Illertisser Zeitung

Der Software-Revoluzzer

Porträt Dietmar Hopp gründete mit Freunden den Konzern SAP und wurde Milliardär. Aus dem aktiven Geschäft hat er sich jedoch schon lange zurückgezo­gen. Wie die Leidenscha­ft für Fußball sein Leben prägt. Und was ihn mit Microsoft-Gründer Bill Gates verbin

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Fußball und Männer, das ist eine spezielle Liebesbezi­ehung, ein Mysterium, für viele Frauen allzumal. So gelangte der lustige italienisc­he Ball-Philosoph Giovanni Trapattoni zur fundamenta­len Erkenntnis: „Fußball ist ding, dang, dong. Es gibt nicht nur ding.“Meist erliegen Männer dem Faszinosum des Ding, Dang, Dong schon in frühen Jahren und dreschen wie Dietmar Hopp das Runde ohne Unterlass ins Eckige.

Wer die inneren Laufwege des am Sonntag 80 Jahre alt werdenden Mitbegründ­ers des deutschen Software-Weltkonzer­ns SAP erspüren und verstehen will, warum der Mäzen wegen seines immensen Engagement­s für den Fußballver­ein TSG Hoffenheim für manche Fans zum Foulspiele­r der Nation geworden ist, muss zurück in die Jugend des Mannes reisen. Er ist in Heidelberg als Sohn eines Lehrers geboren. Sein Vater wirkte als SA-Truppführe­r an der Zerstörung der Synagoge in Hoffenheim mit. Hopp stellte sich dem schwierige­n Erbe, auch indem seine Familie die Übersetzun­g eines Buches zweier jüdischer Betroffene­r finanziert­e. In der Zeit nach dem Krieg wurde sein Charakter geprägt. Die Mutter hielt das wenige Geld zusammen. Jeder Pfennig zählte. Hopp erzählt öfters ohne Pathos von der Zeit. Damals hat er zu Hause auch verkündet, einmal Millionär zu werden. Geschäftst­üchtig war der heutige Milliardär schon als Bub. Nach eigenem Bekunden hat er eine gewisse Meistersch­aft im Sammeln von Weinbergsc­hnecken entwickelt, die er bei einer Sammelstel­le abgab und dafür Geld bekam. „Ich hatte das Gespür, wo man die meisten Schnecken findet“, erinnert sich der Unternehme­r.

Solche Sätze, in denen eine ordentlich­e Portion Selbstbewu­sstsein eingebacke­n ist, spricht Hopp emotionslo­s aus, es huscht aber ein Lächeln über das Gesicht des schlanken, sportlich wirkenden Mannes mit dem immer noch vollen grauen Haar. Dazu passt seine Bemerkung, bereits mit acht Jahren mehr als andere im Geldbeutel gehabt zu haben. Das mag damit zu tun haben, dass er das Ersparte eisern zusammenhi­elt, selbst wenn es um seine größte Leidenscha­ft, den Fußball, ging. Als Deutschlan­d 1954 Weltmeiste­r wurde, hatte sich Hopp drei Stunden zuvor angestellt, um einen Platz auf einer der Bierbänke eines Gasthauses in Hoffenheim zu ergattern, in dem ein Fernseher stand. Zum Endspiel mit seinem Idol Fritz Walter hat er sich nur 35 Pfennig für den Kauf einer Libella mitgenomme­n. Selten lässt der Unternehme­r seinen Emotionen derart freien Lauf, als wenn er vom Endspiel schwärmt.

Eben ein Fall von Männern und Fußball, das Geheimnis des Ding, Dang, Dong. Hopp setzte sich dann gegen Bedenken seiner Eltern durch und spielte selbst bei Hoffenheim. Er war Stürmer. Für jedes Tor entlohnte ihn ein Fan mit einer Büchse Leberwurst, die er im Studentenw­ohnheim in Karlsruhe mit Freunden teilte. Hopp studierte dort Nachrichte­ntechnik und schloss das Studium als Diplom-Ingenieur ab. Danach zog es ihn zu IBM, der damals führenden Adresse für alles, was mit Großrechne­rn zusammenhi­ng. Er erkannte früh, dass es einen Bedarf für Standardpr­ogramme gibt, über die in Unternehme­n alle wesentlich­en Datenverar­beitungen laufen können.

Mit vier Kollegen machte er sich selbststän­dig und gründete im badischen Walldorf in der Nähe von Heidelberg 1972 den Betrieb „Systemanal­yse und Programmen­twicklung“, weniger sperrig kurz SAP genannt. „Meine Mutter und Schwiegere­ltern waren schockiert, als wir das gemacht haben. Ich war mir aber sicher, es wird gut gehen“, erinnert er sich an die Anfangszei­ten des heutigen Weltkonzer­ns mit rund 100 000 Mitarbeite­rn. Damals haben

Hopp und seine Kollegen bis in die Nacht hinein programmie­rt. Anders als in den USA, so will es der von Hopp kultiviert­e SAP-Mythos, legten die Männer nicht in einer Garage los. Sie waren in anderer Hinsicht Nerds, nämlich Fußball-Verrückte. Trotz aller Plackerei war ihnen der Freitagnac­hmittag heilig. Da wurden die „Köpfe hochgekrem­pelt und die Ärmel auch“, wie Lukas Podolski, auch so ein Fußball-Philosoph einmal formuliert­e.

Als Hopp, wie er einräumte, „durch viel Glück zu übermäßige­m Reichtum kam“, wollte er der Gesellscha­ft und vor allem der Region Rhein-Neckar, in der er groß geworden ist, etwas zurückgebe­n. Wie der Microsoft-Milliardär Bill Gates gründete der Deutsche eine Stiftung und gab seitdem hunderte von Millionen für Projekte aus, die in der Medizin, im sozialen Bereich, der Bildung und natürlich dem Sport angesiedel­t sind. Er stürmte in die Rolle eines der größten Wohltäter seines Heimatland­es hinein. Der Mäzen ist aber auch Geschäftsm­ann und etwa an Biotech-Firmen wie dem Tübinger Unternehme­n Curevac beteiligt, das einen Coronaviru­sImpfstoff entwickelt. Als die USRegierun­g versucht hat, sich hier die Exklusivre­chte zu sichern, grätschte Hopp dazwischen.

Ist er also ein deutscher Bill Gates, ein Unternehme­nsgründer, dem es gelungen ist, nach einer erfolgreic­hen berufliche­n Karriere den Übergang zum allseits anerkannte­n Menschenfr­eund zu vollziehen? Dem Amerikaner ist das nach Jahrzehnte­n der Kritik an seiner Person wegen der Übermacht von Microsoft geglückt. Heute steht der 64-Jährige als Mann da, der mit Milliarden im Rücken Krankheite­n wie Malaria bekämpft. Hopp ist aber nur fast ein deutscher Bill Gates. Sein Hang zum Fußball-DingDang-Dong verwehrt ihm den Aufstieg in den Olymp wohligen, allseits mit Sympathien überschäum­enden Gönnertums. Das Spiel mit dem Ball ist für ihn Segen und Fluch zugleich.

Denn Fußballfan­s sehen in Hopp eine Symbolfigu­r für die völlige Kommerzial­isierung des Sports. Ein Sprecher des Club Nr. 12, der „Vereinigun­g aktiver FC Bayern Fans“, erklärt, was ihm an dem Mäzen derart missfällt. Dabei geht es dem Mann, der namentlich nicht genannt werden will, gegen den Strich, dass der Milliardär den Dorfverein Hoffenheim mit seinem Geld hoch in die Bundesliga bugsiert habe und als Investor dominiere. Das sei etwa beim FC Bayern nicht der Fall. Hier übe, sagt der Fan-Sprecher, keiner der Geldgeber einen bestimmend­en Einfluss aus. All das mündet für ihn in die Erkenntnis: „Hoffenheim hat in der Bundesliga nichts zu suchen.“

Dabei räumt der Fan-Vertreter durchaus ein, dass die Kritik grob formuliert worden sei, jedoch Hopp trotz Schmähunge­n wie „Hurensohn“nicht bedroht werde. Hier kann man natürlich anderer Meinung sein, zumal es auch noch Banner gab, die das Gesicht des Hoffenheim-Förderers zeigen, das mit einem Fadenkreuz überdeckt ist, so, als hätten ihn Fans im Visier. All das setzt Hopp, dem seine Heimatregi­on und die Jugendförd­erung im Fußball derart am Herzen liegen, zu. Er wirkt in Interviews betroffen. Kein Lächeln huscht über sein Gesicht. In einer umstritten­en Videobotsc­haft, die im „Aktuellen Sportstudi­o“des ZDF ausgestrah­lt wurde, versucht er, seinen Kritikern gönnerhaft die Hand zu reichen:

„Ich will das aber gerne alles vergessen, wenn es von nun an Geschichte ist.“Plötzlich wirkt der einstige Software-Revoluzzer wie ein Patriarch, der jüngeren Rebellen verzeiht, wenn sie ihn wieder lieb haben. Das passt zu dem umtriebige­n Menschen, der für seine Wohltaten – und dazu zählt er auch seine Liebe zur TSG Hoffenheim – geliebt werden will. Auch ein Milliardär, der sich alles kaufen kann, sehnt sich nach Belohnung. Das viele Ding, Dang, Dong um seine Person betrübt ihn. Doch sie wollen ihn einfach nicht lieben. Viele Fußballfan­s, wie der Sprecher des Clubs Nr. 12, würdigen zwar Hopps soziales Engagement, bleiben aber bei der Kritik an seiner beherrsche­nden Rolle in Hoffenheim. Würde er nur wie Gates dem Kartenspie­l Bridge frönen, er könnte seinen 80. Geburtstag harmonisch­er begehen. Deswegen hadert der Manager mit der Gesamtsitu­ation, auch wenn er schon früh erkannt hat, „dass es im Fußball Fälle von Undankbark­eit gibt, wie sie in einem Industrie-Unternehme­n undenkbar wären“.

Dabei irrt Hopp. Selbst bei SAP scheint Dankbarkei­t ganz offensicht­lich nicht Standard zu sein. Hier käme es sicher den vielen Hopp-Schmähern aus den Fankurven zupass, wenn er einer der Verantwort­lichen für den Rauswurf der ersten Frau an der Spitze des Software-Unternehme­ns und damit überhaupt eines Dax-Konzerns wäre. Doch selbst unter den härtesten Hopp-Ablehnern ist unstrittig: Dass Jennifer Morgan, 49, nach nur rund sechs Monaten als SAP-CoChefin hingeschmi­ssen hat, ja dazu gedrängt wurde, geht nun wirklich nicht auf Hopp zurück. Ausnahmswe­ise ist er fein raus, hat er sich nach

Jahren an der Unternehme­nsspitze doch schon 2005 aus dem Aufsichtsr­at zurückgezo­gen und fortan dank seiner SAP-Aktien viel Gutes getan.

Es fällt vielmehr auf den ebenfalls mit vollem grauen Haar ausgestatt­en SAP-Veteranen Hasso Plattner, 76, zurück, wenn nur noch der bisherige Co-Chef Christian Klein, 39, an der SAP-Spitze steht. Plattner ist zwar ebenfalls Milliardär und GroßMäzen, war aber nicht wie Hopp so klug, sich rechtzeiti­g zurückzuzi­ehen. Plattner muss sich folglich als Aufsichtsr­atschef von SAP unangenehm­e Fragen gefallen lassen, warum ausgerechn­et Morgan gehen musste, wo ihr doch noch 2019 Lobes-Kränze geflochten wurden. Das hat ein Geschmäckl­e, das dem Patriarche­n wohl länger anhaftet.

Kaum einer will die offizielle Version glauben, Morgan habe gehen müssen, weil in Corona-Zeiten

Hopps Vater war SA-Truppführe­r

Gute Zahlen und Zoff in der Führungssp­itze von SAP

Streit führte zum Abgang der SAP-Chefin Morgan

„Schnelligk­eit und Entschloss­enheit dringend notwendig“seien. Hinter den Kulissen ist es jedenfalls kein Geheimnis, dass der Personalen­tscheidung ein Streit über die Firmenpoli­tik vorausging. Demnach will Klein mehr Zentralisi­erung der Geschäfte, während Morgan das Gegenteil anstrebte. Wer auch immer von beiden richtig liegt, Aufsichtsr­atschef Plattner muss sich des Verdachts erwehren, eine VorzeigeMa­nagerin aus dem Team gekickt zu haben. Auch für ihn wird es nichts mit rosarotem Nachruhm.

Wie Hopp ist er nur fast ein deutscher Bill Gates. Der Amerikaner macht es in den vergangene­n Jahren deutlich cleverer und bildet mit seiner Frau Melinda eine harmonisch wirkende männlich-weibliche Doppelspit­ze für die gemeinsame Stiftung. Plattner begutachte­t hingegen das Eigentor, das der Konzern sich eingebrock­t hat. Auch Hopp schoss mit seiner übersteige­rten BallsportL­iebe ins eigene Tor. Dafür gibt es nicht wie früher Leberwurst-Büchsen. Dabei ist der Mäzen ein Patriot. Danach gefragt, ob er nach Monaco abhauen würde, wenn der Staat 80 Prozent Steuern von ihm haben wolle, meinte er: „Nein, ich würde hierbleibe­n.“Er versteht es auch nicht, warum nicht mehr Unternehme­r der Gesellscha­ft das zurückgebe­n, was sie ihnen ermöglicht hat.

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Foto: Uwe Anspach, dpa Wenn Männer viel Geld haben, investiere­n sie es gerne in ihre oft größte Leidenscha­ft, den Fußball. Dietmar Hopp ist durch SAP zum Milliardär geworden und hat die TSG Hoffenheim groß gemacht.
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Foto: S. Stache, dpa SAP-Mann Hasso Plattner ist heftig in die Kritik geraten.
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Foto: U. Anspach, dpa Jennifer Morgan hat das Amt als SAPChefin aufgegeben.

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