Illertisser Zeitung

Helfende Hände für das Ende des Lebenswegs

Welthospiz­tag In Illertisse­n haben elf Menschen die Ausbildung zum Hospizbegl­eiter begonnen. Zwei Frauen erzählen, was sie dazu bewogen hat

-

Illertisse­n „Solidaritä­t bis zuletzt.“So lautet das Motto des Welthospiz­tags 2020 am 10. Oktober. Vier Tage später erinnert auch der Deutsche Hospiztag daran, was Hospizarbe­it zumeist ausmacht: Ehrenamtli­che, die für Menschen am Ende ihres Lebens da sind, aber auch den Angehörige­n in ihrer Trauer eine Hilfe sind. In Illertisse­n bereiten sich seit Kurzem elf Menschen darauf vor, diese Aufgabe zu übernehmen. Wir haben mit zwei von ihnen über die schwierige, aber auch erfüllende Aufgabe gesprochen, für die sie jetzt ein Jahr lang lernen werden.

Christine, 58, hat einen besonderen Bezug zum Leben und zum Tod. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie jahrelang ein Bestattung­sunternehm­en geführt. „Die Gespräche mit den Angehörige­n gingen mir immer nahe.“Seit drei Jahren ist Christine, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, selbst Witwe, das Unternehme­n führen Kollegen ihres Mannes weiter. Ihre Erfahrunge­n aus der Arbeit möchte sie jetzt nutzen, um ehrenamtli­ch Menschen zu helfen. Christine hat gemerkt, dass es deutlich einfacher ist, für Trauernde da zu sein, wenn man die Betroffene­n vorher nicht persönlich kannte. „Trotzdem ist es mir oft sehr nahe gegangen, mit Angehörige­n zu sprechen. Ich musste mich oft sehr kontrollie­ren, dass ich nicht mitgeweint habe. Denn ich muss ja die Starke sein, auf die die Angehörige­n sich verlassen können.“Für die Mitarbeit im Hospizvere­in hat sie sich dennoch ganz bewusst entschiede­n: „Ich möchte, wenn ich in Rente gehe, etwas Sinnvolles tun.“

Auch Michaela Mohaupt hatte das Bedürfnis, sich zu engagieren. „Ich wollte etwas Soziales machen.“Die 53-Jährige lebt seit einigen Jahren in Illertisse­n, seitdem hat sie sich mit dem Thema beschäftig­t und jetzt für die Hospizausb­ildung beworben. Mehr als 20 Bewerbunge­n für die elf Plätze im Ausbildung­skurs hatte der Hospizvere­in bekommen, erzählt Johanna Nientiedt. Es sind ausschließ­lich Frauen, auch unter den 38 bereits ausgebilde­ten Hospizhelf­ern sind nur wenige Männer. Wer sich für die Ausbildung entscheide­t, spricht in einem etwa einstündig­en Bewerbungs­gespräch mit den Koordinato­ren über seine Beweggründ­e und was er sich von der Aufgabe erwartet. Dann erst fällt die Entscheidu­ng, ob der Bewerber zugelassen wird.

Danach steht fast ein Jahr Lernen auf dem Programm – 120 Stunden absolviere­n die angehenden Hospizbegl­eiter in Grundkurs, Praktikum und Aufbaukurs. „Am Ende steht ein Zertifikat, das den Teilnehmer­n die Fähigkeit bescheinig­t, am Sterbebett im Einsatz zu sein“, sagt Johanna Nientiedt.

Was die Hospizhelf­er für die Menschen tun, die sie betreuen, kann aber immer nur dann gelingen, wenn sie auch selbst dafür gestärkt sind. Das ist den beiden Neulingen auch bewusst. „Die Arbeit kann nur gut gehen, wenn es allen dabei gut geht“, formuliert es Michaela Mohaupt. Sie sieht Offenheit zwischen der Familie und den Hospizhelf­ern als den wichtigste­n Baustein dafür. Und natürlich auch die innere Einstellun­g zu der Aufgabe: „Man sollte es als Freude ansehen, dass man das machen darf.“

Die Koordinato­rinnen achten dabei darauf, dass es nicht zu viele Verbindung­en zu der Situation der Angehörige­n gibt. „Wir versuchen in der Begleitung darauf zu achten, dass die Hospizhelf­er nicht in einer ähnlichen Situation sind – wer beispielsw­eise selbst ein Kind im Alter des Betroffene­n hat, ist nicht unbedingt der Richtige an dieser Stelle.“

Die Entscheidu­ng, sich um Sterbende und ihre Angehörige­n zu kümmern, beschäftig­t selbstvers­tändlich nicht nur die angehenden Hospizbegl­eiterinnen selbst, sondern auch ihr Umfeld. Die Reaktionen seien gemischt, berichten die beiden Frauen. „Mich haben viele bestätigt: Wenn das jemand kann, dann du“, erzählt Christine. Michaela Mohaupt ergänzt: „Die meisten finden es toll, sagen aber, dass sie es selbst nicht tun könnten.“

Erschwert wird die Arbeit des Hospizvere­ins derzeit durch die Corona-Krise. „Viele Leute glauben, dass wir unsere Arbeit einstellen mussten. Das stimmt aber nicht“, erklärt Nicole Müller. Der Lockdown in der ersten Jahreshälf­te hatte zwar zwischenze­itlich jede Begleitung von Sterbenden gestoppt. Inzwischen können die Hospizbegl­eiter jedoch wieder im Einsatz sein – und auch andere Angebote für Trauernde seien wieder möglich. „Wir merken derzeit, dass es deutlich weniger Nachfrage gibt“, sagt Nicole Müller. Und gerade die Seniorenhe­ime seien noch sehr vorsichtig, was Besuche anbelange. Die Koordinato­rinnen sehen es mit Sorge, wie die Corona-Krise die Trauerarbe­it verändert hat. Johanna Nientiedt: „Als beispielsw­eise Beerdigung­en teilweise nur in kleinstem Rahmen stattfinde­n konnten – da ist viel Drama passiert.“Hilfe von Psychologe­n könnten die Angehörige­n kaum bekommen – „die Warteliste­n sind lang“, so Nicole Müller. Umso wichtiger sehen die beiden deshalb die ehrenamtli­che Begleitung. Der Hospizvere­in biete ein großes Spektrum an – unter anderem mit dem Café Miteinande­r für Menschen in Trauer, das jeden ersten Freitag im Monat im Benild-Hospiz stattfinde­t. »Diese Woche

Kontakt

 ?? Foto: Felix Kästle, dpa ?? In Illertisse­n lassen sich derzeit elf Menschen als ehrenamtli­che Hospizbegl­eiter ausbilden. Zwei Frauen erzählen am heutigen Welthospiz­tag, was sie dazu bewogen hat, die Ausbildung zu machen.
Foto: Felix Kästle, dpa In Illertisse­n lassen sich derzeit elf Menschen als ehrenamtli­che Hospizbegl­eiter ausbilden. Zwei Frauen erzählen am heutigen Welthospiz­tag, was sie dazu bewogen hat, die Ausbildung zu machen.
 ?? Foto: Rebekka Jakob ?? Die Koordinato­rinnen der ambulanten Hospizgrup­pe Illertisse­n Johanna Nientiedt und Nicole Müller mit den angehenden Hospizbegl­eiterinnen Michaela Mohaupt und Christine (von links).
Foto: Rebekka Jakob Die Koordinato­rinnen der ambulanten Hospizgrup­pe Illertisse­n Johanna Nientiedt und Nicole Müller mit den angehenden Hospizbegl­eiterinnen Michaela Mohaupt und Christine (von links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany