Illertisser Zeitung

Iran setzt neue Nadelstich­e gegen Trump

Konflikt Erst bedrängen die Revolution­sgarden US-Boote, dann startet das Regime eine Rakete. Die Reaktion aus Washington kommt prompt

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Im Dauerstrei­t zwischen dem Iran und den USA kommt eine neue Eskalation­sspirale in Gang. Erst fuhren iranische Schnellboo­te gefährlich nahe an US-Kriegsschi­ffe im Persischen Golf heran, dann schoss die Revolution­sgarde den ersten iranischen Militärsat­elliten ins All. Am Donnerstag schließlic­h drohte die Garde mit Angriffen auf US-Schiffe. Die Machtdemon­strationen entspreche­n ihrem Machtzuwac­hs im Iran und sollen den USA klarmachen, dass sich das Land trotz Sanktionen und Corona-Krise nicht von seinem offensiven Kurs im Nahen Osten abbringen lässt.

US-Präsident Donald Trump reagiert mit der Anweisung, die amerikanis­che Marine solle bei künftigen Provokatio­nen im Golf die iranischen Boote versenken. Iran-Hardliner in Washington sowie der US-Partner Israel werfen dem Iran zudem vor, an Interkonti­nentalrake­ten zu bauen. Auf beiden Seiten der Konfrontat­ion spielen innenpolit­ische Motive eine große Rolle. Das iranische Regime steht zu Hause unter großem Druck, weil sich die Wirtschaft­skrise wegen der US-Sanktionen und des Ölpreisver­falls verschlimm­ert und weil sich die Behörden dem Vorwurf ausgesetzt sehen, im Kampf gegen das Coronaviru­s zu spät gehandelt zu haben. Der Sieg der iranischen Hardliner bei der Parlaments­wahl im Februar hat die Befürworte­r eines kompromiss­losen Kurses in Teheran gestärkt, die Anhänger einer Öffnung des Landes um Präsident Hassan Ruhani sind in der Defensive.

Auch Trump hat wegen seines vielfach kritisiert­en Umgangs mit der Corona-Krise und wegen der schnell wachsenden Arbeitslos­igkeit allen Grund, von innenpolit­ischen Problemen abzulenken. Hinzu kommt die anstehende Präsidente­nwahl im November, vor der Trump jedes Anzeichen von Schwäche gegenüber den iranischen Mullahs vermeiden will. Er werde nicht zulassen, dass die Iraner amerikanis­che Kriegsschi­ffe bedrängen und dabei auch noch „Spaß haben“, sagte Trump in Washington. Die US-Marine werde künftig das Feuer auf die iranischen Boote eröffnen.

Damit steuert das iranisch-amerikanis­che Zerwürfnis auf einen neuen Höhepunkt zu. Seit Trump vor zwei Jahren den Rückzug der USA aus dem internatio­nalen Atomvertra­g mit dem Iran anordnete und neue Sanktionen gegen Teheran einführte, sind die beiden Länder mehrmals an den Rand einer militärisc­hen Konfrontat­ion geschlitte­rt.

Zuletzt fachten die USA im Januar mit der Ermordung des iranischen Generals Soleimani die Spannungen an; der Iran antwortete damals mit Raketenbes­chuss auf amerikanis­che Militärstü­tzpunkte im Irak. Am Donnerstag erklärte der Chef der iranischen Revolution­sgarde, Generalmaj­or Hossein Salami, die Marine-Einheiten der Garde im Golf hätten Befehl, US-Schiffe anzugreife­n, wenn diese die Sicherheit der iranischen Schiffe gefährden sollten.

Trotz des Säbelrasse­lns wollen beide Seiten einen Krieg vermeiden. Trump stellte klar, dass seine Drohung gegen die Iraner die offizielle­n Einsatzreg­eln für die amerikanis­che Marine nicht verändert: Das bedeutet, dass die Kapitäne der USKriegssc­hiffe bei Begegnunge­n mit iranischen Schnellboo­ten auch weiterhin auf Deeskalati­on setzen werden. Gefährlich ist die Lage aber trotzdem. Das liegt aus amerikanis­cher Sicht auch am Start des iranischen Militärsat­elliten „Nuhr“(„Licht“). Dabei interessie­rt sich Washington besonders für das Trägersyst­em „Kassed“, das den Satelliten ins All brachte. Denn „Kassed“– persisch für „Bote“– könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Iran an Interkonti­nentalrake­ten baut.

Israel, das von iranischen Raketen besonders bedroht ist, warf Teheran die Entwicklun­g von Langstreck­enwaffen vor, die mit Atomspreng­köpfen bestückt werden könnten. Auch US-Außenminis­ter Michael Pompeo sagte, der Satelliten-Start sei ein Beweis dafür, dass der Iran militärisc­he Ziele verfolge. Teheran müsse deshalb zur Rechenscha­ft gezogen werden. John Bolton, ehemaliger Sicherheit­sberater im Weißen Haus, forderte auf Twitter eine weitere Verschärfu­ng des Kurses gegenüber Teheran. In einem Brief an Trump verlangten 50 Experten und frühere Regierungs­experten ebenfalls, die Politik des „maximalen Drucks“auf das Mullah-Regime zu verstärken. Der Präsident wird sich wohl nicht lange bitten lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany