Freundschaft in Frankreich
Konrad Holzmann, Augsburg
Ende März 1945 wurde ich mit 16 Jahren zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, um mit dem letzten Aufgebot den durch Propaganda angekündigten Endsieg zu erringen. In aller Eile mussten wir jugendlichen RAD-Männer noch den Fahneneid auf Führer, Volk und Vaterland ablegen. Schon am 22. März 1945 kam für unsere Abteilung der Einsatzbefehl zur Verteidigung der als letzte Zufluchtsstätte geplanten Alpenfestung. Bei Riefensberg sollten wir Stellung beziehen, um den Vormarsch französischer Truppen aufzuhalten. Abgesehen davon, dass wir keinerlei militärische Ausbildung hatten, war unsere Bewaffnung auch nicht geeignet, die Panzer aufzuhalten: Nur jeder Dritte von uns hatte einen belgischen Karabiner aus dem Ersten Weltkrieg. Ferner verfügten wir noch über zwei Kisten eingerosteter Panzerfäuste.
Die Folge war, dass wir am Morgen des 30. April 1945 „führerlos“dastanden. Unsere Führung hatte in der Nacht mit dem einzigen Fahrzeug das Weite gesucht. Diese Situation veranlasste uns, in kleineren Gruppen den Weg nach Hause zu schaffen. Am Abend des 1. Mai 1945 fielen wir beim Versuch, die Bundesstraße Immenstadt– Oberstdorf zu überqueren, einer Gruppe von KZ-Häftlingen in die Hände, die sich mit Maschinenpistolen bewaffnet hatte. Wir hatten den Tod vor Augen. In diesem Augenblick näherte sich ein Fahrzeug mit französischen Soldaten. Die KZ-Häftlinge ergriffen die Flucht – wir wurden zu Kriegsgefangenen.
Meine Kriegsgefangenschaft ist dann wie folgt abgelaufen: Nach einem dreitägigen Aufenthalt in einem Kino in Immenstadt folgte ein Fußmarsch nach Lindau. Von dort aus ging es in Eisenbahnwaggons nach Tuttlingen. Mit Lastwagen erfolgte dann die Fahrt quer durch den Schwarzwald nach Kehl. Nach Überquerung des Rheins folgte wiederum der Transport mit Eisenbahnwaggons nach Orleans, wo ich am Abend des 13. Mai 1945 im Lager angekommen bin. Gleich am nächsten Tag wurden wir mittels Passfoto und Fingerabdruck registriert. Meine Gefangenen-Nr. war 739 580, die ich mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen werde. Von Orleans wurde ich in das Gefangenenlager Chartres überstellt, von dort in das Lager Thorée les Pins bei Le Mans verlegt. Schließlich bin ich im Gefangenenlager Nantes gelandet. Am 10. Mai 1946 bin ich einem Straßenbaukommando zugeteilt worden, welches die Aufgabe hatte, im Dorf Jans die Feldwege zu erneuern.
In der Zeit vom 7. Oktober 1947 bis 10. Oktober 1948 war ich als Zivilarbeiter auf dem Bauernhof des Landwirts Laurent Vaillant in Jans-Guindrais beschäftigt. In diese Familie war ich von Anfang an voll integriert und es entwickelte sich eine Freundschaft, die heute noch besteht. In all den Jahren habe ich meine Freunde, deren Kinder und Enkel 21 Mal besucht. Andererseits wurde meine Familie von den französischen Freunden zwölf Mal in Augsburg besucht. Meine Heimkehr nach Augsburg erfolgte am 14. 10. 1948 – nach 1263 Tagen.