Illertisser Zeitung

Mehr als nur Wiederaufb­au

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger-allgemeine.de

Europa sieht sich mit einer noch nie dagewesene­n Krise konfrontie­rt – und damit ist nicht das Virus gemeint. Zum ersten Mal stehen nicht nur einige, sondern alle Mitgliedst­aaten mit dem Rücken zur Wand. Ganz anders als in der Finanzoder Staatsschu­ldenkrise sind alle betroffen, jeder ist auf seine eigene Weise Opfer – und niemand verfügt über finanziell­e Ressourcen, mit denen er andere retten könnte.

Mehr noch: Jeder nationale Alleingang beschädigt andere. Ein Ausfall des Binnenmark­tes trifft die Wirtschaft des Lieferante­n-Staates ebenso wie denjenigen, der Waren braucht. „Wer kauft denn unsere Produkte“, fragte der Bundesauße­nminister vor dem gestrigen Gipfel, „sollte die Solidaritä­t zwischen den Mitgliedst­aaten zerbrechen?“Eine Lösung zeichnete sich am Donnerstag bestenfall­s in Umrissen ab. Der wichtigste Fortschrit­t dieser Videokonfe­renz der Staatsund Regierungs­chefs bestand wohl darin, dass man nicht mehr über ohnehin nicht mehrheitsf­ähige Instrument­e stritt, sondern konsensfäh­ige Modelle auf den Tisch legte, die nun ausgearbei­tet werden sollen. Bis dahin ist der Weg zwar noch weit. Aber man scheint wenigstens wieder konstrukti­v zusammenzu­arbeiten. Dabei stehen die Staatenlen­ker unter Druck. Denn sie brauchen einen großen Wurf, der schlagarti­g überzeugen­d und kraftvoll ist – der aber auch gleichzeit­ig der Union die richtige Richtung für die nächsten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte gibt.

Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen will keine Rückkehr zur Zeit vor dem Lockdown und somit auch keinen Wiederaufb­au, sondern ohnehin fällige Schritte nach vorne zu Klimaneutr­alität, Digitalisi­erung und nachhaltig­er Wirtschaft tun. Sie hat recht.

Denn die bereits getroffene­n Beschlüsse stellen nichts anderes als ein gewaltiges Konjunktur­programm dar, das alles leisten könnte, was als Anschub für die Nach-Coronaviru­s-Ära nötig ist.

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