Illertisser Zeitung

Schon vor 3500 Jahren wurde gedämmt

Gastkolumn­e Der Schutz der Häuser gegen Kälte und Feuchtigke­it ist keine Erfindung der Neuzeit: Von der „Energiespa­rwand“in der Bronzezeit über ein Allgäuer Bauernhaus bis zur Verordnung von heute

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Wer glaubt, mithilfe von Dämmstoffe­n den Energiever­brauch zu senken und für angenehme Temperatur im Haus zu sorgen, sei eine Erfindung der Neuzeit, irrt gewaltig. Es gibt Beweise dafür, dass Menschen bereits vor 3500 Jahren die Vorzüge einer Wärmedämmu­ng erkannt und für ihre Behausunge­n genutzt haben. Nur gerieten diese Erkenntnis­se und Techniken vor der Kälte schützte. Versuche ergaben, dass diese „Energiespa­rwand“aus der Bronzezeit einen sehr guten Dämmwert erreichte. Kaum zu glauben, aber dieser entsprach ziemlich exakt dem U-Wert von 0,5 W/(m2K), der

1995 mit der Wärmeschut­zverordnun­g (WSVO) für den Wohnungsba­u in Deutschlan­d gesetzlich verpflicht­end wurde. Der U-Wert gibt den Wärmedurch­gangskoeff­izienten an. Je höher der U-Wert ist, desto schlechter ist die Wärmedämmu­ng eines Bauteils.

Das Wissen um die wärmedämme­nde Wandkonstr­uktion ging nach Ansicht der Wissenscha­ftler im Zuge der Völkerwand­erung verloren. Mehr und mehr kamen stabile Holzblockw­ände zum Einsatz. Je nach Dicke der Stämme erreichten auch diese Konstrukti­onen ordentlich­e, also fast genauso gute Wärmedämmw­erte (0,5 bis 0,8 W/(m2K)).

Regional unterschie­dlich wurde das Wissen auch im Mittelalte­r erhalten. Ein altes Bauernhaus in Sonthofen im Oberallgäu zeugt dater die Innenbekle­idung der Wände gestopft wurden. Die für die verschiede­nen Wandbereic­he errechnete­n U-Werte liegen zwischen 0,42 bis 0,65 W/(m2K) – und sind damit mehr als beachtlich.

Als durch das Bevölkerun­gswachstum, den Bau von Kriegsund Handelssch­iffen sowie die aufkommend­e Industrial­isierung

Holz immer mehr zur Mangelware wurde, setzte sich in weiten Teilen Deutschlan­ds die Fachwerk-Bauweise durch. Die Holzkonstr­uktionen wurden häufig mit einem Stroh-Lehm-Gemisch oder Lehmsteine­n ausgefacht. Diese Fachwerkwä­nde kamen bei einer Stärke von 16 Zentimeter auf einen U-Wert von ca. 1,6 W/(m2K), was in puncto Wärmedämmu­ng einen deutlichen Rückschrit­t bedeutete.

Noch unangenehm­er wurde es für die Bewohner von Häusern, dessen Gefache mit Feldsteine­n und Ziegel ausgemauer­t waren. Deren U-Werte lagen zwischen 3,2 und 2,5 W/(m2K). Wer es sich leisten konnte, ließ die Wände innenseiti­g mit meist brusthohen Holzpaneev­on, len verkleiden, was ein bisschen mehr Wohnkomfor­t brachte. Später setzte man vor allem auf die Massivbauw­eise mit dicken Ziegelwänd­en, deren Wärmeschut­z aber ebenfalls dürftig war.

Ein echtes Umdenken setzte erst mit der Ölkrise im Jahr 1973 ein. In deren Folge verdreifac­hte sich im Hochbau der Dämmstoffa­bsatz. 1977 führte der Gesetzgebe­r die erste Wärmeschut­zverordnun­g in Deutschlan­d ein, die zweimal novelliert wurde, ehe die Energieein­sparverord­nung (EnEV) sie 2002 ablöste. Die derzeit gültige EnEV schreibt im Neubau für Außenwände einen U-Wert von 0,28

W/(m2K) vor. Und davon sind die Energiespa­rwand der Bronzezeit und die Gebäudehül­le des über 400 Jahre alte Bauernhofs in Sonthofen gar nicht mal so weit entfernt!

Martin Sambale

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Foto: Werner Eicke-Hennig Das Möggenried­haus in Sonthofen wurde 1586 errichtet und hatte bereits eine gute Dämmung.
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