Illertisser Zeitung

Clever umsatteln

Mobilität Unter bestimmten Voraussetz­ungen dürfen Autofahrer nun auch ohne Zusatzprüf­ung Zweiräder bis 125 ccm fahren. Erlaubt sind unter anderem die praktische­n Motorrolle­r. Doch worauf müssen Anfänger besonders achten?

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aufs Motorrad ohne extra Führersche­in dafür? Klingt illegal, muss es aber nicht sein. Es gibt Ausnahmen. Neuerdings dürfen Autofahrer, die älter als 25 Jahre alt sind, mit ihrem Führersche­in auch auf einige Zweiräder umsteigen. Dazu zählen Motorräder der Klasse A1, also Leichtkraf­träder oder Motorrolle­r bis 125 ccm. Eine Prüfung ist nicht erforderli­ch.

Aber neun theoretisc­he beziehungs­weise praktische Unterricht­seinheiten. 90 Minuten sind zwingend. Und der Pkw-Führersche­in muss mindestens fünf Jahre alt sein. „Prüfungsfr­eie Zusatzschu­lung heißt das im Amtsdeutsc­h“, sagt Hajo Ullrich. Der Gesetzgebe­r habe hier die urbane Mobilität im Blick. Der Motorradtr­ainer des Auto Club Europa (ACE) sieht gerade Motorrolle­r, die häufig einen Bein- und Windschutz bieten, als prädestini­ert für Berufspend­ler oder für die Wege zum Supermarkt oder für andere kürzere Fahrten.

„Wie an jedes motorisier­te Zweirad muss man sich aber auch an den Roller erst einmal gewöhnen – und das möglichst behutsam“, sagt Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsic­herheit (ifz). Er betont, dass das Bewegen eines motorisier­ten Zweirades dem Fahrer deutlich mehr körperlich­en Einsatz abverlange als das Pkw-Fahren. Motorische Fähigkeite­n, wie etwa das Halten des Gleichgewi­chts, die Koordinati­on verschiede­ner Bewegungen und auch eine grundlegen­de Fitness sollten vorhanden sein.

Auch Michael Lenzen rät zur Besonnenhe­it. „Ganz entscheide­nd ist die veränderte Perspektiv­e. Die Sicht auf den Verkehr von einem Zweirad ist eine ganz andere als die aus dem Auto“, sagt der Vorstandsv­orsitzende des Bundesverb­ands der Motorradfa­hrer. Als bisheriger Autofahrer sei man es nicht gewohnt, dass man nun von anderen Verkehrste­ilnehmern schnell einmal übersehen werde.

Der Rollerfahr­er muss sich zunächst bewusst machen, dass er nun ein deutlich verletzbar­erer Verkehrste­ilnehmer ist als ein AutofahRau­f rer, sagt Ullrich. „Wenn ich einen Fehler mache, endet das häufig nicht nur mit einem Schaden am Fahrzeug, sondern auch an meinem Körper.“

Aber auch wer vielleicht schon Motorrader­fahrung hat, muss sich beim Roller umstellen. „Ein Roller unterschei­det sich vom Motorrad nicht nur durch die weniger fahraktive Sitzpositi­on, sondern auch durch das wegen der kleineren Räder deutlich veränderte Handling“, gibt Lenzen zu bedenken. Er rät dringend, sich beim Kauf nicht mit einer Sitzprobe zufriedenz­ugeben, sondern auch auf einer Probefahrt zu bestehen.

Die Fahrphysik beim Roller werde geprägt durch den kurzen Radstand, den engeren Lenkereins­chlag und vor allem durch die kleineren Räder, die eine höhere Geschwindi­gkeit benötigen, um die gleichen Kreiselkrä­fte, sprich die gleiche Fahrstabil­ität, zu generieren wie ein Motorrad, erklärt ACE-Motorradtr­ainer Ullrich im Detail.

„Schräglage in Kurven und das Gleichgewi­chthalten müssen deshalb langsam geübt werden, ebenso muss das Bewegungss­piel zwischen Gas, gegebenenf­alls Kupplung und Gangwahl sowie das Bremsen in Fleisch und Blut übergehen“, sagt Haasper, der darauf verweist, dass viele Roller über ein Automatikg­etriebe verfügen. „Das erleichter­t dem Anfänger den Einstieg.“

Mancher Rollerneul­ing aber lässt sich von der vermeintli­chen Lässigkeit eines Rollers auch täuschen.

„Gerade der Motorrolle­r – viele haben einen Windschutz und ein Trittbrett – vermittelt oft ein falsches Sicherheit­sgefühl und verleitet dazu, auf kurzen Strecken in Alltagskle­idung, im Sommer vielleicht sogar nur in Cargoshort­s und mit Badeschlap­pen, unterwegs zu sein“, so Ullrich.

Welche Schutzklei­dung ist sinnvoll? Stichwort Jet-Helm. „Warum soll ich für eine kurze Strecke einen Vollvisier-Helm nehmen? Ein JetHelm reicht doch allemal“, würde sich mancher Rollerfahr­er selbst beruhigen, vermutet hier Lenzen. „Diese Helme lassen den Kinnbereic­h aber ungeschütz­t.“Ullrich warnt zudem vor den sogenannte­n Brain Caps. Diese Vintage-Helme mögen gut aussehen, ein großer Teil aber besitze nicht einmal die ECEPrüfnor­m.

„Natürlich würde ich mir wünschen, dass auch jeder Rollerfahr­er mit einer kompletten Schutzbekl­eidung,

Viele Rollerfahr­er schludern mit der Schutzklei­dung

also neben dem Integralhe­lm auch mit Motorradkl­eidung mit Protektore­n und mit Handschuhe­n et cetera, unterwegs ist. Aber das ist illusorisc­h“, bedauert Lenzen. „Die meisten Rollerfahr­er verzichten auf eine komplette Schutzklei­dung, etwa weil sie sich auf der Arbeit nicht zweimal umziehen wollen.“

Wie sollte eine adäquate Ausstattun­g aussehen? „Jacke und Hose mit entspreche­nden Protektore­n an sturzgefäh­rdeten Stellen bieten Komfort und Wetterschu­tz während der Fahrt, aber auch im Fall des Falles“, sagt Haasper. Spezielle Kombinatio­nen aus Leder oder Textil, auch mit Klimamembr­an, seien sinnvoll. Für den Alltag gut geeignet seien aber auch schon spezielle Motorradje­ans aus abriebfest­en Materialie­n. „Unerlässli­ch sind zudem festes Schuhwerk mit Knöchelsch­utz und Motorradha­ndschuhe, da die Hände bei einem Sturz unweigerli­ch Kontakt mit der Fahrbahn aufnehmen.“

Andreas Kötter, dpa

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Foto: Benjamin Weigel, dpa Mit der Vespa übers Land: Autofahrer, die älter als 25 Jahre alt sind, dürfen neuerdings mit ihrem Führersche­in auch auf einige Zweiräder umsteigen.
 ?? Foto: Z. Scheurer, dpa ?? Experten raten auch bei der Fahrt auf dem Motorrolle­r zu Vollvisier-Helmen, da sie zusätzlich den Kinnbereic­h schützen.
Foto: Z. Scheurer, dpa Experten raten auch bei der Fahrt auf dem Motorrolle­r zu Vollvisier-Helmen, da sie zusätzlich den Kinnbereic­h schützen.

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