Ein Festtag, der unglaublich weit weg scheint
Hilfsprojekt Anfang des Jahres feierte Sylvia Rohrhirsch aus Bellenberg den fünften Geburtstag ihrer Schule in Kenia. Jetzt ist die Einrichtung bedroht – nicht nur durch die Corona-Pandemie
Bellenberg Es muss ein wunderbares Fest gewesen sein. Sylvia Rohrhirsch ist die Begeisterung durchs Telefon anzuhören, wenn sie davon erzählt, wie Anfang des Jahres in Kenia gefeiert wurde. Die Schule, die sie gemeinsam mit dem ehemaligen Spitzensportler Felix Limo in Eldoret aufgebaut hat, feierte ihren fünften Geburtstag. Die Bellenbergerin hatte Gäste aus Deutschland mitgebracht, auch der Illertisser Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner war mit nach Kenia gekommen. „Wir haben ein Riesenfest gefeiert“, erzählt Sylvia Rohrhirsch. Doch die Erinnerung daran scheint Wochen später ganz weit weg: Corona beherrscht auch in Kenia das Leben. Und es ist nicht nur die weltweite Pandemie, die das Projekt derzeit auf eine harte Probe stellt.
Mit Schwierigkeiten und Stolpersteinen umzugehen, haben der ehemalige Langstreckenläufer Felix Limo und die ausgebildete Krankenschwester Sylvia Rohrhirsch bei ihrem gemeinsamen Projekt fast zur Routine gemacht. Irgendwie hat es dann immer doch geklappt. Schließlich war es ja auch schon eine glückliche Fügung, welche die beiden zusammengeführt hat: „Im kenianischen Fernsehen lief vor einigen Jahren regelmäßig ein Beitrag, in dem ich über meine Arbeit vor Ort und Hygiene erzählt habe“, erinnert sich Rohrhirsch.
Diesen Beitrag sah Felix Limo, der mit dem Geld, dass er als Spitzensportler verdient hat, bereits Kindern das Schulgeld finanzierte. Seine Frau brachte ihn auf den Gedanken, gleich eine eigene Schule zu bauen. „Und als er mich im Fernsehen gesehen hat, sagte er zu einem Läuferkollegen, der jetzt in Luxemburg lebt: So jemand wie die bräuchte ich dafür.“Was Felix Limo nicht ahnte: Sein Freund David kannte Sylvia Rohrhirsch – und so kam die Verbindung zustande.
Acht Jahre ist das nun her – und seitdem ist viel passiert. Vor fünf Jahren wurde die Schule eröffnet, finanziert durch Gelder, die Felix Limo aufbrachte, und Spenden aus dem Landkreis Neu-Ulm. Jedes Jahr kam eine neue Klasse hinzu. Inzwischen besuchen 260 Kinder Felison’s School, von Dreijährigen bis zu den Achtklässlern. Viele der Kinder haben ihre Eltern verloren. Doch den Verantwortlichen ist wichtig, dass diese trotzdem bei ihren Familien leben können. „Wir haben nur einen Buben aus dem Massai-Land, von dem wir glauben, dass es tatsächlich besser für ihn ist, wenn er im Internat lebt anstatt bei seiner Tante.“
Die Schule entwickelte sich laufend weiter: Als der Brunnen mit Oberflächenwasser versiegte, das
Wasser für die Schule und den mittlerweile entstandenen Schulgarten vom Fluss geholt werden musste, ging es an den Bau eines Tiefbrunnens. 20 000 Euro Spenden aus dem Landkreis halfen dabei, einen neuen Brunnen zu schlagen, der aus 160 Metern Tiefe Wasser holt. Die
Schule war schon dabei, den Schulgarten zu vergrößern, um noch mehr anbauen zu können. Das überschüssige Gemüse, das nicht für die Schule gebraucht wird, konnte so auf dem Markt verkauft werden und zusätzliche Einnahmen bringen. „Außerdem war daran gedacht, eine eigene Hühnerzucht aufzubauen“, sagt Sylvia Rohrhirsch. Wie mit dem Schulgarten könnte so den Schülern landwirtschaftliches Wissen vermittelt werden. „Ich denk mir immer: Wenn ein Problem gelöst ist, taucht schon das nächste auf.“Sylvia Rohrhirsch klingt keineswegs resigniert, wenn sie das sagt – auch wenn jetzt eine ganze Reihe von Problemen das Projekt bedrohen.
Nach Jahren der Dürre kamen die Überschwemmungen – und die sind fast noch verheerender. „Tausende Menschen sind gestorben, und die Cholera ist ausgebrochen“, berichtet Sylvia Rohrhirsch. Außerdem leidet der Norden des Landes unter einer immensen Heuschreckenplage, die das ganze Farmland leer frisst. Eine Hungersnot droht. Pestizide, um die Plage zu bekämpfen, sind jedoch schwer zu bekommen – denn Kenia befindet sich durch die Corona-Krise im Lockdown, Flugzeuge mit Waren aus dem Ausland landen kaum noch.
Wegen Corona ist auch Felison’s School geschlossen, die Kinder wurden nach Hause zu ihren Familien geschickt. „Es gibt zwar in Eldoret keine bestätigten Fälle – aber dort wird auch kaum getestet.“Für die Menschen in Kenia herrscht eine Ausgangssperre, Kinder dürfen nicht einmal in den Garten oder raus auf den Balkon. Für die Schule bedeutet das: Seit drei Monaten kommt kein Schulgeld rein. Das Lehrerkollegium wird trotzdem bezahlt – auch wenn es jetzt im Mai nur noch mit der Hälfte des Gehalts auskommen muss. Denn hier tut sich bereits die nächste Bedrohung für das junge Projekt auf: „Wir haben ein tolles Kollegium, um das uns viele beneiden.“So sehr, dass Eliteschulen des Landes gerade jetzt alles daran setzen, die Lehrkräfte von Eldoret abzuwerben.
Hier etwas entgegenzusetzen, werde von Monat zu Monat schwerer. Sylvia Rohrhirsch hofft, dass die Schule im Juni wieder öffnen kann, und die Arbeit dort dann weitergeht. Das Hilfsprojekt hat Rücklagen, um zumindest das Schulgeld für die Waisenkinder weiter bezahlen zu können. Doch um den Schulbetrieb nach der Krise wieder zum Laufen zu bekommen, hofft die Bellenbergerin auf Unterstützung aus der Region. Ihr eigener Enthusiasmus ist dabei der stärkste Motor. Denn sie bleibt trotz aller Schwierigkeiten dabei: „Probleme sind dazu da, gelöst zu werden.“