Regen aus Papierfetzen
Hans Haupeltshofer, Offingen
Die Front der US-Truppen rückte immer näher. Flugzeuge griffen den Bahnhof Neuoffingen an. Wir Kinder sammelten später die Patronenhülsen auf, die im Wald verstreut herumlagen. Über unserem Dorf regnete es verbrannte Papierreste, die vom Wind vom bombardierten Ulm hergeweht wurden.
Dann kam die Front der Amerikaner immer näher. Es waren viele Panzer, die von Bodentruppen unterstützt wurden. Der Lärm war schon von weitem zu hören. Weil der Ort noch heftig von der deutschen Wehrmacht verteidigt wurde, haben die Panzer erst mal den Ort mit Granaten beschossen. Unsere Familie hat sich voller Angst im Kartoffelkeller versteckt.
Rings um unser Bauernhaus standen viele Gehöfte lichterloh in Flammen. Unser Gebäude wurde wie durch ein Wunder nicht getroffen. Mein Vater hat sich, kurz bevor die Panzer da waren, im Garten umgesehen, wie weit die Front noch weg war. Dabei hat er zwei junge etwa 16 oder 17 Jahre alte deutsche Kämpfer gesehen, die als letztes Aufgebot rekrutiert worden sind. Diese fast noch Kinder rannten in Panik hin und her und wussten nicht, was sie tun sollten.
Er hat sie angesprochen und ihnen geraten, ihre Waffen in eine
Hecke am Rande des Grundstücks zu werfen. Dann hat er die beiden mit ins Haus genommen. Dort kleidete er sie mit Zivilkleidung ein und brachte sie in ein Versteck im Heustadel. Das alles war äußerst gefährlich. Hätten die deutschen Offiziere dies bemerkt, wäre er eventuell erschossen worden. Aber die meisten Führungskräfte hatten sich längst davongemacht.
Kurze Zeit später haben die ersten Panzer Offingen erreicht. Inzwischen hatten sehr viele Einwohner weiße Fahnen als Zeichen der Kapitulation aus den Fenstern gehängt. Außerdem wurde am Kirchturm eine weiße Fahne gehisst. Dann fuhren eine lange Panzerkolonne sowie andere Militärfahrzeuge die Hauptstraße an unserem Haus vorbei. Vor der Kolonne ging ein Fabrikbesitzer aus Offingen mit einer weißen Fahne voran. Wäre von den deutschen Soldaten nur ein Schuss abgegeben worden, hätten ihn die Amerikaner erschossen.
Unsere Familie hat alles vom Küchenfenster aus beobachtet. Plötzlich stoppte vor dem Haus ein Panzer und es stürmten zwei dunkelhäutige US-Soldaten in unsere Küche. Wir Kinder hatten fürchterliche Angst. Aber die Soldaten wollten nur eine Wolldecke haben, um einen toten Kameraden, der auf dem Panzer lag, zuzudecken.