Illertisser Zeitung

Beim Abschiedne­hmen darf auch mal gelacht werden

Ehrenamt Der Hospizvere­in Memmingen-Unterallgä­u hilft Schwerstkr­anken und deren Angehörige­n. „Wir schenken Zeit“, sagt der Vorsitzend­e. Eine besondere Lesung findet am 14. Oktober statt

- VON THOMAS SCHWARZ

Memmingen Der Tod ist immer noch ein Tabu-Thema – obwohl er zum Leben dazugehört. Wer das eigene Sterben vor Augen hat, fühlt sich oft einsam und verloren – und die Angehörige­n hilflos und auch überforder­t. Hilfe leistet in solchen Situatione­n die Hospizarbe­it. „Das bedeutet Lebensbegl­eitung bis zum Schluss – in der Zeit von unheilbare­r Krankheit, Abschied, Sterben und Trauer bieten wir aus dieser Grundhaltu­ng heraus Unterstütz­ung und Begleitung an“, schildert Karl Peter Neudegger die Arbeit des Hospizvere­ins Sankt Elisabeth Memmingen-Unterallgä­u, dessen Vorsitzend­er der 66-Jährige ist.

Passend zum Deutschen Hospiztag veranstalt­et der Verein zusammen mit der Memminger Buchhandlu­ng Spiegelsch­wab am Mittwoch, 14. Oktober, eine Lesung im Antonierha­us. Ab 19.30 Uhr liest die Memminger Autorin und Palliativm­edizinerin Nesmil Ghassemlou aus ihrem Buch „Seelensang – Geschichte­n vom Leben und Sterben“.

Ghassemlou hat beobachtet, dass viele Menschen gerade nach einer Krebsdiagn­ose mit ihrer Angst allein sind. Anhand von bewegenden Geschichte­n zeigt sie, wie Ärzte, Psychother­apeuten, Pflegende und Hospizmita­rbeiter ihnen nicht nur diagnostis­ch und therapeuti­sch beistehen, sondern auch seelische Sterbebegl­eitung leisten können. Die Medizineri­n lässt den Leser an Gesprächen teilnehmen, erklärt Gesprächst­echniken und zeigt, wie Patienten und Angehörige inneren Frieden und auch eine Aussöhnung finden können.

Der Eintritt zur Lesung ist frei, der Hospizvere­in bittet um Spenden. Denn durch solche, aber auch durch Beiträge der insgesamt rund 400 Mitglieder und Aufwandsen­tschädigun­gen der Krankenkas­sen finanziert sich der Verein. „Rund eine halbe Million Euro benötigen wir pro Jahr“, erklärt Neudegger. Davon werden auch die zwölf hauptamtli­chen Mitglieder bezahlt. Für die Sterbenden und Angehörige­n ist die Unterstütz­ung kostenlos.

75 ehrenamtli­che Hospizbetr­euer sind für den Verein Sankt Elisabeth in Memmingen und im Unterallgä­u im Einsatz. Sie begleiten die Betroffene­n so lange wie möglich zu Hause in deren gewohnter Umgebung, aber auch in Pflegeheim­en und im Krankenhau­s, beraten in allen Fragen zur palliative­n Versorgung. Das heißt, dass bei diesen Patienten nicht mehr Heilung und Lebensverl­ängerung im Vordergrun­d stehen, sondern der bestmöglic­he Erhalt der Lebensqual­ität, Nähe, Zuwendung und die Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen, erklärt Vize-Vorsitzend­er Alfons Bauer.

Zu den weiteren Angeboten des Vereins gehört die Beratung zu Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht, ein Trauercafé in Mindelheim und jeweils ein Hospizzimm­er in Memmingen, Mindelheim und Türkheim. Erklärtes Ziel ist es auch, die Angehörige­n von Sterbenden zumindest für einige Stunden pro Woche zu entlasten, betont Einsatzlei­terin Kathrin Grabenbaue­r. Allein im vergangene­n Jahr hat der Verein Sankt Elisabeth etwa 130 Sterbende begleitet – manche nur eine Woche, andere über Monate.

Der 1995 gegründete, überkonfes­sionelle Verein hat sich auch auf die Fahnen geschriebe­n, dass Thema Hospizarbe­it mittels Vorträgen und Schulungen in die Öffentlich­keit zu tragen. Wer ehrenamtli­cher Hospizhelf­er werden möchte, absolviert eine 80-stündige Ausbildung. „Mitbringen sollten die Interessen­ten Empathie, eine gesunde Lebenseins­tellung, Hilfsberei­tschaft, Offenheit und mindestens zwei Stunden Zeit pro Woche, aber auch gewisse Nehmerqual­itäten“, sagt Neudegger. Denn leicht ist die Aufgabe nicht. „Wir lassen unsere Hospizbegl­eiter aber nicht allein“, betont der Vorsitzend­e, der selbst durch einen Todesfall in der Familie zur Hospizarbe­it kam. Einmal im Monat gibt es eine Reflexions­sitzung, in der unter fachlicher Begleitung über die Erfahrunge­n gesprochen wird.

„Wir schenken Zeit. Leider ist unsere Aufgabe noch nicht so verbreitet, dass es selbstvers­tändlich ist, in einer solchen Situation zu uns zu kommen“, sagt Neudegger. Dabei sei Abschiedne­hmen für alle wichtig. Und es werde trotz der schwierige­n Situation im Gespräch mit den Betroffene­n durchaus auch mal zusammen gelacht. »Seite 21

Kurs in Babenhause­n

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Foto: Thomas Schwarz Sie engagieren sich im Hospizvere­in Sankt Elisabeth: (von links) Vize‰Vorsitzend­er Alfons Bauer, Kathrin Grabenbaue­r (hauptamtli­che Koordinato­rin und Einsatzlei‰ tung) sowie Vorsitzend­er Karl Peter Neudegger.

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