Museen öffnen mit Vorsicht
Viruspause Die Kunstwelt erwacht aus dem Stillstand. Die Villa Rot, der Kunstverein Ulm und das Edwin-Scharff-Museum schöpfen Mut
Region Nein, in diesem Frühjahr mochte man nicht tauschen mit den Museumsspitzen, den Kuratoren, den Mitarbeitern in den Museen: Aufgebaute Ausstellungen, die niemand besuchen durfte, fertiggeplante Vernissagen, die ausfielen. Da halfen nur gute Nerven und der Blick nach vorn. „Für uns als Team war das ganz sicher eine besondere Erfahrung, auch wenn erst einmal alles weiter ging wie gehabt: Es begann der Aufbau der Ausstellung, die wir am 3. April eröffnen wollten: Renée Sintenis, Pionierin der Bildhauerei“, berichtet Helga Gutbrod, Direktorin des Neu-Ulmer Edwin-Scharff-Museums. „Nicht nur die Eröffnung musste abgesagt werden, sondern auch unser zweitägiges Museumsfest Anfang Mai. Für uns ein ganz wichtiger Termin im Jahr.“Was folgte: Shutdown, Absage aller Veranstaltungen bis 14. Juni.
Auch den Ulmer Kunstverein traf es hart: „Da wir direkt vor der Vernissage-Woche unsere neue Mitgliederausstellung schließen mussten, war die Enttäuschung sehr groß. Wir haben rund 80 Mitglieder des Kunstvereins bewegen können, ihre Sammlerstücke im Kunstverein auszustellen – und dann Shutdown. Die Ausstellung war zu drei Viertel fertig gehängt, entsprechend haben wir uns entschlossen, sie fertig zu hängen und die Ausstellung dann zumindest auf digitalem Weg zu ihrem Publikum gebracht“, sagt Geschäftsführerin Marion Klemp-Höpfner. Auf Kontakt zum Publikum musste man auch im Museum Ulm verzichten. Marcel Hess, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Haus, erinnert sich: „Das war eine unwirkliche Zeit – und die Einführung einer Art Krisenmanagement. Außergewöhnliche Umstände für alle Beteiligten, für Personal und Ausstellungs- und Veranstaltungsplanungen, Absagen, Verschiebungen.“Er spricht aus, was wohl allen Museen derzeit Bauchschmerzen bereitet: „Ausfälle von Einnahmen“, denen wohl oder übel Einsparungen folgen müssen.
„Positive und negative Aspekte“sieht hingegen Marco Hompes, Museumsleiter der „Villa Rot“in Burgrieden-Rot. „Die ausbleibenden Besucher, die Umplanung des Ausstellungsprogramms und der Anblick menschenleerer Ausstellungsräume gehören zu den weniger schönen Seiten der Schließung. Jedoch konnten wir die Zeit auch produktiv nutzen.“Mit der digitalen Ausstellung „#stayathome – Filme zum Innen und Außen“blieb das Museum in Kontakt mit den Künstlern und konnte deren Arbeiten einem Publikum präsentieren. Zudem habe man auf diese Weise ganz neue Möglichkeiten der eigenen Homepage entdeckt: „Dort haben Filme Platz gefunden, die sonst vielleicht nicht in unser Programm gepasst hätten. Die Möglichkeiten digitaler Ergänzungen zum sonstigen Ausstellungsprogramm wird uns auf jeden Fall auch in Zukunft noch beschäftigen.“
Dieses Neu-Besinnen auf bestehende Strukturen, deren Ausbau und Erweiterung spielte in allen Ausstellungshäusern eine Rolle. Es wird durchweg auch positiv verbucht, wie man in dieser Auszeit neue Ideen umsetzen konnte. Wie die meisten Aussteller hat sich auch der Kunstverein nicht nur entschlossen, aufgrund der Ungewissheit der Wiederöffnung „die 2020er Ausstellungen zeitlich nach hinten zu ziehen“, sondern auch gleich das Jahr 2021 mit in den Fokus zu nehmen. Zudem verfolge man das Konzept „älteren Mitgliedern den Kunstverein digital näherzubringen und sie grundsätzlich wieder mehr in die Kunstverein-Aktivitäten miteinzubinden“, so Klemp-Höpfner.
In Burgrieden ist die Ausstellung „Wald. Wolf. Wildnis.“bis zum 20. September verlängert worden, aber mehr noch: „Die Gesundheit unseres Publikums und unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen liegt uns sehr am Herzen. Darum haben wir Schutzwände an Kassen und Theken einbauen lassen, uns mit Handdesinfektionsmitteln eingedeckt, die hoffentlich baldige Wiederöffnung des Museumscafés akribisch geplant, um eine kontaktlose Warenausgabe zu gewährleisten und das Führungsangebot angepasst. Die jeweiligen Zeiträume können im Vorfeld reserviert werden.“Mit solchen Führungen nach Anmeldung operiert auch das Edwin-Scharff-Museum, wo man weiterhin ein „verlässlicher Partner“sein möchte, der „das Bedürfnis nach Sicherheit ernst nimmt“, so Helga Gutbrod. „Wie in ganz Neu-Ulm werden aber auch bei uns bis 14. Juni keine Führungen und Veranstaltungen durchgeführt. Das Kindermuseum bleibt bis dahin geschlossen.“Wie man die vielen Angebote des Hauses trotz Corona-Regeln zu einem „kurzweiligen, interessanten Museumsaufenthalt“(Gutbrod) machen kann? Da setzt man ebenfalls auf einen Mix aus digitalem Angebot, angepassten Führungen, literarischem Rundgang, aber „mit Anmeldung und die Teilnehmerzahl wird dabei vorerst beschränkt“.
Die Maßnahmen kosten Zeit, nagen an den Budgets – machen aber deutlich, wie sehr Museen Teil der Gesellschaft sind. So hat Marcel Hess beobachtet, dass in der Krise „Solidarität und Flexibilität des Personals wie auch seitens der Besucher“zu erleben war. Und: „Es kam zu einer Intensivierung des Austausches mit anderen Museen und Einrichtungen und einer gestiegenen Wertschätzung von Kunst und Kultur.“
Im Kunstverein freute man sich, dass „bereits am ersten Tag unserer Öffnung schon interessierte Besucher vor der Tür standen“, so Klemp-Höpfner, und in der Villa Rot sieht man laut Marco Hompes infolge der strengen Urlaubsregelungen keine Chance auf Sommerloch: Da werde nun verstärkt auf die Region gesetzt. Das wird auch im EdwinScharff-Museum so sein. Helga Gutbrod: „Bisher war es unser Auftrag, möglichst viele Menschen ins Museum zu ziehen. Jetzt geht es zuvorderst um Sicherheit und darum, dass sich unsere Besucher bei uns wohlfühlen können.“Jetzt gelte es, „erst einmal zwei Wochen lang ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Museum angenommen wird und was sich unsere Besucher jetzt von uns wünschen“.
Villa Rot hat im Netz neuen Raum für Kunst gefunden