Illertisser Zeitung

Protest gegen Ausgangsbe­schränkung­en

Corona-Krise Im Unterallgä­u demonstrie­ren Menschen gegen Einschränk­ungen. Doch nicht alle von denen, die sich in Memmingen versammelt­en, sind „ganz normale Bürger“

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Memmingen „Es stimmt einfach nicht, dass sich an derartigen Demos derzeit nur Rechts- und Linksradik­ale beteiligen. Ich zum Beispiel bin ein ganz normaler Bürger“, sagt der Memminger Hermann Haller vor der Großzunft am Marktplatz. Haller ist an diesem Samstagnac­hmittag gekommen, um im strömenden Regen zu demonstrie­ren. Ihn stört, „dass in der gegenwärti­gen CoronaKris­e viele Meinungen öffentlich ignoriert werden und immer nur die gleichen Experten zu Wort kommen“. Hinter Haller stehen auf der Treppe des historisch­en Gebäudes mehrere Vertreter der Polizei und des Ordnungsam­tes. Von erhöhter Warte aus überblicke­n sie den Platz.

Die Einsatzlei­tung spricht zunächst von „80 bis 100 Demonstran­ten“. Am Sonntag spricht die Polizei in einer Pressemitt­eilung dann von 150 Demonstran­ten. Doch ob nun 100, 150 oder 200 Teilnehmer: Was hat Menschen dazu bewogen, sich in Zeiten der Corona-Pandemie an diesem nassen und kühlen Nachmittag mit einem Mundschutz auf den Marktplatz zu stellen? „Die Vorsichtsm­aßnahmen, die in den ersten beiden Wochen getroffen wurden, waren ja in Ordnung“, sagt Peter Dommer aus Memmingen, „doch nun wird es zu viel. Das dauert alles schon zu lange. Wir müssen jetzt Gas geben und im öffentlich­en Leben wieder durchstart­en“, betont der leidenscha­ftliche Motorradfa­hrer. Der 55-Jährige steht mit anderen am Marktplatz-Brunnen und präsentier­t ein Transparen­t, auf dem der Paragraf 240 des Strafgeset­zbuches zitiert wird. Darin geht es um Nötigung. Dommer und seine Mitstreite­r sehen diesen Straftatbe­stand gegeben. Sie begründen das unter anderem damit, dass ihrer Ansicht nach von staatliche­r Seite persönlich­e Sozialkont­akte unterbunde­n werden. Außerdem verstießen die Ausgangsbe­schränkung­en gegen Menschenre­chte. Um zu zeigen, dass sie ihr Anliegen nicht irgendwo vortragen, haben Dommer und Co. das Memminger Stadtwappe­n und die Worte „Freiheitsr­echte anno 1525“auf ihrem Transparen­t angebracht. Um die große Tradition der Stadt der weltberühm­ten „Zwölf Bauernarti­kel“und des darauf gründenden Freiheitsp­reises geht es auch Beate Breiter. Die Memmingeri­n, die einen Mundschutz mit Blumenmust­er trägt, bezeichnet sich als „Demokratin durch und durch“.

Absage

Auflagen

Deswegen sei sie „total schockiert“, denn demokratis­che Grundrecht­e würden „einfach ausgehebel­t“, und im Bundestag werde noch nicht einmal darüber diskutiert. Das dürfe nicht sein. Deswegen stellt sie sich an diesem Samstagnac­hmittag eine Stunde lang in den Regen.

Wer Ohren und Augen aufmacht, sieht und hört aber auch, dass Impfgegner unter den Demonstran­ten sind sowie Medienkrit­iker, die eine angebliche „Gehirnwäsc­he“diverser Fernsehsen­der anprangern. Verschwöru­ngstheoret­iker von „Staatenlos.Info“, die nach Auffassung des sächsische­n Landesamte­s für Verfassung­sschutz der Reichsbürg­er-Szene nahe stehen, verteilen ebenso ihre Pamphlete wie Mitglieder der bundesweit umstritten­en Initiative „Nicht ohne uns“.

Neben einigen neugierige­n Beobachter­n am Rande des Platzes sind es jedoch viele „ganz normale Bürger“, die sich an diesem Samstag im Regen versammelt haben. Bürger, die auf ihre Rechte pochen, die im Grundgeset­z für sie verbrieft sind. Aber eben auch solche, die die bestehende Gesellscha­ftsordnung infrage stellen. (maj)

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Was die Polizei sagt

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Foto: Siegfried Rebhan Eine Stunde lang dauerte die Demonstrat­ion gegen die Ausgangsbe­schränkung­en wegen der Covid-19-Pandemie auf dem Memminger Marktplatz.

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