„Menschen sind anpassungsfähig wie Kakerlaken“
Interview Hannes Jaenicke ist nicht nur einer der erfolgreichsten deutschen Schauspieler, sondern auch ein engagierter Umweltaktivist. Warum er glaubt, dass die Erde trotz aller Umweltsünden auch in 100 Jahren noch bewohnt sein wird
Sie wissen als erfolgreicher Schauspieler Ihre Popularität auch politisch zu nutzen. Sie schreiben, organisieren Demonstrationen und arbeiten als Doku-Filmer. Gab es da einen Auslöser? Hannes Jaenicke: Schon als Teenager war ich politisch interessiert, bin mit 16 bei Greenpeace eingestiegen. Das liegt sicherlich auch an meiner Herkunft. Meine Eltern waren politisch und sozial immer sehr engagiert. Später auf Dreh-Reisen habe ich mich in irgendwelchen Hotels dabei erwischt, wie ich bis spät nachts vor der Glotze bei Dokumentationen hängen geblieben bin. Das Genre hat mir immer schon gefallen, und ich fragte mich: Warum nicht selber mal Dokus machen?
arbeite ich da auf einer Baustelle, die existenziell wichtig ist.
Ein anderer Grund, den Sie für Ihren Einsatz genannt haben, ist das Artensterben. Sie haben mal erzählt: „Ich wollte dieses Thema bedienen, auch weil ich als Junge aufgewachsen bin mit lautem Vogelgezwitscher morgens. Und es ist in Deutschland echt still geworden. Wir haben mittlerweile 60 Prozent unseres Vogelbestands verloren.“Jetzt sterben gerade die Blaumeisen. Wo wird das enden?
Jaenicke: Also ich möchte nicht pessimistisch klingen, darum erzähle ich lieber eine positive Episode. Bei mir am Westufer des Ammersees war in den vergangenen Tagen ein Kuckuck zu hören. Das war im ganzen Dorf Gesprächsthema. Als ich Kind war, hätte das kaum jemand wahrgenommen. Aber jetzt war erstmals seit Jahren wieder ein Kuckuck zu hören. In Sachen Artensterben sehe ich allerdings eher schwarz. Das könnte man nur stoppen, wenn die Politik genauso entschieden damit umgehen würde wie mit der Corona-Krise. Wir verlieren täglich 40 bis 50 Arten! Von zwei Millionen bekannten Arten stirbt die Hälfte aus. Ich wüsste nicht, wer das verhindern soll, und tue eben, was ich tun kann. ben an dem Thema vor allem zwei Dinge fasziniert: Zum einen die Marketing-Strategie der Fischindustrie, die uns weismacht, Lachs sei ein gesundes, Omega-3-reiches Superfood. Das ist eine der größten Lügen der Nahrungsmittelindustrie.
Und der zweite Punkt?
Jaenicke: Mir fällt kein Tier ein, das sich so quält für seinen Nachwuchs wie der Lachs. Die werden ja an der Flussquelle geboren, schwimmen den Fluss runter in den Ozean. Dort tummeln sie sich einige Jahre, bis sie diese unfassbar strapaziöse Reise zurück antreten. An der Quelle paaren sie sich, die Eltern sterben und die Kadaver frieren im Winter ein. Im darauffolgenden Frühjahr sind die Eltern dann die erste Nahrung für den frisch geschlüpften Nachwuchs. Ich finde den Lebenszyklus des Lachses extrem emotional. Gleichzeitig vernichten wir durch unseren Lachskonsum das marine Ökosystem. Überall da, wo eine Lachsfarm aufgemacht wird, kollabiert dieses System. Das wissen die wenigsten. Wir glauben ja, wenn wir Lachs essen, tun wir uns etwas
Gutes.
Meinung nach vertretbar. Das Gleiche gilt für Fisch. Aber tatsächlich ist das Beste, das man für die Umwelt tun kann, Veganer zu werden.
Das ist aber vielleicht auch nicht jedermanns Sache.
Jaenicke: Schauen Sie mich an, ich bin bisher auch noch nicht von den Knochen gefallen. Patrik Baboumian, ein Freund von mir, ist der stärkste Mann der Welt und seit 15 Jahren Veganer. Uns geht es bombig, wir haben gerade einen Spot zum Thema Klimaleugner zusammen gedreht. Arnold Schwarzenegger ist Veganer. Viele Hochleistungssportler leben vegan. Man kann auch mit dieser Ernährungsart viel leisten. Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen glauben, Fleisch und Fisch gehören gezwungenermaßen zu unserer Ernährung. Das braucht aber kein Mensch. Aber ich gebe zu, dass ich da eine sehr parteiische Sichtweise habe.
Warum dauert es solange, bis sich ein Ernährungswandel einstellt. Man hat ja als Fleischesser nicht so viele gute Argumente?
Jaenicke: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn man seit jeher Würstchen, Aufschnitt und Braten gegessen hat, dann ist es schwer, zu sagen: Was soll ich denn stattdessen essen? Manche haben auch das Gefühl, dass sie ohne Fleisch und Fisch nicht satt werden. Das ist ein Lernund Informationsprozess. Die meisten haben keine Ahnung, was sie sich antun, wenn sie Fleisch aus der Massentierhaltung essen oder Fisch aus Pangasius- oder Lachsfarmen. Natürlich hat die Lebensmittelindustrie kein Interesse daran, uns zu informieren. Sonst wüssten wir ja, was wir mit diesen Nahrungsmitteln uns und der Natur antun. ändern, wenn wir den Planeten nicht zugrunde wirtschaften wollen? Jaenicke: Absolut. Besser kann man das nicht formulieren. Wir müssten komplett anders wirtschaften und auch komplett anders konsumieren. Vielleicht ist der Mensch ja schlau genug, aus dieser Corona-Krise etwas zu lernen. Denn man kann ja gerade wunderbar beobachten, wie schnell sich die Natur erholt.
Und man stellt fest, es braucht das meiste nicht, was man so konsumiert. Jaenicke: Man stirbt ja tatsächlich nicht, wenn man nicht für den Preis einer Taxi-Fahrt nach Malle fliegt oder mit Ryanair zur Barcelona-Party. Es ist erstaunlich, auf wie viel man verzichten kann, ohne sich existenziell einzuschränken. Ich bin jetzt zum ersten Mal seit Jahren viel daheim, fahre Rad, mache Spaziergänge und merke, wie wenig ich brauche, um ein zufriedenes Leben zu haben. Ich klimpere seit Jahren mal wieder am Klavier, lese und höre Musik.
Ist so ein Wandel langfristig möglich? Jaenicke: Der kommt erst, wenn der Leidensdruck groß genug ist. Freiwillig sehe ich keine Chancen.
Viele Menschen leugnen aber den von Menschen gemachten Klimawandel ... Jaenicke: Das liegt an dem grauenhaften Wort ,Fake News‘, das Populisten so gerne verwenden. Das wird von Leuten gebraucht, die die Wissenschaft komplett ignorieren. Man mag von Greta Thunberg halten, was man will. Aber sie sagt doch nur: Hört auf die Wissenschaft! Die wird eisern ignoriert. Nehmen Sie unseren Verkehrsminister Andreas Scheuer, oder den Chef von VW, Herrn Diess. Die reden ja, als hätten sie noch nie etwas von Klimaforschung gehört. Das Gleiche gilt für Politiker wie FDP-Chef Christian Lindner oder den CDU-Wirtschaftsrat, der vorschlägt, wir sollten die Umweltgesetze jetzt lockern, damit man die Wirtschaft schneller wieder hochfahren kann. Da merkt man, wie kurzsichtig diese Menschen sind.