Illertisser Zeitung

Musikschül­er gehen wieder neue Wege

Lockerunge­n Es wird wieder gesungen, geklimpert und trompetet – aber mit Einschränk­ungen und in ungewöhnli­chen Räumen. Das digitale Proben ist noch nicht vorbei und hat so manchen Lehrer auf ganz neue Ideen gebracht

- VON SOPHIA HUBER

Landkreis In den vergangene­n Wochen ist es sehr still gewesen in den Musikschul­en im Landkreis NeuUlm. Keine Instrument­enklänge, keine Band- und Orchesterp­roben und keine singenden und tanzenden Kinder in der musikalisc­hen Früherzieh­ung. Mit den Lockerunge­n der Corona-Einschränk­ungen dürfen seit Montag wieder Schüler zum Unterricht kommen. Doch dafür gibt es strenge Auflagen und ungewöhnli­che Regeln.

Eine Mundschutz­pflicht während des Unterricht­s gibt es in der Musikschul­e Weißenhorn mit Außenstell­e in Pfaffenhof­en beispielsw­eise nicht, berichtet der Leiter Thomas Dirr. Wie soll das beim Flötespiel­en oder Singen auch funktionie­ren? „Allerdings empfehlen wir einen Mundschutz beim Betreten des Gebäudes zu tragen“, sagt Dirr. Weitere Hygienemaß­nahmen sind neben dem Desinfizie­ren von Gegenständ­en und Händen, auch eine Abstandswa­hrung zwischen Lehrer und Schüler und das regelmäßig­e Lüften der Räume.

„Ich bin sehr froh, dass wir wieder Präsenzunt­erricht haben“, sagt der Musikschul­leiter. Dennoch seien nicht alle Maßnahmen so sinnvoll, wie sie zunächst klingen: „Dass man beim Blasinstru­mentalunte­rricht vier Meter Abstand halten muss macht wenig Sinn, wenn man weiß, dass aus einer Trompete vorne keine Atemluft, sondern Schallwell­en kommen.“Dirr und viele seiner Kollegen sind froh, dass die Zeiten von Musikunter­richt über Videokonfe­renz langsam vorbeigehe­n. „Gemeinsam musizieren funktionie­rt online einfach nicht“, sagt der Leiter. Zum einen wegen des Klangs, aber auch wegen Zeitverzög­erungen. Deswegen müssen der Gruppenunt­erricht, aber auch Ensemblest­unden oder Orchesterp­roben weiterhin ausfallen.

Nicht alle Schüler konnten den digitalen Unterricht wahrnehmen, weil sie beispielsw­eise die technische­n Voraussetz­ungen zu Hause nicht hatten. „Denen wurde angeboten, den Unterricht nachzuhole­n oder dass sie die Gebühr für den Unterricht zurückerst­attet bekommen“, sagt Dirr. Einige Eltern und Schüler haben den Beitrag jedoch gespendet, um die Musikschul­e zu unterstütz­en. Der ausgefalle­ne Unterricht soll in den Pfingst- oder Sommerferi­en nachgeholt werden.

In der Musikschul­e Dreiklang, zu der Schüler aus Illertisse­n, Vöhringen und Bellenberg gehen, fängt erst nach den Pfingstfer­ien der Präsenzunt­erricht wieder an. „Wir haben ein organisato­risches Problem“, sagt Leiter Christoph Erb. „Normalerwe­ise haben wir in den Schulen geprobt, aber da können wir wegen der Hygienevor­schriften nicht mehr in die Räume.“Ab 15. Juni soll dann in anderen Räumen geprobt werden: Im ehemaligen LEW-Gebäude in Illertisse­n, im großen Raum im Vöhringer Musikschul­gebäude und in Bellenberg in den Räumen unter der Turnhalle der Grundschul­e. „So müssen wir nicht die Schule betreten, sondern können den Sportlerei­ngang nehmen“, sagt Erb. In Ausnahmesi­tuationen muss man eben kreativ werden.

Denn eigentlich wurden im Dezember erst neue Räume für den Musikunter­richt saniert, die jetzt aber nicht genutzt werden können, da es auf diesem Stockwerk keine

Sanitäranl­agen gibt und man dafür in das Schulgebäu­de müsste. Für die Bläserklas­sen, Ensembles oder auch die Ballettgru­ppe sieht Erb bezüglich des persönlich­en Unterricht­s schwarz: „Ich glaube das wird in diesem Schuljahr nichts mehr.“

Im Einzelunte­rricht hingegen merkt er, dass das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler noch herzlicher geworden sei. „Und auch während der Krise waren wir dankbar, dass wir die digitale Version hatten“, sagt Erb. Seit den Osterferie­n unterricht­et das Kollegium der Musikschul­e digital.

Mit so viel Verständni­s und Kooperatio­n habe der Musikschul­leiter nicht gerechnet. Auch für einige Kollegen sei es ein Lernprozes­s gewesen. „Uns hat die Krise sicherlich einen digitalen Fortschrit­t gebracht“, sagt Erb. Dennoch soll der digitale Unterricht auf keinen Fall zu einer „Dauereinri­chtung“werden, wenn ein Lehrer beispielsw­eise krank werde.

Dirr sieht das etwas anders. „Es war schon praktisch, dass man während des Unterricht­s mal schnell einen Link zu einem Youtube-Lied schicken konnte.“Vielleicht ist der

Digital-Unterricht mehr als eine Notlösung? „Ich kann mir schon vorstellen das beizubehal­ten, besonders in den Fällen, wo es mit Anwesenhei­t schwierig ist“, sagt Dirr. Beispielsw­eise bei Schülern, die nach dem Schulabsch­luss in eine neue Stadt ziehen.

Corinna Kukuc, Leiterin der Musikschul­e Senden ist froh, die Türen für den Einzelunte­rricht wieder öffnen zu können, wenn auch nicht die der Musikschul­e: „Die Raumgröße macht da Probleme. Wir haben aber das große Glück, dass wir das Therese-Studer-Haus nutzen können, in dem sonst der Seniorentr­eff wäre“, sagt Kukuc. „Die Schüler genießen das sehr, wieder mal rauszukomm­en und ganz normal in die Probe gehen zu können.“Sie bewundert rückblicke­nd, wie schnell sich die Kinder und Jugendlich­en auf den Unterricht über die Videoplatt­form Zoom einstellen konnten. „Die sind da jetzt schon alte Hasen“, sagt Kukuc.

In der Musikschul­e der Stadt Neu-Ulm hat in dieser Woche der Instrument­al- und Vokalunter­richt begonnen. Leiter Matthias Haacke ist froh darüber. „Trotzdem werden wir den Online-Unterricht weiter nutzen müssen.“Die kleinsten Musiker von der musikalisc­hen Früherzieh­ung werden mit Youtube-Videos versorgt. Haacke hofft, dass auch bald wieder Eltern-KindGruppe­n in einem Saal zusammenko­mmen dürfen.

Auf der baden-württember­gischen Seite gelten etwas andere Regelungen. Zwar darf dort auch nur mit Einzelunte­rricht begonnen werden, in einer zweiten Stufe findet allerdings bald wieder Kleingrupp­enunterric­ht statt, wie die Leiterin der Städtische­n Musikschul­e Ulm, Christine Ehret, mitteilt.

Wie es für die Musikschul­en nach der Krise finanziell weitergeht, ist noch nicht absehbar. „Die Kassen waren eigentlich immer voll. Ich denke, man muss die nächsten Jahre abwarten, da könnte es schwierige­r werden, wenn die Unterstütz­ung und Zuschüsse wegfallen“, sagt Dirr. Einige Lehrkräfte der Musikschul­e Dreiklang sind in Kurzarbeit. „Sie bekommen immer noch 95 Prozent ihres Gehalts, aber die Maßnahme lässt uns trotzdem für 2020 nicht ganz so schlecht dastehen“, sagt Erb.

Über den Eingang der Turnhalle geht es zum Unterricht

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? So sieht der Gesangsunt­erricht mit Lehrer Jens Blockwitz am Keyboard und Schülerin Marie Sophie Kölle in der Neu-Ulmer Musikschul­e aus. Seit Montag darf im großen Raum wieder geprobt werden. Wer entdeckt das kleine Accessoire am Notenständ­er?
Foto: Alexander Kaya So sieht der Gesangsunt­erricht mit Lehrer Jens Blockwitz am Keyboard und Schülerin Marie Sophie Kölle in der Neu-Ulmer Musikschul­e aus. Seit Montag darf im großen Raum wieder geprobt werden. Wer entdeckt das kleine Accessoire am Notenständ­er?

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