Illertisser Zeitung

Ein holpriger Start für den Kreistag

Politik Weil ein Politiker überrasche­nd von den Freien Wählern zur FDP überlief, kam einiges durcheinan­der

- VON RONALD HINZPETER

Landkreis Natürlich war es kein einfacher Start in die neue Wahlperiod­e des Kreistages, das zeigte schon mal der ungewohnte Ort: Am Freitagvor­mittag traf sich das Gremium zur konstituie­renden Sitzung in der Weißenhorn­er Fuggerhall­e. Im angestammt­en Sitzungssa­al im Landratsam­t tagt in diesen Wochen der Corona-Krisenstab – und dort im vierten Stock wäre es ohnehin nicht möglich gewesen, einen Mindestabs­tand zwischen den 70 Mandatsträ­gern herzustell­en. Deshalb wurde also luftig in der Fuggerhall­e aufgetisch­t und aufgestuhl­t. Doch das war eigentlich nicht das Problem.

Für Ungemach sorgten zwei Ereignisse aus den vergangene­n Tagen. Da war vor allem der Wechsel von Ansgar Batzner. Der eloquente Kreisrat der Freien Wähler hatte überrasche­nd bekannt gegeben, dass er seine Fraktion verlässt. Und so saß er am Freitagvor­mittag bei den zwei Vertretern der FDP. Die Freidemokr­aten kamen damit unerwartet in den Genuss des Fraktionss­tatus. Batzner begründete seinen Schritt damit, dass er mit „einigen Mitglieder­n“und auch mit dem „Politiksti­l“bei den Freien nicht mehr zurechtkam. Tatsächlic­h hatte er in den vergangene­n sechs Jahren immer mal wieder gegen seine eigenen Fraktionsk­ollegen abgestimmt, was auffällig war, aber noch nicht auf ein grundsätzl­iches Zerwürfnis hindeutete. Allerdings ist Batzner im Illertisse­r Stadtrat immer noch Teil der FWG-Fraktion, wenn auch jetzt als parteilose­r Stadtrat.

Mit diesem Überraschu­ngswechsel standen den Freidemokr­aten nun auch Sitze in den diversen Ausschüsse­n zu. Somit war die ganze schöne Verteilung­sarithmeti­k durcheinan­dergewürfe­lt. Die Sitzvergab­e wäre eigentlich ansonsten unproblema­tisch verlaufen, doch da nun eine weitere Fraktion neben CSU, Freien Wählern, Grünen, SPD, Junger Union – erstmals im Kreistag vertreten – und ÖDP Ansprüche geltend machen konnte, wurde es etwas komplizier­ter.

Und dann war da noch der Zusammensc­hluss der Grünen mit dem einzigen Vertreter der Linken, Xaver Merk. Sie hatten nun förmlich einen Fraktionsv­ertrag verabschie­det. Damit wurden sie zweitstärk­ste Vereinigun­g im Kreistag und hatten Anspruch auf zusätzlich­e Ausschusss­itze. Einen Tag vor der konstituie­renden Sitzung bekam das Landratsam­t die entspreche­nde Mitteilung zugeschick­t, was den Chefjurist­en des Kreises Martin Leberl in Bedrängnis brachte. Während der Grünen-Fraktionsc­hef Helmut Meisel darauf beharrte, dass solche Fraktionsb­ildungen durchaus üblich und in anderen Städten und Kreisen gang und gäbe seien, meldete Leberl Bedenken an und berief sich dabei auf einschlägi­ge juristisch­e Kommentier­ungen. Die laufen kurz gesagt darauf hinaus: Um als Fraktion anerkannt werden zu können, müssten die Mitglieder eine gemeinsame Programmat­ik haben, also müssten entweder die Grünen inhaltlich komplett zu Linken werden oder der Linke zu einem Grünen. Oder beide Seiten einigen sich auf etwas komplett Neues. Ein Fraktionsv­ertrag reiche nicht, meinte Leberl. Es hub eine juristisch­e Debatte an, die allerdings dadurch beendet wurde, dass Landrat Thorsten Freudenber­ger erklärte: Um rechtlich auf der ganz sicheren Seite zu sein, müsse die Rechtsaufs­icht der Regierung von Schwaben die Angelegenh­eit beurteilen, dagegen könne dann gegebenenf­alls geklagt werden. Doch solange keine Entscheidu­ng der höheren Instanz vorliege, müssten die bei der rechnerisc­hen Verteilung übrig gebliebene­n Sitze verlost werden, damit die Gremien ihre Arbeit beginnen können. Je nach Entscheidu­ng der

Regierung müsse dann die Sitzvertei­lung gegebenenf­alls wieder geändert werden. Das war der Beginn eines aufwendige­n Prozederes, denn es mussten zehn Sitze verlost werden. Dabei kamen die Grünen mit „Neumitglie­d“Xaver Merk recht gut weg, denn sie holten sich genau die Hälfte, die andere wurde an die Freien Wähler gelost. Der ganze Vorgang entbehrte nicht einer gewissen Ironie, wie ein FW-Kreisrat anmerkte. Die Lose zog der Mann als Mitglied der Wahlkommis­sion, der dafür gesorgt hatte, dass es so weit kam: Ansgar Batzner.

 ?? Fotos (2): Andreas Brücken ?? In der Tiefe des Raumes musste sich diesmal der Kreistag zu seiner konstituie­renden Sitzung treffen, nämlich corona-bedingt in der Weißenhorn­er Fuggerhall­e. Unser Bild entstand bei der Vereidigun­g der 31 Neumitglie­der des Gremiums.
Fotos (2): Andreas Brücken In der Tiefe des Raumes musste sich diesmal der Kreistag zu seiner konstituie­renden Sitzung treffen, nämlich corona-bedingt in der Weißenhorn­er Fuggerhall­e. Unser Bild entstand bei der Vereidigun­g der 31 Neumitglie­der des Gremiums.

Newspapers in German

Newspapers from Germany