dann schon mal zu einem Mitarbeite­r, der auf 50 Prozent gesetzt ist: Jetzt machen wir was zu essen und reden miteinande­r. Die Leute können sich auch Essen mit nach Hause nehmen, wenn sie was brauchen.

Machen Sie auch Lieferserv­ice – was für manche Gastronome­n eine Notlösung scheint?

Schuhbeck: Ja, das machen wir. Aber am Anfang läuft das ein bisschen zäh. Das läuft nicht von heute auf morgen. Ich habe auch meinen Gewürzlade­n aufgemacht, aber es nützt nichts, wenn keine Leute vorbeikomm­en. Ich halte mich jedenfalls an die Regelungen und versuche nicht herumzutri­cksen. jedenfalls führen, einteilen, die Ruhe bewahren und nachdenken, wie wir das Schiff gemeinsam durch diese Klippen bringen.

Welche Ernährungs- und Kochempfeh­lungen haben Sie für die Bürger, die jetzt nicht hochwertig im Restaurant essen können?

Schuhbeck: Wie immer und jetzt noch mehr gilt: Kaufen Sie möglichst frisches Obst und Gemüse sowie frische Kräuter für vitaminrei­che Gerichte und achten Sie ganz besonders auf deren schonende Zubereitun­g. Aber die Leute müssen es auch machen wollen. Die müssen viel mehr am Inneren ihres Körpers arbeiten und nicht nur schauen, ob die Lippen aufgesprit­zt sind und die Augenbraue­n nach oben gezogen sind.

Schuhbeck: sprechende­n Meeresbiol­ogen im Trüben fischt und kommerziel­len Interessen dient? Selbstvers­tändlich müssen wir auch beim Essen an die Umwelt und das Klima denken. Wir Deutschen müssen dazu tun, was wir können, aber müssen wir dabei auch noch wettmachen, was Länder wie China und die USA unterlasse­n?

Was tun Sie als Koch dabei? Schuhbeck: Wir Köche engagieren uns seit Jahren für Produkte aus ökologisch korrekter Landwirtsc­haft und Viehzucht, also für artgerecht­e Tierhaltun­g und natürliche­n Ackerbau ohne Chemie und Genmanipul­ation. Denn sie sind nun mal grundsätzl­ich geschmackv­oller und gesünder – aber leider auch teurer. Doch die Lebensmitt­elindustri­e tut leider nicht mehr, als ihren Zuchtfisch beispielsw­eise Bio-Lachs und das Zuchtbecke­n verklärend Aquakultur zu nennen. von kommerziel­len und ideologisc­hen Interessen vorangetri­eben und dabei von einseitige­r oder unfundiert­er Forschung gefüttert wird, recherchie­ren und berichten die Medien nur selten. Das Ziel der Kampagnen ist klar und klingt alles andere als verlockend: Wir sollen uns auf industriel­le Nahrung aus dem Labor umstellen, die uns die Lebensmitt­elkonzerne teuer verkaufen können.

Das heißt, bei Ihnen kommt Fleisch auf die Speisekart­e?

Schuhbeck: Als Koch und Gastronom bin ich Dienstleis­ter für die Wünsche meiner Gäste und missverste­he mich nicht als Ernährungs­und Gesundheit­sberater. Selbstvers­tändlich biete ich weiterhin Fleisch an. Wenn man mich fragt, empfehle ich, dass man im Rahmen einer ausgewogen­en Ernährung durchschni­ttlich pro Woche 300 bis 600 Gramm essen sollte. Die meisten essen leider etwa doppelt so viel. Oft frage ich mich: Warum sind Vegetarier so aggressiv gegen Fleischess­er? Führt nur Fleisch zu der gelassenen Haltung des Leben-und-leben-Lassens?

Wenn Sie jetzt Werbung für Ihren Berufsstan­d machen müssten, was würden Sie sagen?

Schuhbeck: Ich habe in meinem Beruf die Befriedigu­ng, das Entstehen eines Produkts von A bis Z mitzuerleb­en. Als Koch muss man morgens beim Aufwachen nicht murren: „Die Pflicht ruft.“Sondern kann mit dem schönen Gefühl aufstehen: Du hast heute wieder alle Chancen, anderen eine Freude zu machen. Als selbststän­diger Koch kann ich jeden Tag etwas Neues austüfteln und ständig neue Gäste erfreuen. Jede Jahreszeit schafft durch ihre Produkte neue Anreize. Viele Gäste wirken durch ihre Wünsche motivieren­d. Außerdem kann ich mir sagen: Die Kochkunst ist die einzige Kunst, die alle Sinne anspricht. Man sieht den schön dekorierte­n Teller. Man riecht, wenn der prächtige Sonntagsbr­aten aufgetrage­n oder der Parmesan über die Pasta gerieben wird. Man hört, wenn es in der Pfanne verlockend brutzelt und schmurgelt. Man kann die Kochkunst im Mund fühlen. Und man kann sie höchst vergnüglic­h schmecken, wenn einem etwas auf der Zunge zergeht.

 ?? Foto: Overstreet, Imago ?? Der Gastronom Alfons Schuhbeck zu Beginn der Ausgangsbe­schränkung­en auf dem „Platzl“in München vor seinem Restaurant beim Hofbräuhau­s.
Foto: Overstreet, Imago Der Gastronom Alfons Schuhbeck zu Beginn der Ausgangsbe­schränkung­en auf dem „Platzl“in München vor seinem Restaurant beim Hofbräuhau­s.

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