Illertisser Zeitung

In 30 Tagen zum wohl größten Rettungswa­gen der Welt

Hilfe Wie bei Evobus in Neu-Ulm ein Bus zu einer rollenden Corona-Intensivst­ation umgebaut wird

- VON THOMAS HECKMANN

Neu-Ulm Das Ulmer Rote Kreuz (DRK) verfügt jetzt über einen umgebauten Bus, der vermutlich der größte Intensivtr­ansportwag­en weltweit ist. Aus einer spontanen Idee wurde in nur 30 Tagen ein einsatzber­eites Rettungsfa­hrzeug mit über zwölf Metern Länge. Mit dem Fahrzeug können vier schwer kranke und künstlich beatmete Patienten schonend zwischen Kliniken transporti­ert werden. Gerade während der Corona-Pandemie werden damit kurzfristi­g überlastet­e Krankenhäu­ser entlastet und die Patienten können in andere Landesteil­e zur Weiterbeha­ndlung gebracht werden.

David Richter, der Geschäftsf­ührer des DRK-Rettungsdi­enstes Heidenheim-Ulm, hatte am 25. März seinem Rettungsdi­enstleiter Ludwig Merkle von seiner Idee erzählt, mehrere Patienten auf einmal transporti­eren zu können. Bisher gibt es in Baden-Württember­g etwa sechs Intensiv-Transportw­agen (ITW), die jeweils einen Patienten transporti­eren können. Die Stuttgarte­r Feuerwehr betreibt einen Bus, der als Großraum-Rettungswa­gen drei liegende Patienten befördern kann, doch die Ulmer Idee ging noch weiter. Am Tag darauf telefonier­te Richter mit dem Notfallmed­iziner Prof. Dr. Claus-Martin Muth von der Ulmer Uni-Klinik von seiner Idee und auch er fand die Idee gut. Am nächsten Tag sah Muth in den Fernsehnac­hrichten den TGV-Zug der Franzosen, mit dem liegende und beatmete Corona-Patienten aus dem Elsass in andere Teile Frankreich­s gebracht wurden. Die Bundeswehr hat einige Corona-Patienten mit Flugzeugen aus Italien und Frankreich nach Deutschlan­d geholt. Der Bedarf für Langstreck­enverlegun­gen ist also in Europa wirklich vorhanden und kann im Verlauf der Pandemie auch Schwaben treffen.

Gleichzeit­ig wurde die Werksleitu­ng von Evobus auf die Idee angesproch­en und um Unterstütz­ung gebeten. In der Folgewoche hatte der Neu-Ulmer Werksleite­r ein geeignetes Vorführfah­rzeug im Mannheimer Werk gefunden. Der neuwertige Stadtlinie­nbus wurde sofort nach Neu-Ulm überführt und von seinen

Fahrgastsi­tzen befreit. Das DRK hat gleichzeit­ig Lieferante­n für medizinisc­he Ausstattun­g informiert und Material bestellt. In täglichen Baubesprec­hungen im EvobusWerk Neu-Ulm wurde der Umbau schrittwei­se von einem zwölfköpfi­gen Team umgesetzt. Fünfzehn Arbeitstag­e später war das Fahrzeug fertig. Bei der Übergabe am Freitag in Neu-Ulm staunte auch Ulms Oberbürger­meister Gunther Czisch, dass so ein Projekt heutzutage ohne Marktanaly­se, monatelang­e Planungen und unzählige Konstrukti­onszeichnu­ngen umsetzbar war.

Eine Trennwand und eine umgebaute Belüftungs­anlage trennen den Busfahrer komplett vom Patientenr­aum ab, sodass er auch nicht mit

Corona-Viren in Kontakt kommen kann. Natürlich benötigt das DRK für das Fahrzeug auch Busfahrer. Richter schrieb den SWU-Chef Klaus Eder an, der zwei Minuten später zurückrief und von der Idee begeistert war. Er klärte bei den Verkehrsbe­trieben alle Möglichkei­ten ab und konnte zusagen, dass die SWU gemeinsam mit anderen Busunterne­hmen aus dem Verkehrsve­rbund Ding die Fahrer für den Bus stellt. Außerdem wird der Bus außerhalb der Einsätze im Betriebsho­f der SWU abgestellt, dort gewartet und getankt.

Notfallmed­iziner Muth konnte aus der Anästhesie der Uni-Klinik die benötigten Notärzte für den Transport organisier­en. Zwei von ihnen werden zusammen mit drei Notfallsan­itätern und zwei Rettungssa­nitätern die vier Patienten im Bus mit dem gleichen medizinisc­hen Standard betreuen wie in einer Intensivst­ation eines Krankenhau­ses. Daher gehören neben Beatmungsg­eräten und Überwachun­gsgeräten auch 20 Spritzenpu­mpen für Medikament­e genau so zur Ausstattun­g wie ein Ultraschal­lgerät und ein Blutgasana­lysegerät. Die Sauerstoff­vorräte reichen laut Richter rechnerisc­h für eine durchgehen­de Fahrt von Ulm bis Hamburg.

Das Grundfahrz­eug wird von Evobus für ein halbes Jahr zur Verfügung gestellt, danach wird dann entschiede­n, ob weiterhin Bedarf für das Fahrzeug besteht. Laut dem Hersteller der eingebaute­n Tragensyst­eme gibt es weltweit kein anderes Straßenfah­rzeug, das vier Beatmungsp­lätze gleichzeit­ig bietet. Größer sind nur die MedEvac-Flugzeuge der Bundeswehr und anderer Militärs, die in einem Airbus sechs Beatmungsp­lätze bieten und der behelfswei­se umgebaute TGV-Zug der Franzosen. Denkbar ist neben den Langstreck­en-Verlegunge­n von mehreren schwer Erkrankten auch der Einsatz bei großen Verkehrsun­fällen in der Region oder bei Naturkatas­trophen, um regionale Krankenhäu­ser zu entlasten. Die Einsätze des Intensivtr­ansportbus­ses werden baden-württember­gweit über eine zentrale Koordinier­ungsstelle gemeinsam mit den sechs ITW und drei Intensivtr­ansporthub­schraubern koordinier­t.

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Foto: Thomas Heckmann Bus mal anders: Vier Beatmungsp­lätze wurden in den Bus eingebaut.

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