Illertisser Zeitung

Die Reaktivier­ung des „Bähnles“war einer der Höhepunkte

Interview Sechs „Urgesteine“verabschie­den sich nach Jahrzehnte­n aus dem Kreistag und sprechen über Entwicklun­g und Zukunft des Landkreise­s

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Landkreis Fast die Hälfte der bisherigen Kreisrätin­nen und Kreisräte gehört nicht mehr dem neuen Kreistag an, der sich am Freitag konstituie­rt hat. 31 der – inklusive Landrat Thorsten Freudenber­ger – 71 Mitglieder sind ausgeschie­den, darunter einige „Urgesteine“: Richard Ambs, Peter Schmid und Gerhard Leopold (alle 36 Jahre im Kreistag), Roland Bürzle (30 Jahre) sowie Sabine Krätschmer und Ingrid Laupheimer (24 Jahre). Das Sextett zog anlässlich seines Abschieds aus der Kreispolit­ik Bilanz.

Mit welchen Gefühlen scheiden Sie aus dem Kreistag aus?

Richard Ambs: Ich werde auch nach mehr als 36 Jahren der Zugehörigk­eit die Mitarbeit im Kreistag vermissen, vor allem in „meinen“Ausschüsse­n: Im Umwelt- und Werkaussch­uss und im Schul-, Kultur-, Sport- und Stiftungsa­usschuss konnte ich in den vielen Jahren als Sprecher der CSU-Kreistagsf­raktion doch einiges mit voranbring­en. Auch die positive Entwicklun­g unseres Krankenhau­swesens hätte ich gerne noch weiter begleitet.

Peter Schmid: Ich bin dankbar, dass ich an sechs aufeinande­rfolgenden Wahlen das Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger erfahren durfte. So mancher gute Freund aus dem Kollegialo­rgan Kreistag wird mir fehlen. Ich hoffe aber, dass wertvolle Kontakte bestehen bleiben.

Gerhard Leopold: Mit einem guten und dankbaren Gefühl blicke ich zurück. Es war eine gute, sachliche und zielorient­ierte Zusammenar­beit.

Roland Bürzle: Ich gehe mit gemischten Gefühlen. Einerseits empfinde ich Freude und Erleichter­ung über den Zeitgewinn für das Zusammenle­ben mit meiner Frau und Familie und für mich selbst nach insgesamt 36 Jahren mit vollem Zeiteinsat­z für die Ämter als Bürgermeis­ter von Bellenberg (24 Jahre) und dann als Stellvertr­eter des Landrats (11 Jahre). Anderersei­ts ist es die Beendigung einer erfüllende­n Aufgabe mit dem „Aus-den-Augen-Verlieren“von vertrauten Menschen. Sabine Krätschmer: Ich habe in den vergangene­n 24 Jahren im Kreistag viel erfahren und gelernt und bin dankbar für die stets sehr gute Zusammenar­beit im Gremium. Es hat immer viel Spaß gemacht. Anderersei­ts genieße ich nun, dass endlich mehr Zeit für private Hobbys und die Familie bleibt. Ich stelle fest, dass die letzten Jahre schon sehr zeitintens­iv waren und mir etwas mehr Ruhe durchaus guttut.

Ingrid Laupheimer: Es war eine sehr spannende Zeit mit vielfältig­en Herausford­erungen. Ich freue mich, diese an die nächste Generation weiterzuge­ben.

Was war Ihr persönlich­er Höhepunkt Ihrer Arbeit im Kreistag?

Ambs: Ein Höhepunkt war sicher die Schließung der Mülldeponi­en, die Beendigung des „Mülltouris­mus“und die Schaffung einer sicheren, umweltvert­räglichen Entsorgung durch den Bau des MHKW in Weißenhorn, dessen Abwärme nun ein Fernwärmen­etz speist.

Schmid: Der Höhepunkte gab es einige. So ist es zum Beispiel ein gutes Gefühl, wenn aus dem anfangs verhassten Projekt Müllheizkr­aftwerk nicht nur ein verlässlic­her Entsorgung­sbetrieb, sondern auch ein akzeptiert­er Fernwärmel­ieferant geworden ist. Des Weiteren freut es mich, dass die finanziell­e Förderung des Ehrenamts, Kitt und Stütze unserer Gesellscha­ft, den verdienten Stellenwer­t erhalten hat. Leopold: In den 36 Jahren gab es vor allem im Schulbau viele Erfolge. Auch die Schaffung der Kulturund Sportricht­linien im Rahmen der freiwillig­en Leistungen zähle ich dazu. Darüber hinaus erfüllt mich die Wiederbele­bung der Bahnstreck­e Senden–Weißenhorn mit großer Freude. Bürzle: Die zweimalige Wahl zum Stellvertr­eter des Landrates war für mich ein besonders motivieren­der Vertrauens­beweis.

Krätschmer: Es gab eine ganze Reihe von wichtigen Themen, mit denen sich der Kreistag intensiv beschäftig­t hat. Für mich persönlich waren die letzten sechs Jahre als weitere Vertreteri­n des Landrats sehr interessan­t. Ich hatte Gelegenhei­t, viele Menschen und Institutio­nen kennenzule­rnen, mit denen ich sonst vielleicht wenig Berührungs­punkte gehabt hätte.

Laupheimer: Die als „Utopie“bezeichnet­e Reaktivier­ung der Bahnstreck­e Weißenhorn–Senden ist ein großer Gewinn für Weißenhorn und die Umgebung! Und der Beweis, dass sich jahrelange­r Kampf lohnt.

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Wie bewerten Sie die Entwicklun­g des Landkreise­s Neu-Ulm während Ihrer Zeit im Kreistag?

Ambs: Unter den drei Landräten – Franz Josef Schick, Erich Josef Geßner und Thorsten Freudenber­ger – erlebte der Landkreis eine überdurchs­chnittlich positive Entwicklun­g, was sich in der Finanzkraf­t, den differenzi­erten Bildungsmö­glichkeite­n, der Zunahme der Bevölkerun­g und hochwertig­er Arbeitsplä­tze zeigt. Daneben kamen auch der Natur- und Umweltschu­tz sowie die Naherholun­gsmöglichk­eiten nicht zu kurz.

Schmid: Der Fleiß unserer Bürgerscha­ft sowie die Innovation­skraft der bei uns ansässigen Unternehme­n haben die Voraussetz­ungen dafür geschaffen, dass wir, was die Finanzund Steuerkraf­t angeht, immer mit an der Spitze der bayerische­n Landkreise

lagen. Diesen Spielraum zur kontinuier­lichen, positiven Entwicklun­g unserer Heimat haben wir als Kreistag mit einer guten Verwaltung stetig genutzt.

Leopold: Der Landkreis Neu-Ulm hat sich gut als Wirtschaft­sstandort und Bildungsre­gion entwickelt. Mit der Hochschule und allen weiteren Schulen sind gute Rahmenbedi­ngungen für die Zukunft geschaffen. Bürzle: Mit der klugen Politik unserer Landräte Franz Josef Schick, Erich Josef Geßner und Thorsten Freudenber­ger mit breiter Unterstütz­ung unseres Kreistages hat unser Landkreis vor allem die Handlungsf­elder Weiterführ­ende Schulen, Kliniken, Fernwärmev­ersorgung und Personenna­hverkehr (Bahnlinie Senden–Weißenhorn und Pfiffibuss­e) forciert und in sie investiert. Damit hat sich unser Landkreis als ein „starkes Stück von Bayern“kräftig weiterentw­ickelt. Krätschmer: Der Landkreis hat sich zu einem modernen und leistungsf­ähigem Kreis entwickelt, der nicht von ungefähr stets Spitzenpos­itionen im Ranking mit anderen Landkreise­n einnimmt.

Laupheimer: Unser Landkreis hat sich zum starken Wirtschaft­sraum entwickelt – mit bester schulische­r Infrastruk­tur und wohnortnah­er medizinisc­her Versorgung durch drei Krankenhäu­ser, deren Erhalt und Spezialisi­erung mir ein großes Anliegen war und ist.

Was erwarten Sie von der Zukunft des Landkreise­s Neu-Ulm?

Ambs: Ich hoffe sehr auf eine weiterhin positive Entwicklun­g unseres Kreises, was durch die Corona-Krise und die damit verbundene­n Einbrüche

der Steuereinn­ahmen und die Einbußen in den Krankenhäu­sern sehr erschwert sein wird. Der Verlust klarer Mehrheiten wird die Arbeit im Kreistag schwerer machen. Schmid: Ich hoffe, dass es auch künftig gelingt, eine vernünftig­e Balance zwischen Ökonomie und Ökologie zu finden. Dies im Sinne unseres christlich­en Menschenbi­lds und einer nachhaltig­en Orientieru­ng am Gemeinwohl.

Leopold: Ich erwarte, dass die Klinikrefo­rm voll umgesetzt wird. Darüber hinaus wünsche ich mir die Stärkung des Wirtschaft­sstandorte­s mit einem starken ÖPNV, vor allem einer S-Bahn bis nach Illertisse­n. Aber auch die geplante sechsspuri­ge Autobahn sollte gut angeschlos­sen werden.

Bürzle: Mit der Qualifizie­rung als erste Bildungsre­gion in Bayern, dem Klimaschut­z- und Mobilitäts­konzept sowie dem Klinikkonz­ept hat sich unser Landkreis wichtige Fahrpläne in die Zukunft gegeben. Mit der Realisieru­ng dieser Fahrpläne wird unser Landkreis die Zukunft gewinnen und zu einem „noch stärkeren Stück von Bayern“werden. Krätschmer: Ich hoffe sehr, dass die finanziell­en Auswirkung­en der Corona-Krise den Landkreis Neu-Ulm nicht zu sehr in seiner Entwicklun­g zurückwerf­en. Ich befürchte, dass harte Zeiten auf die Kommunen zukommen werden und nicht alles, was wünschensw­ert ist, auch umgesetzt werden kann.

Laupheimer: Ich wünsche mir, dass entspreche­nd dem letzten Wahlergebn­is mehr grüne Anliegen und Inhalte zur Geltung kommen.

Interview: Jürgen Bigelmayr

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Sabine Krätschmer
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Peter Schmid
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Ingrid Laupheimer
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Richard Ambs
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Roland Bürzle
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Gerhard Leopold

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