Wenn Soforthilfe auf sich warten lässt
Hintergrund Unternehmer müssen lange um die Unterstützung in der Corona-Krise bangen – und ein Teil der Hilfen könnte am Ende verpuffen
Augsburg Schnelle und unbürokratische Hilfe hatte der Freistaat Bayern den Unternehmern versprochen, als im März in der Corona-Epidemie das öffentliche Leben heruntergefahren wurde. Doch ein Teil der Antragsteller wartet immer noch auf Zahlungen, berichten Verbände. Und ein Teil der Hilfen könnte verpuffen, da Unternehmen damit nicht langfristig gerettet werden können. Die Soforthilfen müssen von den Firmen nicht zurückgezahlt werden. Die Höhe richtet sich nach der Größe des Unternehmens. Wer einen Liquiditätsengpass hat und bis zu fünf Beschäftigte hat, bekommt etwa maximal 9000 Euro, bei bis zu 250 Beschäftigten sind es maximal 50000 Euro. Doch teilweise ziehen sich die Bewilligungen hin, bestätigen Mittelstandsverbände. Und die Beantragung sei schwerer als gedacht, schildern es Unternehmer.
Ein erster Antrag, den sein Steuerberater stellte, sei erst abgelehnt worden, berichtet zum Beispiel ein Unternehmer für Kosmetikdienstleistungen aus dem Kreis Augsburg. Über eine Neubeantragung habe er am Ende, nach mehreren Wochen Wartezeit, 4500 Euro überwiesen bekommen. „Ich bin froh über das Geld, da meine Umsätze gerade bei null sind“, sagt er. Aber wie die
Höhe zustande kommt, wieso Anträge zuerst abgelehnt und neu ausgefüllt werden müssen, erscheint ihm schwer nachvollziehbar. „Es ist schwer, jemanden direkt an das Telefon zu bekommen.“Berichte wie diese gibt es viele.
„Ich kenne Unternehmer, die warten seit vielen Wochen auf die Soforthilfe“, sagt Achim von Michel vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft. „Hier läuft viel durcheinander“, ist sein Eindruck. „Einige Unternehmer greifen bereits ihre Altersvorsorge an, weil sie dringend Geld für die anstehenden Mieten oder andere Betriebsausgaben brauchen“, sagt er. „Die Bewilligung der Soforthilfe muss dringend beschleunigt werden.“
Ähnlich sieht es Ingolf Brauner, Präsident des Verbandes „Mittelstand in Bayern“, der 2000 Mitglieder vertritt und seinen Sitz in Landsberg hat: „Dem Land und dem Bund ist es hoch anzurechnen, dass es die Hilfen gibt, organisatorisch ist es aber nicht optimal gelaufen“, sagt Brauner. Ein Problem sei, dass zuerst der Freistaat ab 17. März Soforthilfen anbot, eine Woche später kam das Programm des Bundes hinzu. Durch die Überlappung kam es im Laufe der Zeit zu unterschiedlichen Signalen der Ämter, wie die Gelder zu betragen seien, berichtet Brauner. „Viele Unternehmer warnoch auf die Zahlungen“, sagt er. Die Ämter würden zudem derzeit häufiger Rückfragen haben, bevor sie das Geld auszahlen.
Im bayerischen Wirtschaftsministerium sieht man das Programm inzwischen aber auf einem guten Weg: Zwischen dem 15. und dem 25. Mai sollen die bislang beantragten Soforthilfen großteils abgearbeitet sein, bestätigte das Ministerium unserer Redaktion. Bis Anfang dieser Woche seien knapp 470000 Soforthilfeanträge eingegangen. Davon wurden 227000 bewilligt, 63000 abgelehnt oder zurückgezogen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern bat um Verständnis für die Dauer: Bis zu 1400 Mitarbeiter seien von anderen Stellen abgezogen worden, um die Antragsflut bei den zuständiten gen Bezirksregierungen zu bearbeiten. Sie arbeiteten auch an den Wochenenden. Zudem gebe es zahlreiche Doppel- und Mehrfach-Anträge von den gleichen Antragstellern, die abgeglichen werden müssten, sagte Aiwanger. Die vielfach mangelnde Qualität der Angaben würden umfangreiche Nachfragen nötig machen. Das Geld der Steuerzahler dürfe nicht ungerechtfertigt und ungeprüft ausgezahlt werden. Bislang seien rund 1,5 Milliarden Euro ausgezahlt worden.
„Eine Verwirrung durch die beiden Programme sehen wir nicht“, berichtet das Ministerium zudem. „Das Soforthilfeprogramm des Freistaates Bayern vom 17. März 2020 wurde am 24. März mit dem Programm des Bundes so eng verzahnt, dass die Anspruchsvoraussetzungen, der Kreis der Anspruchsberechtigten und die Konditionen, insbesondere die Definition des Liquiditätsengpasses, identisch sind.“
Trotzdem fallen aber viele Unternehmer durchs Raster, berichtet Ingolf Brauner vom Verband „Mittelstand in Bayern“, darunter zum Beispiel viele Solo-Selbstständige, aber auch Leute, die in Teilzeit selbstständig arbeiten: „Selbstständigkeit ist nicht zwangsläufig eine hauptberufliche Tätigkeit“, sagt er. Nebenberuflich Selbstständige würden ebenfalls häufig erhebliche Investitionen
tätigen und müssen Kosten stemmen, zum Beispiel als Zeltoder Maschinenverleiher.
Große Sorgen macht dem Verband „Mittelstand in Bayern“auch das Programm an Notkrediten, das der Staat über seine Förderbanken wie die KfW anbietet. Unternehmer drohen in eine Schuldenfalle zu geraten: „Liquiditätshilfen und Förderkredite können sich schnell zu Größenordnungen von drei bis sechs Monatsumsätzen summieren“, warnt der Verband. „Die an sich gesunden Unternehmen schieben so einen sich immer weiter auftürmenden Schuldenberg vor sich her.“Verbandschef Brauner befürchtet, dass Schulden und Tilgung viele Firmen in die Insolvenz treiben: „Im besten Falle wird die ganze unternehmerische Kraft über Jahre in die Kreditrückzahlung fließen“, warnt er.
Könnte also am Ende ein großer Teil der Hilfen verpuffen, weil Firmen trotzdem Insolvenz anmelden? „Die maximal 9000 Euro Soforthilfe für einen kleineren Betrieb sind nicht geeignet, ein Unternehmen über Monate am Leben zu erhalten, das keinen Umsatz macht“, beschreibt auch Mittelstandsvertreter Achim von Michel die Situation. „Es ist deshalb wichtig, dass die Wirtschaft wieder anspringt – im Rahmen dessen, was uns angesichts der Epidemie guttut.“