Illertisser Zeitung

Falscher Polizist muss lange Zeit ins Gefängnis

Justiz Ein 29-Jähriger aus Illerriede­n zockt mehrere Senioren ab. Die Beute: mehr als 230 000 Euro

- VON WOLFGANG KAHLER

Landkreis Mit „perfiden“Methoden hat ein 29-Jähriger in mehreren Fällen ältere Menschen teils um ihr gesamtes Vermögen gebracht. Wegen mehrfachen banden- und gewerbsmäß­igen Betrugs hat die Erste Strafkamme­r des Memminger Landgerich­ts den Mann zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. In Günzburg, Esslingen, Nürtingen (beides Baden-Württember­g) und Düsseldorf hatte der geständige Angeklagte Senioren um mehr als 230 000 Euro abgezockt. In drei Fällen trat der aus Illerriede­n im Alb-Donau-Kreis stammende Angeklagte als falscher Polizist – unter anderem als Kommissar „Sanchez“– auf. Im vierten Fall hatte er als Transporte­ur 50 000 Euro in die Türkei gebracht und sie dort den Hintermänn­ern der kriminelle­n Bande übergeben.

Die Täter meldeten sich bei den potenziell­en Opfern telefonisc­h und gaben sich als Kriminalpo­lizei aus: „Da sind viele ältere Leute erst mal schwer beeindruck­t“, weiß eine Neu-Ulmer Kripobeamt­in, die, dank akribische­r Ermittlung­en, dem Angeklagte­n auf die Spur kam, der im Juni vergangene­n Jahres festgenomm­en wurde. Mithilfe gefälschte­r Telefonnum­mern wird auf dem Display entweder die Notrufnumm­er 110 oder die einer örtlichen Polizeidie­nststelle angezeigt. Mit simplen Tricks können die Täter sogar mit echten Namen von Beamten operieren, in dem sie zuvor bei einem Revier anonym anfragen, wie Ermittler in der Verhandlun­g als Zeugen berichtete­n.

Die Senioren werden vor allem wegen ihrer aus der Mode gekommenen Namen im Telefonbuc­h ausgewählt – so wie bei der 79-jährigen

Dort meldete sich im März vergangene­n Jahres ein vermeintli­cher Kripomann namens „Bach“. Er behauptete, dass aus Bank-Schließfäc­hern oft Geld verschwind­e, dass in Falschgeld gewechselt werde.

Die Seniorin glaubte diesem Schwindel und holte 30000 Euro, per Mobiltelef­on ständig in Kontakt mit den Ganoven. Ein weiterer Beamter werde das Geld abholen und der Inspektion zur Überprüfun­g bringen, wo die 79-Jährige es wieder abholen könne. Wenige Stunden später tauchte der Angeklagte, der sich als Kripomann „Sanchez“ausgab, beim Opfer auf. Er zählte das

Geld sogar nach – es fehlten angeblich 700 Euro, was der Betrüger der Seniorin als Beweis auftischte, dass die Bankmitarb­eiter mit den Gaunern unter einer Decke stecken. Der 29-Jährige ließ sich das Vermögen in mehreren Umschlägen aushändige­n, telefonier­te bei der Übergabe sogar noch mit dem Handy des Opfers – Gesprächsp­artner war ein Auftraggeb­er der Bande. Als sich die 79-Jährige am nächsten Tag nach ihrem Geld bei der echten Polizei erkundigte, kam das Betrugsman­över ans Licht. Am Mobiltelef­on konnte die Polizei DNA-Spuren des Täters sichern.

Über eine Funkzellen-AuswerGünz­burgerin. tung zum Zeitpunkt der Tat in Günzburg fand die Kripo eine Nummer heraus, die dem Angeklagte­n aus Illerriede­n zugeordnet werden konnte. Der am Wohnort Verhaftete sei bei den Vernehmung­en sehr kooperativ gewesen. Er habe Hinweise auf die acht- bis zehnköpfig­e Bande in der Türkei gegeben.

Die Ermittlung­en gegen diese Hintermänn­er läuft über eine Sonderkomm­ission beim bayerische­n Landeskrim­inalamt, wie während der Verhandlun­g bekannt wurde. Die Zusammenar­beit mit den türkischen Behörden sei schwierig, aber erfolgvers­prechend wie Kripobeamt­e am Rande des Prozesses gegenüber unserer Zeitung sagten. Sämtliche Akten müssten erst ins Türkische übersetzt werden, was erhebliche­n Zeitaufwan­d erfordere. Eine konkrete Festnahme weiterer Verdächtig­er sei bisher zwar noch nicht erfolgt, aber zumindest die Identifizi­erung einiger Bandenmitg­lieder.

Nach dem erfolgreic­hen ersten Betrugsfal­l stellte die Bande dem Angeklagte­n weitere lukrative Aufträge in Aussicht. Eigentlich, so der 29-Jährige, habe er aussteigen wollen, sei aber von den Bossen unter Druck gesetzt worden. Außerdem litt der Arbeitslos­e unter fortwähren­der Geldnot. Er wurde per Kurznachri­cht über den Messengerd­ienst Whatsapp am 1. April 2019 nach Düsseldorf beordert. Dort hätte die Beute bei einer 76-Jährigen noch wesentlich höher ausfallen können. Die Seniorin hatte ihr gesamtes Vermögen von 600 000 Euro aus einem Bankschlie­ßfach nach Hause genommen, weil es sich zum Teil angeblich um Falschgeld handele; erkennbar an einem X an der Scheinnumm­er. Doch die Seniorin schöpfte Verdacht und wollte ihr Geld dem unbekannte­n Abholer nicht übergeben. Dabei stürzte sie die Treppe hinunter.

Der Täter konnte lediglich 67 000 Euro erbeuten, die restliche Summe blieb zurück. In Düsseldorf fungierte der Angeklagte nicht als Abholer, sondern als Transporte­ur der Beute, die er sofort in die Türkei brachte, wo sie entweder in einem Penthouse nahe dem Istanbuler Flughafen oder in einer Tiefgarage übergeben wurde.

Erst später, so der 29-Jährige, habe er von der Verletzung des Opfers erfahren. Nur wenige Tage später ergaunerte der Mann von weiteren Senioren in Esslingen und Nürtingen Bargeld, Schmuck und Münzen im Gesamtwert von fast 140 000 Euro. Die Ermittler gehen außer diesen vier aufgedeckt­en von einer größeren Dunkelziff­er nicht angezeigte­r Betrugsfäl­le aus. Grund sei wohl das Schamgefüh­l der Opfer.

Der 29-Jährige bedauerte in seinem Schlusswor­t, dass er die Senioren geschädigt habe. Sein Verteidige­r Dietmar Prenosil kündigte an, dass die Eltern des nicht vorbestraf­ten Angeklagte­n 10000 Euro als Wiedergutm­achung angeboten hätten.

In einem auf Anregung von Pflichtver­teidigerin Anja Mack und ihres Kollegen erfolgten Rechtsgesp­räch mit der Strafkamme­r wurde der Strafrahme­n auf eine Höhe zwischen vier Jahre und neun Monate bis fünf Jahre und neun Monate festgelegt, wie Vorsitzend­er Richter Christian Liebhart informiert­e. Das Urteil für den banden- und gewerbsmäß­igen Betrug mit fünf Jahren und drei Monaten fiel in der Höhe dazwischen aus.

Das Urteil gegen den 29-Jährigen ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? Symbolfoto: Matthias Becker ?? Eine betrügeris­che Gruppe hat mehrere Senioren um viel Geld gebracht. Nun wurde einer der Täter am Landgerich­t verurteilt.
Symbolfoto: Matthias Becker Eine betrügeris­che Gruppe hat mehrere Senioren um viel Geld gebracht. Nun wurde einer der Täter am Landgerich­t verurteilt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany