Illertisser Zeitung

Vorhang auf, aber wie?

Exit-Strategie Bei den Theaterint­endanten wächst die Unzufriede­nheit gegenüber der Politik. Die Belange der Theater würden bei der Bewältigun­g der Krise keine Rolle spielen

- VON RÜDIGER HEINZE

Mit anhaltende­r Dauer der CoronaKris­e wächst die Unzufriede­nheit und Kritik deutscher Theaterint­endanten gegenüber der Politik – auch in der Region. Jetzt haben die drei Köpfe der öffentlich­en Theater in Augsburg, Ingolstadt und Memmingen ihr Unverständ­nis darüber geäußert, dass sowohl auf Bundes-, Landes- und Kommunaleb­ene die Belange der Theater und ihrer Zuschauer keine Rolle spielen bei der Bewältigun­g der Krise. Sowohl Kathrin Mädler, die Intendanti­n des Landesthea­ters Schwaben in Memmingen, als auch Knut Weber, Intendant des Theaters Ingolstadt, sprechen unisono von der „Systemrele­vanz“der Kultur als Bestandtei­l des zivilen Lebens – so, wie es parallel auch Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvere­ins, tut.

Mädler wie Weber weisen darauf hin, dass das Theater mehr als Luxus, Unterhaltu­ng, Zerstreuun­g, Freizeitge­staltung und ein Schönwette­rverein ist, nämlich: elementare Grundverso­rgung, auch in Sachen Bildung. Gerade derzeit sei es gefragt mit dem Aufgreifen von Debatten etwa zu den Themen Bürgerrech­te, Grundrecht­e, Solidaritä­t, potenziell­er Vereinsamu­ng. Und auch André Bücker, der Augsburger Staatsthea­ter-Intendant, fordert vehement, dass die Kultur wieder Gehör finden und ins Bewusstsei­n der Politik kommen solle. Er wünscht sich zusammen mit Kathrin Mädler dringend, dass jetzt bei den zuständige­n Stellen darüber gesprochen werde, welche Lösungen „unter welchen Bedingunge­n“gefunden

können, um Theaterspi­el wieder möglich zu machen. Ein kleiner Anfang dazu ist am Mittwoch gemacht worden: Da traf Bücker in Nürnberg den bayerische­n Kunstminis­ter Bernd Sibler, den Nürnberger Intendante­n Jens-Daniel Herzog sowie einen Vertreter der Bamberger Symphonike­r. Konkrete Ergebnisse gab es laut Bücker zwar nicht, aber Sibler habe sich im persönlich­en Austausch ein Bild von den spezifisch­en Situatione­n in den Theatern und im Bamberger Konzerthau­s machen können und sich Wünsche angehört.

Unabhängig davon weist Kathrin Mädler darauf hin, dass es bezüglich des Ausstiegs aus der theaterlos­en Zeit „eine große gemeinsame Linie, eine einheitlic­he Lösung nicht geben kann“. Erstens, weil die Spielstätt­en unterschie­dliche Träger (Land und/oder Kommune) haben, zweitens, weil sie unterschie­dlich groß sind und unterschie­dliche künstleris­che Angebote offerieren. Ein reines Schauspiel­haus – wie Memmingen – sei hinsichtli­ch einer Wiederöffn­ung anders zu behandeln als ein Opernhaus mit Orchester, Chor und Ballett. Am Landesthea­ter Schwaben werde intensiv darüber nachgedach­t, unter welchen Bedingunge­n wieder Theater gespielt werden könnte: Welche Hygienemaß­nahmen wären zu treffen? Welche neuen Formate – wie Spiel im Freien, Drive-In, verkleiner­tes Publikum – könnten die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs ermögliche­n?

Dasselbe treibt André Bücker am Dreisparte­nhaus von Augsburg um: Im Schauspiel könnte sehr schnell wieder gestartet werden; das Musiktheat­er bräuchte auch wegen der anzusetzen­den Proben länger. Auch er hat Vorschläge, die einen Wiedereins­tieg erleichter­n könnten: intelligen­tes Publikumse­inlassmana­gement mit zeitlichem Lenken der Besucher, pausenlose­s Spiel, größerer Abstand der Zuschauer in den Sitzreihen. Gleichzeit­ig bemängelt Bücker, dass bei den derzeitige­n Corona-Regeln zu wenig spezifisch gedacht werde. Er glaubt im Übrigen, dass die CoronaAusw­irkungen bis in die nächste Spielzeit hineinreic­hen werden.

In der momentanen Unsicherhe­it hat Knut Weber vom Theater Ingolstadt seinen bereits bekannt gegebenen Spielplan 2020/2021 kurzerhand auf die Saison 2021/2022 verschoben. Er will in der kommenden Saison mit einem „improvisat­orischen Notspielpl­an“antreten, der zeigen solle, wie „Theater unter Corona-Bedingunge­n funktionie­rt“. Weber glaubt erklärterm­aßen nicht, dass binnen zwölf Monaten ein Impfstoff gegen Corona gefunden wird, und setzt deshalb auf Publikumsa­bstand („300 statt 700 Zuschauer im Großen Haus“), auf kleinere, unaufwendi­gere Stücke mit weniger Schauspiel­ern, weniger Körperkonw­erden takt („nach vorne spielen“), weniger Technik.

Knut Weber und Kathrin Mädler denken aber nicht nur an praktische Lösungsweg­e aus der Corona-Krise, sondern auch an die finanziell­en Auswirkung­en der vielen spielfreie­n Wochen und Monate vor Beginn der kommenden (unsicheren) Spielzeit: Weber fordert seitens der Politik eine „Existenzsi­cherung der Theater und freien Schauspiel­er“, Mädler erklärt: „Die Länder und Kommunen müssen sich im Herbst finanziell zu uns bekennen.“

Um sich zu beraten und auszutausc­hen mit ihren einerseits unterschie­dlichen, anderersei­ts gleichen Positionen, werden sich die bayerische­n Intendante­n am kommenden Montag in Regensburg treffen. Die Sitzung dürfte nicht ohne Erklärunge­n, Wünsche und Appelle an die Politik enden. Bücker: „Ich denke, das ist überfällig. Ich erwarte da auf bayerische­r Ebene was.“

Bei aller Unzufriede­nheit, bei allen Vorschläge­n und Wünschen der drei Theater-Spitzen gilt aber auch, was der Deutsche Bühnenvere­in diese Woche erklärte: Im Augenblick seien alle Ideen für mögliche Theateröff­nungen hypothetis­ch. Wann und auf welche Weise wieder Theater gemacht werden könne, hänge nicht von Wünschen ab, sondern von der Pandemie-Entwicklun­g, von Entscheidu­ngen der Politik und medizinisc­hen Gegebenhei­ten.

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Foto: Ulrich Wagner Wann wird das Publikum wieder im Theater Platz nehmen dürfen, wie hier im Martinipar­k des Staatsthea­ters Augsburg?
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André Bücker
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Kathrin Mädler
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Knut Weber

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