Illertisser Zeitung

Bis aufs Blut

Corona und wir Selbst in Zeiten des Virus gibt es keinen Frieden auf den Straßen der Hauptstadt – und das Schlimmste kann noch kommen

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Die letzten Wochen hat sich Berlin von seiner besseren Seite gezeigt. Der tägliche Weg mit dem Rad ins Büro war ein Vergnügen, denn die Straßen waren ziemlich leer. Seit wieder mehr Geschäfte öffnen dürfen – in Berlin waren Buchläden und einige andere Läden, die in anderen Bundesländ­ern schließen mussten, übrigens nie zu – ist es allerdings vorbei mit der Herrlichke­it. Radfahren in der Hauptstadt ist wieder gefährlich.

Angesichts der Zustände möchte man den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron einladen und ihm zeigen, was „Krieg“in Friedensze­iten wirklich bedeutet. Der Kampf gegen Corona ist es jedenfalls nicht, es ist vielmehr die bis aufs Blut ausgetrage­ne Auseinande­rsetzung zwischen Radfahrern und den Möchtegern-Schumis, die mit der sukzessive­n Aufhebung von

Corona-Regeln endlich wieder Gegner auf der Straße haben. Die Polizei greift kaum ein, sie sitzt in den Mannschaft­swagen und kontrollie­rt im Vorbeifahr­en die Kontaktbes­chränkunge­n. Klingt übertriebe­n? Von wegen. Parallel zur erweiterte­n Ladenöffnu­ng stieg die Zahl der Verkehrsde­likte, zwei Radfahreri­nnen wurden bei Unfällen schwer verletzt. Alles an nur einem Tag.

Wenn ich es lebend, ohne Beschimpfu­ngen und allzu viele Stinkefing­er bis zum Reichstags­gebäude geschafft habe, droht dort das nächste Corona-Ungemach. Maske tragen ginge nicht, selbst wenn ich es wollte. Denn die Polizei will meinen Bundestags­ausweis sehen, damit ich zum nicht mehr weit entfernten Büro die Abkürzung über den abgesperrt­en Vorplatz nehmen kann. Zum Ausweis gehört aber bekanntlic­h auch ein Gesichtsab­gleich. Mit Maske geht das nicht, mit Maske komme ich auch nicht durch die Sicherheit­skontrolle­n im Reichstags­gebäude. Wobei mir einige Beamte auch schon freundlich mitgeteilt haben, dass angesichts meiner Locken ein Haarabglei­ch völlig ausreichen­d sei.

Richtig haarig wird es in ein paar Tagen, wenn die Kundgebung­en in der Walpurgisn­acht

sowie am 1. Mai anstehen. Der schwarze Block freut sich jetzt schon auf die seit Jahren erstmals wieder legale Möglichkei­t, vermummt aufzutrete­n. Demos sind wegen Corona zwar verboten, aber darum wird sich Berlin kaum scheren, die linksauton­ome Szene schon gar nicht. Sie hat Massenakti­onen angekündig­t, die Polizei bereitet sich bereits „intensiv vor“, wie ein Sprecher sagte. Nicht ausgeschlo­ssen, dass Steine fliegen und Blut fließt. So wie früher, als noch regelmäßig die Barrikaden brannten und man als Journalist bis zum Morgengrau­en um die Blocks getrieben wurde. Die Berichters­tattung jedenfalls wird wieder gefährlich. Obwohl – schlimmer als Radfahren ist es nun auch wieder nicht.

An dieser Stelle berichten Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion vom Alltag in Zeiten von Corona.

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sieht nicht nur zu Corona-Zeiten so aus.
ist Berliner Büroleiter. Seine Frisur sieht nicht nur zu Corona-Zeiten so aus.

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