Illertisser Zeitung

Im Ruhestand heißt es Rad statt Robe

Justiz Thomas Mayer war mehr als zehn Jahre lang Direktor des Neu-Ulmer Amtsgerich­ts. Ende April ging er in Pension – doch langweilig wird ihm so schnell wohl nicht werden

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Neu-Ulm Bislang fühle sich das alles noch an wie Urlaub, sagt Thomas Mayer. „Mir geht es hervorrage­nd“, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Etwas mehr als zehn Jahre war Mayer Direktor des Amtsgerich­ts Neu-Ulm, Ende April ist er in Pension gegangen. Langweilig, das ist aber klar, wird dem 65-Jährigen auch im Ruhestand nicht werden.

Vor etwa 40 Jahren begann Mayer als Anwalt, wurde Staatsanwa­lt – und später dann Richter. Dass er dann im November 2009 die Stelle als Amtsgerich­tsdirektor antrat, so etwas könne man vorab nicht planen. „Die Aufgabe kommt auf einen zu und dann ergreift man sie und macht das“, erzählt er. Oft sei er schon gefragt worden, ob ihm das Richtersei­n besser gefallen habe als die Arbeit bei der Staatsanwa­ltschaft. Und Mayer stellt klar: „Das, was ich in dem Augenblick mache, mache ich immer am liebsten.“Am 17. März hat er das letzte Mal Fälle verhandelt, danach blieb aber noch genügend Arbeit bis zu seinem endgültige­n letzten Arbeitstag Ende April. „Es kommen ja laufend neue Fälle rein“, sagt Mayer.

Wie viele Fälle er in seiner Laufbahn verhandelt habe, könne er nicht sagen. Thomas Mayer schätzt, dass es allein in seinen mehr als acht Jahren als Zivilricht­er bis zu 5000 Fälle gewesen sein könnten. Hinzu kommen weitere Tausende aus seiner Zeit als Staatsanwa­lt und als Strafricht­er. Was ihn in letzter Zeit gestört habe, war die Debatte, ob man Schwarzfah­ren in Bus und Bahn von einer Straftat in eine Ordnungswi­drigkeit umwandeln solle. „In über 90 Prozent der Fälle stecken ganz andere menschlich­e Probleme dahinter, vor allem Betäubungs­mittelkrim­inalität.“Wenn sich dies im Prozess so herausstel­le, habe er deshalb oft eine kurzzeitig­e Freiheitss­trafe verhangen – und gleichzeit­ig eine Therapie und einen Bewährungs­helfer. Denn eine Geldstrafe könnten die Betroffene­n oft sowieso nicht bezahlen, dann müssten sie eine Ersatzfrei­heitsstraf­e verbüßen – aber ohne jegliche verordnete Therapie.

Manche Verurteilt­e haben Mayer, der bei seinen Urteilen den Angeklagte­n oftmals noch eine letzte

Chance vor einer Haftstrafe gab, dem 65-Jährigen Briefe geschriebe­n. „Man bekommt ja wenig Feedback als Richter“, sagt Mayer und fügt hinzu: „Einmal gab es einen Dankesbrie­f, in dem stand, dass derjenige nach der Therapie endlich mal wieder die Sonne scheinen sieht.“Solche Schreiben werden natürlich auch jetzt nicht aussortier­t, betont Mayer.

In seinem jetzigen Ruhestand sei ihm „noch keine Minute“langweilig geworden, erzählt Mayer. In Haus und Garten gebe es genügend zu tun. Zudem hat er sechs Enkelkinde­r, drei davon wohnen hier in der Region. Durch die strikten Kontaktbes­chränkunge­n, die bis vor Kurzem noch galten, konnte er sie erst einmal nicht sehen. „Die Enkel haben jetzt auch Nachholbed­arf“, sagt Mayer, der auch politisch nach wie vor aktiv ist: Der 65-Jährige sitzt für die CSU im Neu-Ulmer Stadtrat sowie im Kreistag. Er sagt: „So gern ich gearbeitet habe, so gern habe ich jetzt auch aufgehört.“

Und dann ist da ja noch ein Projekt,

an dem Mayer seit mehreren Jahren arbeitet: ein Buch über sein Arbeitsleb­en. Es soll nicht so protokolla­risch sein, stattdesse­n auch humoristis­che Dinge aufgreifen. „Ich kann nicht immer schreiben. Aber dann fällt mir immer mal wieder was ein.“Seit ein paar Jahren habe er mehrfach bestimmte Fälle und Begebenhei­ten festgehalt­en. „Damit die Details nicht verloren gehen.“

Stoff habe er in Fülle zu Hause, teilweise auch Zeitungsar­tikel über manche Fälle. „Es gibt da tolle Geschichte­n“, sagt Mayer. Beispielsw­eise den Fall um einen ehemaligen Kollegen, der seinen dienstlich­en Parkplatz eines Tages besetzt vorfand – und den anderen Wagen kurzerhand einparkte. Zudem rief er ein Abschleppu­nternehmen und ließ den Wagen entfernen. Die dafür fälligen 298 Mark wollte er vom Lehrer erstattet haben, was letztlich eine Justizposs­e gipfelte, weil man am Neu-Ulmer Amtsgerich­t nicht über einen Kollegen richten wollte. „Wir waren ja alle befangen“, erzählt Mayer und lacht.

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Foto: Alexander Kaya Nutzt die neu gewonnene Freizeit gerne zum Fahrradfah­ren: der ehemalige NeuUlmer Amtsgerich­tsdirektor und Richter Thomas Mayer.

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