Zehn Minuten ins Meer – mit Badekarte?
Urlaub EU-Tourismus-Minister wollen die Saison mit neuem Sicherheitskonzept retten: Aber noch ist Hoffnung das meist benutzte Wort. Und es ist auch offen, wann die Schlagbäume an den Grenzen wieder hochgefahren werden
Brüssel Am Strand von Apulien werden gerade die ersten Vorbereitungen für die Urlauber 2020 getroffen. Die Behörden der italienischen Region errichten isolierende Plexiglas-Kabinen im Sand. Betreuer der Küstenabschnitte sollen für die ankommenden Gäste Nummern ausgeben, die zum Baden im Meer berechtigen – für zehn Minuten. Atemschutzmasken gehören selbstverständlich dazu. Wird das der Normalfall in dieser Saison?
Zum ersten Mal kamen am Montag die für Tourismus zuständigen Minister der 27 Mitgliedstaaten per Videokonferenz zusammen, um nach Konzepten zur Lösung zu suchen. „Wir hoffen, dass wir mit schrittweisen Lockerungen bis zum Sommer doch wieder einige unserer
Urlaubsregionen anbieten können“, sagte Gari Capelli, der kroatische Tourismus-Minister, der die Sitzung als Vertreter der halbjährlich wechselnden EU-Ratspräsidentschaft leitete.
„Hoffnung“– das war denn auch das meistgenutzte Wort, das Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, nach der Sitzung benutzte. Man hoffe auf schrittweise Lockerungen. Man hoffe auf eine enge europäische Abstimmung. Man hoffe… Dennoch würden „Einschränkungen bleiben“, sagte er weiter. „Die Branche braucht einen Neustart“. Alleine in der Bundesrepublik stünden 40000 Reiseveranstalter vor dem Nichts. Es fehlt ein Umsatz, der bisher bei rund 100 Milliarden Euro im Jahr lag. Vor der Krise gab es 50 Millionen Auslandsreisen der Bundesbürger. Davon, so Bareiß, „sind wir weit entfernt.“Zunächst werde es wohl regionale Freiräume zum Erholen geben, dann nationale und schließlich europäische. Fernreisen dürften noch auf Monate hinaus undenkbar sein.
Der Branche wolle die Bundesregierung jetzt zunächst mit abgesicherten Reisegutscheinen helfen, damit die Veranstalter nicht „von einer Lawine an Erstattungswünschen der Kunden“ausgesaugt werden. In Berlin bereitet man offenbar genau das vor, was die Brüsseler EU-Kommission Ende voriger Woche angeregt hatte: Gutschriften, die bis Ende 2021 gelten und selbst dann abgesichert bleiben, wenn bis dahin der Urlaub nicht genommen werden konnte – oder aber das Unternehmen Konkurs anmelden musste. Ähnliche Modelle werden auch von anderen Mitgliedstaaten vorbereitet.
Die wichtigste Voraussetzung zur Lockerung der Einschränkungen ist nach Bareiß’ Worten ein Sicherheitskonzept. „Wir brauchen Standards für die Reise mit Bus, Bahn oder Flugzeug. Es darf weder an Bahnhöfen noch an Flughäfen zu größeren Ansammlungen kommen. Das Gleiche gilt für den Besuch von Freizeitparks oder den Aufenthalt in Hotels und Gaststätten.“Der Gesundheitsstatus habe Vorrang, das Durchbrechen der Infektionsketten sowie die Verhinderung einer zweiten Krankheitswelle sollen garantiert werden.
Die Bundesregierung wolle mit der Reise-Industrie nun entsprechende Vorgaben für alle Beteiligten ausarbeiten. „Wir brauchen eine gemeinsame europäische Strategie“, betonte Bareiß. Denn die Sicherheitsauflagen müssten an allen Knotenpunkten in der EU sowie an den Urlaubsorten gleich strikt sein. Wie schnell ein solches Konzept vorliegen werde, wollte der Staatssekretär nicht sagen.
Doch bevor allzu hochfliegende Urlaubsträume wieder möglich sind, beschäftigen sich die EU-Mitgliedstaaten am heutigen Dienstag erst einmal mit ihrer eigenen Wirklichkeit. Bei einer Videokonferenz wollen die Innenminister beraten, wie lange die Grenzübergänge noch geschlossen beziehungsweise strikt kontrolliert bleiben.
Vor Corona gab es 50 Millionen Auslandsreisen
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