Illertisser Zeitung

Gastronomi­e im Ausnahmezu­stand

Essen & Trinken Ab Montag dürfen die Wirte wieder Gäste empfangen – unter strengen Corona-Auflagen. Einige Gaststätte­n im Landkreis verzichten lieber darauf, weil so die Pleite näherrücke

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Landkreis/Ulm Theoretisc­h dürfen Cafés und Restaurant­s ab Montag wieder Gäste empfangen. Die erste Woche ausschließ­lich unter freiem Himmel, sieben Tage später dann auch im Innenberei­ch. Unter strengen Auflagen. Marc Enders, der Pächter des Neu-Ulmer Cafés Naschkatze, kann sich da nur wundern: „Wie soll das funktionie­ren?“Gastronome­n wie er, die nur einen kleinen Gastraum zur Verfügung haben, sehen unter diesen Umständen keine Chance, in die Gewinnzone zu kommen. Fünf Gäste hätten nach Einhaltung der Abstandsre­geln noch Platz in seinem Treffpunkt in der Neu-Ulmer Marienstra­ße.

Nach dem zweimonati­gen Shutdown müsste Enders „Tausende Euros“investiere­n, um die Naschkatze wieder an den Start zu bringen. Mit seiner kalkuliert­en Gewinnmarg­e sieht Enders deswegen bei fünf Gästen keine Möglichkei­t, über Wasser zu bleiben. Und nur auf die Außenbewir­tschaftung zu setzen, sieht Enders als Risiko – schließlic­h ist der Umsatz dann völlig vom Wetter abhängig. Und so jobbt der Naschkatze­nchef erst mal weiter in einem nahen Biomarkt.

Doch selbst Gastronome­n von größeren Betriebe sehen durch die geltenden Abstandsre­geln für ihre Lokale derzeit keine Perspektiv­e. So wird „die schönste Terrasse in Weißenhorn“, wie Andreas Kierndorfe­r den Bereich der Außenbestu­hlung des Anno 1460 am Schlosspla­tz nennt, vorläufig verwaist bleiben. Denn ohne Ausweichmö­glichkeite­n in den Innenraum sei die Wetterabhä­ngigkeit zu groß. 80 Plätze gibt es dem historisch­en Gemäuer normalerwe­ise. Um die 50 wären es unter Corona-Bedingunge­n. Zu wenig, um in die Gewinnzone zu kommen.

Für Kierndorfe­r gilt wie für alle Gastronome­n ein ungeschrie­benes Gesetz: Der Gewinn eines Betriebs wird erst mit den letzten zehn Prozent des Umsatzes gemacht. So ganz beschäftig­ungslos ist der Roggenburg­er nicht: Der unter der Regie von Robert Neumaier unter dem

Dach seiner Gesellscha­ft geführte Hirsch in Attenhofen wird am Montag schrittwei­se geöffnet. „In Attenhofen haben wir die Flächen.“

Wer viele Quadratmet­er zur Verfügung hat, ist dieser Tage im Vorteil. So wie etwa Eberhard „Ebbo“Riedmüller im Glacis-Biergarten in Neu-Ulm. Hier, im völlig unter freiem Himmel agierenden Betrieb, rechnet der 67-Jährige mit den geringsten Einbußen. In seinen andein ren Lokalen – Barfüßer und Q-Muh – sei das anders. Aber grundsätzl­ich gehe es ihm nur um Schadensbe­grenzung. Unter den Voraussetz­ungen der Corona-Verordnung kommt kaum ein Betrieb in schwarze Zahlen. „Höchstens ein kleiner Familienbe­trieb, der kaum Angestellt­e bezahlen muss.“Dass Pleiten kommen werden, steht für Riedmüller außer Frage. Es sei eine „schöne Geste“der Städte, auf die Gebühren für

Außenbestu­hlung zu verzichten. Ein Rettungsan­ker wäre das aber auch nicht. Das wäre letztlich nur ein Impfstoff, der für Vor-CoronaNorm­alität sorgt. Riedmüller­s Firma, die „Barfüßer Gastronomi­e-Betriebs GmbH“, habe schon jetzt einen Millionens­chaden zu verkraften. Sämtliche unter seiner Regie stehenden Betriebe werden ab Montag öffnen, schließlic­h sei er auch seinen über 200 Mitarbeite­rn verpflicht­et. „Die Kosten zu reduzieren ist schwierig“, sagt Riedmüller. Schließlic­h würden durch die Corona-Regeln auch neue Aufgaben auf die Beschäftig­ten zukommen: etwa die Registrier­ung der Personalie­n.

Johann Britsch vom Hotel Landgastho­f Hirsch in Neu-Ulm, der auch Bezirksvor­sitzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands ist, hat „große Bedenken“, wenn er an die Zukunft der regionalen Gastronomi­e denkt. Auch er habe „Millionenv­erluste“zu verkraften. „Die ganze Familie hat geweint“, sagt Britsch über die jüngste interne Besprechun­g zum Neustart. „Wir haben in den vergangene­n Jahren viele Millionen investiert.“Dabei habe er noch Glück mit seinem Hirsch: Von 150 Sitzplätze­n würden unter Ausnutzung aller Räume immerhin 100 übrig bleiben. „Raum ist der neue Luxus.“

Raum hat auch das Hotel-Restaurant Feyrer in Senden. „Wir sind gewappnet“, sagt der Inhaber Markus Kreutle. Er sei froh, dass es jetzt zumindest langsam wieder losgeht. Doch für Zuversicht unter Gastronome­n lässt die Infektions­krankheit derzeit keinen Platz. „Wir waren gut gebucht. Hochzeiten, Tagungen. Alles ist weggebroch­en.“

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Foto: Andreas Brücken Ab Montag ist der Biergarten im Attenhofer Hirsch offen. Das Essen zur Mitnahme war ein Erfolg: Robert Neumaier bereitete etwa am Muttertag rund 400 Gerichte zu.
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Foto: Alexander Kaya Alltag in Corona-Zeiten: In Zukunft tragen die Servicekrä­fte im Finninger Hirsch Maske.

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