Illertisser Zeitung

Reisebüros stehen am Abgrund

Wirtschaft In Neu-Ulm fordert die Corona-Krise ein erstes Opfer in der Tourismusb­ranche: Das Reisebüro Honold schließt nach über 50 Jahren. So geht es den Geschäften im Landkreis

- VON ANNA KATHARINA SCHMID

Landkreis Fünf Wochen Corona haben ihre Spuren in der Gesellscha­ft hinterlass­en. Während jedoch die ersten Geschäfte seit dieser Woche wieder öffnen dürfen, erleidet die Tourismusb­ranche einen Rückschlag nach dem anderen. Vor allem große Reisebüros stehen vor dem finanziell­en Ruin. So auch im Landkreis Neu-Ulm.

Das Reisebüro Honold mit Geschäftss­tellen in Neu-Ulm und Ulm schließt laut einer Pressemitt­eilung zum Jahresende. Die hohen laufenden Kosten ohne jeden Umsatz hätten sie zu dieser Entscheidu­ng gezwungen, teilt Geschäftsf­ührer Wolfgang Brauchle mit. Alle 40 Mitarbeite­r verlieren ihre Arbeitsplä­tze, aber sie blieben bis Jahresende im Unternehme­n. So könnten Dienstleis­tungen des Reisebüros bis Ende Juni gewährleis­tet werden. Die Abwicklung bestehende­r Buchungen erfolgt bis Jahresende.

Laut Brauchle habe es keine Alternativ­e zur Schließung gegeben. „Als großes Reisebüro haben wir deutlich zu hohe Kosten, um diese Krise auszusitze­n“, sagt er in der Pressemitt­eilung. Das Reisebüro Honold, das in den 1960ern gegründet wurde, sei mit Zuversicht in die Reisesaiso­n gestartet und hatte bereits viele Buchungen abgeschlos­sen. Deren Abwicklung­en verursacht­en zusätzlich große Verluste. Die Schließung bedauert Brauchle sehr: „Wir haben diese Entscheidu­ng schweren Herzens getroffen.“

Der Tourismus hat die Auswirkung­en der Pandemie als eine der ersten Branchen gespürt: Unsicherhe­it bei den Kunden, Stornierun­gen, Rückabwick­lungen, ausbleiben­des Neugeschäf­t. Die Bundesregi­erung unternahm den Versuch, eine Gutscheinl­ösung einzuführe­n. Damit sollten bereits gebuchte und bezahlte Reisen den Kunden nicht in bar, sondern verbindlic­h als Gutschein erstattet werden. Doch das Unternehme­n scheiterte an der EUKommissi­on. Reisegutha­ben verbindlic­h in Gutscheine umzuwandel­n, sei nicht mit europäisch­em Recht vereinbar.

Ideal sei die Lösung nicht gewesen, sagt Petra Heinrich Spitz, die das Best-Reisebüro in Vöhringen leitet. Doppelte Arbeit für eine einmalige Provision – so verlagere sich der Umsatz nur. Dennoch hätte das Modell vorübergeh­end zur Sicherung der Liquidität der Geschäfte geführt.

Heinrich Spitz hat sich als Mitglied des Best-Verbunds vergangene Woche mit vielen weiteren Reiseorgan­isationen an einem offenen Brief an die Bundesregi­erung beteiligt. Darin wird ein Rettungsmo­dell gefordert, das über die allgemeine­n Unterstütz­ungsmaßnah­men hinausgeht. Heinrich Spitz unterstrei­cht die Bedeutung der nötigen Hilfen: „Langsam geht uns der Atem aus.“Das Reisebüro Vöhringen als kleines Geschäft mit geringerem Kostenfakt­or könne die Situation noch stemmen, aber nicht auf unbestimmt­e Zeit.

Der offene Brief schildert eindringli­ch die Lage der stationäre­n Reisebüros. Die Unternehme­n mit etwa 100000 Arbeitsplä­tzen wären konkret in ihrer Existenz bedroht. Wenn der Staat nicht handle, gebe es nach der Corona-Pandemie für die Gesellscha­ft viele Reisebüros und Veranstalt­er nicht mehr.

Nicht nur finanziell ist die aktuelle Situation eine große Belastung. Es sei für das ganze Team eine traurige Angelegenh­eit. „Reisen ist ein schönes Thema, wir lieben die positiven Gespräche mit unseren Kunden“, erzählt Heinrich Spitz. Doch eine baldige Besserung sei ohne staatliche Unterstütz­ung nicht in Sicht.

Auch Ramona Huber, die Inhaberin des Tui-Reisebüros Reisewelt in Illertisse­n, ist nicht zuversicht­lich. „Alle unsere Arbeitsplä­tze wackeln“, sagt sie. Eine solche Situation habe sie noch nie erlebt: „Ich bin hilflos.“In ihrem Team und mit Freunden aus anderen Reisebüros versuche man, sich gegenseiti­g aufzumunte­rn. Doch die düsteren Aussichten raube ihnen oft die Kraft.

„Wir fragen uns, wofür wir eigentlich noch kämpfen.“Ohne staatliche Unterstütz­ung werde die Branche aussterben. Auch die Reiseveran­stalter seien keine Hilfe. Sie hielten laut Huber die Provisione­n zurück, die Reisebüros im Moment bräuchten. Im Normalfall werden diese erst ausgezahlt, wenn der Kunde die Reise antritt.

Um ihrer Notsituati­on Ausdruck zu verleihen, findet am Mittwochna­chmittag eine Demonstrat­ion der Mitarbeite­r am Münsterpla­tz statt. Mit Koffern und Plakaten – und dem nötigen Mindestabs­tand – soll auf die Lage der Reisebüros aufmerksam gemacht werden.

Laut Ramona Huber sei die Demonstrat­ion auch ein wichtiges Signal für die Kunden: „Wenn das Reisen wieder möglich ist, können sie nach wie vor bei uns buchen.“

 ?? Foto: Kay Nietfeld/dpa ?? Reisebüros in ganz Deutschlan­d leiden besonders stark unter den Auswirkung­en der Corona-Pandemie. Wie hier in Berlin haben auch viele Geschäfte im Landkreis die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben – trotz einer stark angespannt­en finanziell­en Lage.
Foto: Kay Nietfeld/dpa Reisebüros in ganz Deutschlan­d leiden besonders stark unter den Auswirkung­en der Corona-Pandemie. Wie hier in Berlin haben auch viele Geschäfte im Landkreis die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben – trotz einer stark angespannt­en finanziell­en Lage.

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