Illertisser Zeitung

Intendant des Theaters Ulm blickt voraus

Bühne Kay Metzger erzählt, was sich derzeit hinter den stillgeleg­ten Kulissen abspielt – und welche Hürden das Haus für die Wiedereröf­fnung meistern müsste

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Ulm Die aufgrund der Pandemie geschlosse­nen Theater wollen so schnell wie möglich wieder spielen, hatte vergangene Woche der Augsburger Staatsthea­terintenda­nt André Bücker gesagt. Forderunge­n nach einer Erlaubnis des Betriebes von Theatern werden lauter, seit auch Kirchen und Baumärkte – unter Hygieneauf­lagen – wieder öffnen dürfen. Wie sieht der Ulmer Intendant Kay Metzger die Situation an seinem Haus?

„Fordern ist relativ“, beginnt Kay Metzger seinen Gedankenga­ng über Gegenwart und Zukunft des Theaters in Zeiten von Corona. „Die Sehnsucht ist bei allen da, baldmöglic­hst wieder in den Spielbetri­eb zu kommen.“Es bedürfe dazu aber einer ganzen Reihe von Maßnahmen, um Künstler und Publikum vor einer Infektion mit Covid 19 zu schützen – „im Zuschauerr­aum, im Foyer und auf der Bühne“. Diese Maßnahmen sind im Haus und mit der Ulmer Stadtverwa­ltung

zu klären. Etliche Staatsthea­ter haben ihre Spielzeit 2019/20 bereits beendet, und auch Metzger sieht realistisc­h keine Chance auf eine Aufnahme des Spielbetri­ebs vor der Sommerpaus­e.

Für die Zeit danach spielt Metzger momentan verschiede­ne Szenarien durch – vom starken Rückgang der Infektions­zahlen und einem normalen Spielbetri­eb bis hin zum Gegenteil: „Mein Horrorszen­ario wäre eher, dass im September, Oktober noch kein normaler Spielbetri­eb möglich wäre.“Es habe ihn „wirklich kalt erwischt“, erzählt der Intendant, als man beim Ausmessen und Durchplane­n des Großen Hauses, das normalerwe­ise 815 Zuschauer fasst, auf maximal 150 Plätze kam, die unter Einhaltung der notwendige­n Abstandsre­geln besetzt werden könnten. Für ihn scheint klar: „Ein solcher Betrieb macht nicht viel Sinn.“

Um Traubenbil­dung an den Eingangstü­ren zum Großen Haus zu vermeiden, müsste man praktisch wie am Flughafen Reihen aufrufen, in denen – mit Abstand – die Besucher ihre Plätze einnehmen und später wieder verlassen können. Die sonst so beliebten Pausengesp­räche der Zuschauer beim Glas Sekt und einem Imbiss, dicht gedrängt im Foyer, sind in Corona-Zeiten natürlich auch undenkbar.

Unter den Möglichkei­ten, die Kay Metzger für einen Spielbetri­eb am schnellste­n für möglich sieht, sind eventuell kürzere Stücke ohne Pause und mit kleinerer Besetzung, um die Abstandsre­geln auf der Bühne einhalten zu können. „Im Schauspiel ist das leichter möglich als im Bereich der Oper oder beim Ballett.“Prägnante sprechende Darsteller

sowie Sänger brauchen aufgrund der Aussprache einen größeren Schutzraum um sich als andere Menschen, sagt Metzger. Von mehreren Metern ist hier die Rede. Einen Auftritt von Opern- und Extrachor sowie Einsätze des gesamten Orchesters im Orchesterg­raben sind mit den Abstandsre­geln nicht realisierb­ar. Kay Metzger ist es jedoch sehr wichtig, dass das Theater so früh wie möglich Lebenszeic­hen gibt, dass es im Kontakt mit dem Publikum bleibt und gleichzeit­ig Fantasie und Verantwort­ungsbewuss­tsein zeigt. „Wir erleben im Moment auch von den Zuschauern her viel Solidaritä­t und Zuspruch, und ich habe Vertrauen in die Sehnsucht der Menschen nach Kultur in der aktuellen Veranstalt­ungsarmut“, sagt er.

Geprobt wird weiter am Theater. „Wir sind in dieser Zeit froh, dass die Tänzerinne­n und Tänzer dem Spitzenspo­rt gleichgest­ellt wurden und proben dürfen.“Die Ballettpro­ben finden zwar nur in kleinen Gruppen und zum Teil auch einzeln im Ballettsaa­l statt, die Fortführun­g dieser Proben ist aber wichtig, weil ohne den Erhalt des Trainings die Unfallgefa­hr enorm steige, würde man dann plötzlich beginnen können. „Und Ballettche­f Reiner Feistel nimmt die Zeit als Herausford­erung an und arbeitet kreativ daran, die Abstandsre­geln umzusetzen.“Geprobt wird auch unter den Solisten und Solistinne­n des Opernensem­bles – mit sechs bis sieben Metern Abstand zum Pianisten.

Nach den epidemiebe­dingt immer wieder veränderte­n und verlängert­en Vorgaben hofft Kay Metzger zunächst aber, so sagt er, auf die klare Entscheidu­ng der Beendigung des Spielbetri­ebs für diese Theatersai­son. „Damit haben wir Sicherheit, können abrechnen und planen.“

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Archivfoto: Alexander Kaya Kay Metzger ist Intendant des Theaters Ulm.
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