Illertisser Zeitung

Das Vermächtni­s der Elsner

Todestag Vor einem Jahr starb Hannelore Elsner an Krebs. Jetzt kommt ihr letzter Film ins Fernsehen. Für den leistete die damals schon todkranke Schauspiel­erin fast Übermensch­liches

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München Was muss das für ein Gefühl sein, eine todkranke Frau zu spielen, wenn man selbst sterbenskr­ank ist? Vor einem Jahr, am 21. April 2019, starb Hannelore Elsner mit 76 Jahren an Krebs. Kurz zuvor hatte sie noch für ihren letzten Film vor der Kamera gestanden – als krebskrank­e Mutter. In „Lang lebe die Königin“spielt sie die rabiate und oft gnadenlose Mutter Rose Just, die unheilbar erkrankt ist und trotzdem nicht damit aufhören kann, ihrer Tochter das Leben schwer zu machen. Am 29. April, eine Woche nach Elsners erstem Todestag, zeigt das Erste diesen Film, der zum Vermächtni­s der großen Schauspiel­erin geworden ist.

Weil ihre Krankheit während der Dreharbeit­en übermächti­g wurde, sprangen fünf hochkaräti­ge Schauspiel-Kolleginne­n ein, um die fehlenden Szenen zu drehen, die Elsner selbst nicht mehr vollenden konnte: Iris Berben, Gisela Schneeberg­er, Hannelore Hoger, Eva Mattes und Judy Winter. Es ist ein Konzept, das US-Regisseur Terry Gilliam in Hollywood auch schon anwandte, als Heath Ledger 2008 während der Dreharbeit­en zu seinem letzten Film „Das Kabinett des Doktor Parnassus“starb. Für ihn sprangen damals Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell ein. Es wurde Ledgers letzter Film und gleichzeit­ig eine Hommage an ihn.

Genau so ist „Lang lebe die Königin“nun auch Elsner gewidmet. „Hannelore Elsner hat ihren Beruf sehr geliebt“, sagt Einspringe­rin Berben laut ARD-Pressemapp­e. „Und der Beruf hat auch Hannelore Elsner sehr geliebt. Dass ich in diesem Film eine Szene übernommen habe, die sie nicht mehr spielen war eine letzte Verneigung vor ihr.“Judy Winter sagt: „So haben wir ihr zeigen können, wie sehr wir sie als Schauspiel­erin geschätzt haben.“

Die fünf treten nun jede in jeweils einer Szene auf – und zeigen damit auch, was Schauspiel-Deutschlan­d mit Elsner verloren hat. So herausrage­nd die fünf in ihren eigenen Rollen sicher sind – Elsner spielt sie als Rose, eine zerrissene Persönlich­keit zwischen Lebenslust und erbarmungs­loser Härte, posthum alle an die Wand. Im Zentrum des Films über die an Krebs sterbende Frau steht die komplizier­te, oft schmerzerf­üllte Beziehung zu ihrer Tochter Nina (Marlene Morreis), die verzweifel­t um die Anerkennun­g und die Liebe ihrer Mutter kämpft, sie aber auch dann nicht bekommt, als Rose im Sterben liegt. An Elsners Seite glänzt Günther Maria Halmer als bedingungs­los liebender Partner Werner. Halmer wurde damals vom Tod seiner Set-Kollegin völlig überrascht. „Alle waren wie vor den Kopf geschlagen“, sagte er. „Die Hannelore hat am Set viel gelacht – sie war eigentlich so, wie ich sie kannte. Und als sie eines Tages mit einer Halskrause erschien, erzählte sie nur, sie hätte sich im Bett verlegt.“

Eine Tragikomöd­ie soll es sein, deren Tragik das Komödianti­sche aber auch deshalb überlagert, weil jedem Zuschauer klar sein muss, dass Elsner ihr eigenes Schicksal, ihkonnte, ren eigenen Tod, in ihrer Rolle vorwegnimm­t. In ihrer letzten Szene ihres letzten Filmes liegt sie im Sarg. Eine fast unvorstell­bare Kraftanstr­engung. „Sie wollte bis zum Schluss arbeiten, bis zum Schluss das Leben fühlen. Vom Tod wollte sie nie etwas wissen“, sagte ihr Sohn Dominik Elstner, den sie aus einer Beziehung mit dem Regisseur Dieter Wedel hat, der Bild kurz vor dem ersten Todestag seiner Mutter. „Wann immer das Thema zur Sprache kam, wurde sie unwirsch, selbst, als es ihr schon sehr schlecht ging.“Genau wie ihre Rolle Rose im Fernsehen. „Den unerschütt­erlichen Glauben, dass alles gut wird, verlor sie nie.“

„Ohne Spiel ist mir das Leben einfach zu ernst“, hatte Elsner in ihrer Biografie geschriebe­n. Dieser Satz bestimmte auch die Trauerfeie­r für sie in München, bei der Weggefährt­en Elsner für ihre Leidenscha­ft und Kompromiss­losigkeit feierten. Jahrzehnte­lang hatte Elsner die Kulturland­schaft in Deutschlan­d geprägt. Schon als Jugendlich­e stand die nur 1,60 Meter große Elsner, die vielen als Diva mit Allüren galt, vor der Kamera. In mehr als 200 Fernsehund Kino-Rollen war sie zu sehen, oft mit ihrem charakteri­stischen Lachen, dem vielleicht strahlends­ten der deutschen FernsehGes­chichte nach Lilo Pulver. Im TV war sie besonders erfolgreic­h als „Die Kommissari­n“, 1994 bis 2006 im Ersten zu sehen. Was das kulturelle Deutschlan­d mit Elsner verloren hat, zeigt ihr letzter Film. Was ihr Sohn verloren hat, beschreibt er so: „Weihnachte­n, Ostern, mein Geburtstag – all diese Anlässe sind sehr farblos geworden, seit sie nicht mehr da ist.“

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Foto: Marc Reimann/ARD, dpa Für „Lang lebe die Königin“spielte die damals schon krebskrank­e Hannelore Elsner eine krebskrank­e Frau.

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