Musikschüler gehen wieder neue Wege
Lockerungen Es wird wieder gesungen, geklimpert und trompetet – aber mit Einschränkungen und in ungewöhnlichen Räumen. Das digitale Proben ist noch nicht vorbei und hat so manchen Lehrer auf ganz neue Ideen gebracht
Landkreis In den vergangenen Wochen ist es sehr still gewesen in den Musikschulen im Landkreis NeuUlm. Keine Instrumentenklänge, keine Band- und Orchesterproben und keine singenden und tanzenden Kinder in der musikalischen Früherziehung. Mit den Lockerungen der Corona-Einschränkungen dürfen seit Montag wieder Schüler zum Unterricht kommen. Doch dafür gibt es strenge Auflagen und ungewöhnliche Regeln.
Eine Mundschutzpflicht während des Unterrichts gibt es in der Musikschule Weißenhorn mit Außenstelle in Pfaffenhofen beispielsweise nicht, berichtet der Leiter Thomas Dirr. Wie soll das beim Flötespielen oder Singen auch funktionieren? „Allerdings empfehlen wir einen Mundschutz beim Betreten des Gebäudes zu tragen“, sagt Dirr. Weitere Hygienemaßnahmen sind neben dem Desinfizieren von Gegenständen und Händen, auch eine Abstandswahrung zwischen Lehrer und Schüler und das regelmäßige Lüften der Räume.
„Ich bin sehr froh, dass wir wieder Präsenzunterricht haben“, sagt der Musikschulleiter. Dennoch seien nicht alle Maßnahmen so sinnvoll, wie sie zunächst klingen: „Dass man beim Blasinstrumentalunterricht vier Meter Abstand halten muss macht wenig Sinn, wenn man weiß, dass aus einer Trompete vorne keine Atemluft, sondern Schallwellen kommen.“Dirr und viele seiner Kollegen sind froh, dass die Zeiten von Musikunterricht über Videokonferenz langsam vorbeigehen. „Gemeinsam musizieren funktioniert online einfach nicht“, sagt der Leiter. Zum einen wegen des Klangs, aber auch wegen Zeitverzögerungen. Deswegen müssen der Gruppenunterricht, aber auch Ensemblestunden oder Orchesterproben weiterhin ausfallen.
Nicht alle Schüler konnten den digitalen Unterricht wahrnehmen, weil sie beispielsweise die technischen Voraussetzungen zu Hause nicht hatten. „Denen wurde angeboten, den Unterricht nachzuholen oder dass sie die Gebühr für den Unterricht zurückerstattet bekommen“, sagt Dirr. Einige Eltern und Schüler haben den Beitrag jedoch gespendet, um die Musikschule zu unterstützen. Der ausgefallene Unterricht soll in den Pfingst- oder Sommerferien nachgeholt werden.
In der Musikschule Dreiklang, zu der Schüler aus Illertissen, Vöhringen und Bellenberg gehen, fängt erst nach den Pfingstferien der Präsenzunterricht wieder an. „Wir haben ein organisatorisches Problem“, sagt Leiter Christoph Erb. „Normalerweise haben wir in den Schulen geprobt, aber da können wir wegen der Hygienevorschriften nicht mehr in die Räume.“Ab 15. Juni soll dann in anderen Räumen geprobt werden: Im ehemaligen LEW-Gebäude in Illertissen, im großen Raum im Vöhringer Musikschulgebäude und in Bellenberg in den Räumen unter der Turnhalle der Grundschule. „So müssen wir nicht die Schule betreten, sondern können den Sportlereingang nehmen“, sagt Erb. In Ausnahmesituationen muss man eben kreativ werden.
Denn eigentlich wurden im Dezember erst neue Räume für den Musikunterricht saniert, die jetzt aber nicht genutzt werden können, da es auf diesem Stockwerk keine
Sanitäranlagen gibt und man dafür in das Schulgebäude müsste. Für die Bläserklassen, Ensembles oder auch die Ballettgruppe sieht Erb bezüglich des persönlichen Unterrichts schwarz: „Ich glaube das wird in diesem Schuljahr nichts mehr.“
Im Einzelunterricht hingegen merkt er, dass das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler noch herzlicher geworden sei. „Und auch während der Krise waren wir dankbar, dass wir die digitale Version hatten“, sagt Erb. Seit den Osterferien unterrichtet das Kollegium der Musikschule digital.
Mit so viel Verständnis und Kooperation habe der Musikschulleiter nicht gerechnet. Auch für einige Kollegen sei es ein Lernprozess gewesen. „Uns hat die Krise sicherlich einen digitalen Fortschritt gebracht“, sagt Erb. Dennoch soll der digitale Unterricht auf keinen Fall zu einer „Dauereinrichtung“werden, wenn ein Lehrer beispielsweise krank werde.
Dirr sieht das etwas anders. „Es war schon praktisch, dass man während des Unterrichts mal schnell einen Link zu einem Youtube-Lied schicken konnte.“Vielleicht ist der
Digital-Unterricht mehr als eine Notlösung? „Ich kann mir schon vorstellen das beizubehalten, besonders in den Fällen, wo es mit Anwesenheit schwierig ist“, sagt Dirr. Beispielsweise bei Schülern, die nach dem Schulabschluss in eine neue Stadt ziehen.
Corinna Kukuc, Leiterin der Musikschule Senden ist froh, die Türen für den Einzelunterricht wieder öffnen zu können, wenn auch nicht die der Musikschule: „Die Raumgröße macht da Probleme. Wir haben aber das große Glück, dass wir das Therese-Studer-Haus nutzen können, in dem sonst der Seniorentreff wäre“, sagt Kukuc. „Die Schüler genießen das sehr, wieder mal rauszukommen und ganz normal in die Probe gehen zu können.“Sie bewundert rückblickend, wie schnell sich die Kinder und Jugendlichen auf den Unterricht über die Videoplattform Zoom einstellen konnten. „Die sind da jetzt schon alte Hasen“, sagt Kukuc.
In der Musikschule der Stadt Neu-Ulm hat in dieser Woche der Instrumental- und Vokalunterricht begonnen. Leiter Matthias Haacke ist froh darüber. „Trotzdem werden wir den Online-Unterricht weiter nutzen müssen.“Die kleinsten Musiker von der musikalischen Früherziehung werden mit Youtube-Videos versorgt. Haacke hofft, dass auch bald wieder Eltern-KindGruppen in einem Saal zusammenkommen dürfen.
Auf der baden-württembergischen Seite gelten etwas andere Regelungen. Zwar darf dort auch nur mit Einzelunterricht begonnen werden, in einer zweiten Stufe findet allerdings bald wieder Kleingruppenunterricht statt, wie die Leiterin der Städtischen Musikschule Ulm, Christine Ehret, mitteilt.
Wie es für die Musikschulen nach der Krise finanziell weitergeht, ist noch nicht absehbar. „Die Kassen waren eigentlich immer voll. Ich denke, man muss die nächsten Jahre abwarten, da könnte es schwieriger werden, wenn die Unterstützung und Zuschüsse wegfallen“, sagt Dirr. Einige Lehrkräfte der Musikschule Dreiklang sind in Kurzarbeit. „Sie bekommen immer noch 95 Prozent ihres Gehalts, aber die Maßnahme lässt uns trotzdem für 2020 nicht ganz so schlecht dastehen“, sagt Erb.
Über den Eingang der Turnhalle geht es zum Unterricht