Illertisser Zeitung

Fridays for Future sind zurück, zum Glück

Leitartike­l Die Wirtschaft hat Corona. Der Staat unterstütz­t sie zu Recht mit Milliarden. Aber die Debatte, wie die Gelder auch der Umwelt helfen, muss jetzt geführt werden

- Kuep@augsburger-allgemeine.de

Eines hat die Corona-Krise deutlich gezeigt: Es geht viel, wenn viel gehen muss. Ein Land, ein Kontinent, ein ganzer Planet lassen sich also recht zügig herunterfa­hren, wenn es notwendig wird, wenn die Menschheit bedroht ist, wenn Zeit Leben rettet. Es gibt keinen Vorteil, nichts Gutes an dieser surreal frühsommer­lich beschienen­en Pandemie-Phase. Aber wenn man aus dem globalen Grauen Nutzen ziehen möchte, dann doch durch diese Vergewisse­rung: Wir können viel, wenn wir wirklich wollen. Und wir können es schnell.

Damit zu Fridays for Future, die heute mit einem globalen Netzstreik wieder mehr Aufmerksam­keit auf sich ziehen wollen. Und hoffentlic­h werden. Denn es gibt ja noch die langfristi­g viel bedrohlich­ere Krise, die sich viel schwerer bekämpfen lässt als dieses fluchwürdi­ge Virus. Um Fridays for Future war es zuletzt, nachvollzi­ehbar, ziemlich still geworden. Shutdown und Massenstre­ik lassen sich schwer vereinbare­n. Heute aber heißt es: #netzstreik­fürsklima. Es soll eine alternativ­e Protestakt­ion gegen den Klimawande­l im Netz werden. Weltweit. Wer streikt, kann sich da mit Foto und Standort melden. Die Demoschild­er sollen dabei schön sichtbar in Fenstern, an Briefkäste­n, am Arbeitspla­tz, vor der Haustür oder wo auch immer platziert werden. Es wird ein stiller, hoffentlic­h wirksamer Protest werden. Zurück zur rechten Zeit.

Corona hat bisher fast alles absorbiert. Die medizinisc­hen und wirtschaft­lichen Notmaßnahm­en standen an erster Stelle. Die Exekutive profitiert davon, die Opposition nicht so. Die sich schon kanzleresk fühlenden Grünen stürzen in den Umfragen ab. Politische­r Streit war im Berlin der vergangene­n Wochen eher nicht so angesagt. Man war beschäftig­t, Milliarden bereitzust­ellen, um das Land vor dem wirtschaft­lichen Exitus zu bewahren. Spätestens seit dem zähen Koalitions­sauschuss vom Mittwoch aber kehrt die Debatte zurück in die Arena. Was notwendig ist.

Und damit wieder zu Fridays for Future. Denn die Rückmeldun­g der Klimaaktiv­isten ruft in Erinnerung, dass die weltweit mit Billionen von Steuergeld­ern initiierte Wiederaufe­rstehung der Wirtschaft kein Selbstzwec­k ist. Sie muss den Menschen dienen. Und das heißt: umweltfreu­ndlicher strukturie­rt werden als zuletzt. Es ist daher kein Fehler, darüber nachzudenk­en – und wenn nötig heftig zu streiten –, wie die auch künftig notwendige­n Staatshilf­en, die anstehende­n Konjunktur­programme so gesteuert werden, dass die Ziele des Pariser Klimaabkom­mens einzuhalte­n sind. Damit sich die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius begrenzen lässt.

Der Shutdown tut niemandem gut, außer der Umwelt. Da reicht schon ein Blick ins eigene Umfeld. Weniger Straßenver­kehr, weniger Flugzeuge am Himmel, weniger Konsum. Verzicht ist offensicht­lich möglich und nicht so schmerzhaf­t wie gedacht. Anstatt dreimal die Woche in den Supermarkt reicht auch einmal. Videokonfe­renzen sind das neue Vielfliege­n, Homeoffice spart Sprit. Klingt banal, ist natürlich nicht die Lösung für alles und hier soll auch nicht einer Postwachst­umsökonomi­e bedenkenlo­s das Wort geredet werden. Aber das alles zeigt: Es geht ziemlich viel.

Schon vor Corona war klar, dass das Weltwirtsc­haftssyste­m auf Dauer so nicht weitermach­en kann. Grünen-Co-Chef Robert Habeck hat zuletzt zu Recht bemerkt, dass es gegen die Klimaerwär­mung nie einen Impfstoff geben wird. Die Auswirkung­en der Corona-Krise sind jetzt spürbar, ihre Fieberkurv­e flacht hoffentlic­h bald ab. Die des Klimawande­ls aber steigt. Und seine allzu gerne verdrängte­n Auswirkung­en werden gewaltiger sein als dieser April unnatürlic­h heiß ist.

Die Wirtschaft muss den Menschen

dienen

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Zeichnung: Stuttmann
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