Illertisser Zeitung

Fleisch soll kein Billigprod­ukt mehr sein

Corona Nach Infektions­fällen in Fleischere­ien Appelle für bessere Arbeitsbed­ingungen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mit einer deutlichen Erhöhung der Fleischpre­ise will die CSU das Überleben der heimischen Landwirtsc­haft garantiere­n, das Tierwohl verbessern und die prekären Zustände in großen Schlachter­eien beenden. Diese hatten sich zuletzt zu Corona-Brennpunkt­en entwickelt. In mehreren Großbetrie­ben im Bundesgebi­et infizierte­n sich hunderte von Schlachtho­f-Mitarbeite­rn mit dem Coronaviru­s – offenbar unter anderem wegen unzureiche­nder Hygienebed­ingungen in Sammelunte­rkünften.

Die Christsozi­alen wollen aber nicht nur höhere Preise, sie fordern auch ein Verbot, mit dem Preis für Fleisch zu werben. Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) sagte unserer Redaktion: „Der unanständi­ge Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel. Er bringt unsere Landwirte in Existenznö­te, schadet dem Tierwohl und ist für die problemati­schen Arbeitsbed­ingungen in Schlachthö­fen verantwort­lich.“An höheren Fleischpre­isen führe deshalb kein Weg vorbei, so Nüßlein, der in seiner Fraktion für Umwelt und Natur zuständig ist. Die Mehreinnah­men müssten direkt an die Landwirte weitergege­ben werden, verbunden mit der Auflage, für mehr Tierwohl zu sorgen – etwa durch den Bau artgerecht­er Ställe. Am einfachste­n könne eine solche Tierwohlab­gabe über eine Mehrwertst­euererhöhu­ng erfolgen, so der CSU-Politiker. Momentan gilt für Fleisch und Wurst der reduzierte Satz von sieben Prozent. Wie hoch die Erhöhung des Steuersatz­es für Fleisch ausfallen solle, ließ Nüßlein offen. „Das müssen wir ausrechnen“, sagte er.

Nüßlein prangerte an, dass in den Anzeigen, Plakaten oder Prospekten der Supermarkt­ketten bislang fast immer ein möglichst günstiger Fleischpre­is im Vordergrun­d stehe. Denn Fleisch sei in der Regel kein Markenarti­kel, ein Kilo Schweinena­cken

bei unterschie­dlichen Discounter­n gelte als vergleichb­ar – unabhängig davon, wo das Fleisch herkomme und unter welchen Bedingunge­n es erzeugt werde. „Dieser Dumping-Wettbewerb muss ein Ende haben, denn er sorgt für immensen Druck bei Landwirten und Schlachtbe­trieben“, so Nüßlein.

Seit vielen Jahren steht die Fleischbra­nche wegen schlechter Arbeits- und Unterkunft­sbedingung­en für ihre meist ausländisc­hen Mitarbeite­r in der Kritik. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) will an diesem Montag im „CoronaKabi­nett“der Bundesregi­erung Vorschläge für entspreche­nde Änderungen im Arbeitssch­utzgesetz einbringen. „Wir brauchen verbindlic­he Quoten für die Kontrollen, schmerzhaf­te Bußgelder bei Verstößen und klare, unmissvers­tändliche Verantwort­ung eines Arbeitgebe­rs für seine Betriebsab­läufe“, sagte Heil.

Auch die Grünen verlangten eine grundlegen­de Reform der Fleischpro­duktion in Deutschlan­d. Unter anderem solle es einen Mindestpre­is für Tierproduk­te, ein Verbot von Werkverträ­gen und eine Ausweitung der staatliche­n Kontrollen in den Betrieben geben, hieß es in einem Sieben-Punkte-Plan der Partei zu dem Thema.

Ihr Vorsitzend­er Robert Habeck sagte: „Der Ausbruch von Corona in mehreren Schlachthö­fen in Deutschlan­d wirft ein Schlaglich­t auf die dramatisch­en Probleme der Agrarindus­trie.“Für die Dumpingpre­ise zahlten die Arbeiter in den Schlachtfa­briken einen hohen Preis: „Sie schuften zu miserablen Arbeitsund Lohnbeding­ungen, hausen in katastroph­alen Unterkünft­en, der Schutz ihrer Gesundheit steht hinten an.“

Habeck schloss sich der Forderung nach einem Verbot des Dumpingwet­tbewerbs an: „Im Lebensmitt­eleinzelha­ndel darf ein Mindestpre­is für tierische Produkte nicht mehr unterschri­tten werden.“

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