Auf ins Eis – trotz Pandemie
Kälte Laura Schmidt nimmt an der größten Polar-Expedition aller Zeiten teil. Wegen Corona drohte alles zu platzen – doch jetzt geht es los. Wie sie ihre Kollegen vor Eisbären schützen wird
Augsburg Das Zittern ist vorbei. Die quälende Ungewissheit, ob der ganz große Traum denn nun platzt, ist passé. Die gebürtige Augsburgerin Laura Schmidt wird am Montag in die Arktis reisen und an der größten Polar-Expedition aller Zeiten teilnehmen. Es soll das Abenteuer ihres Lebens werden – wegen der Corona-Krise stand das in den vergangenen Wochen aber auf der Kippe. „Ich bin sehr glücklich, dass es nun doch klappt“, sagt Schmidt. Und – wenn man so will – dann geht das Zittern jetzt irgendwie auch weiter. Nicht mehr, weil Schmidt Angst hat, dass die Expedition auf Eis gelegt wird, sondern weil sie aufgeregt ist. Und weil man bei der extremen Kälte, die sie erwartet, schon mal ins Bibbern und Zittern geraten kann.
Noch ist die 33-Jährige aber im vergleichsweise warmen Deutschland. Die vergangenen Wochen verbrachte sie in Quarantäne in einem Hotelzimmer in Bremerhaven. Zwei Corona-Tests hat Schmidt gemacht. „Ich kann mir Angenehmeres vorstellen: mit einem Wattestäbchen durch ein Nasenloch in den Rachen hinein. Aber Gott sei Dank wurden wir alle negativ getestet.“
Am Montag also geht es los. Allerdings anders als geplant. Eigentlich sollte die neue Crew mit einem Flugzeug ins Eis geflogen werden, direkt zum Forschungsschiff „Polarstern“und dort die bisherige Mannschaft ablösen. Nun werden Schmidt und die anderen Forscher mit zwei Schiffen in den Isfjord nach Spitzbergen gebracht. Am 23. Mai sollen sie dort ankommen. „Der Isfjord liegt kurz vor der Eiskante“, sagt die Geografin. Genau dort werden sich dann die Transportschiffe mit der „Polarstern“treffen – obwohl der Eisbrecher eigentlich mit dem Meereis durch die zentrale Arktis driften sollte. Aber um die neue Crew abzuholen, wird das Driften unterbrochen.
Die „Polarstern“ist bereits seit Monaten unterwegs. Im vergangenen September war sie von Norwegen zu einer Expedition der Superlative aufgebrochen. Ein Jahr wird sich das Forschungsschiff des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts in der Arktis aufhalten. Wissenschaftler aus fast 20 Ländern, die während der Reise mehrfach ausgewechselt werden, wollen mit ihren Messungen den Einfluss der Arktis auf das Weltklima besser verstehen. Sie erhoffen sich durch die Expedition mit dem Namen „Mosaic“einen Meilenstein für die Klimaforschung.
Die Arktis sei das Epizentrum des Klimawandels, erklärt Schmidt. „Sie erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt.“Und das hat
Folgen für andere Teile der Erde, etwa immense Hitzesommer, wie sie in Europa in den vergangenen Jahren schon zu spüren waren. „Außerdem wird das Meereis immer weniger. Ende des Jahrhunderts könnte es in der Arktis im Sommer komplett weg sein.“
In der Arktis wird Schmidt, die schon immer ein Faible für Eis und Kälte hatte und sich im Studium auf Gletscher spezialisierte, allerdings weniger mit der Klimaerforschung beschäftigt sein – sondern mit ziemlich großen Tieren. Die 33-Jährige wird als Eisbärenwächterin arbeiten. Mit einem Fernglas wird sie täglich acht Stunden nach den Bären Ausschau halten und den Zaun, der die Tiere von den Wissenschaftlern fernhalten soll, kontrollieren. Die junge Frau war regelmäßig beim Schießtraining – um im schlimmsten Fall einen Bären töten zu können. Das sei aber das allerletzte Mittel. „Wir Eisbärenwächter sind dazu da, die Tiere zu schützen und sie zu vertreiben, wenn sie zu nahe kommen.“Schmidt könnte in den nächsten Wochen viel zu tun haben. Denn jetzt ist in der Arktis Eisbärenhochsaison.
Schmidt freut sich auf die Herausforderung. Als ihr Traum zu Beginn der Corona-Krise zu wackeln begonnen hatte, sei das extrem belastend gewesen, erzählt sie. Bei der ganzen Sache gehe es ja auch längst nicht nur darum, ein einmaliges und unvergessliches Erlebnis zu verpassen, sondern auch um Geld, sagt Schmidt, die selbstständig ist. „Meine Existenz hängt davon ab, ich bin auf das Geld angewiesen.“