Illertisser Zeitung

Ein kunstvolle­r Kriegsfilm von Clemens Meyer

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Der kann’s. Der Leipziger Clemens Meyer, einer der spannendst­en deutsch-deutschen Autoren der vergangene­n Jahre – dass er neben der Langform in Romanen wie „Als wir träumten“und „Im Stein“auch die Kurzform beherrscht, hat er zuletzt im Erzählband „Die stillen Trabanten“wieder bewiesen: Bildstarke­r Sozialreal­ismus als engagierte­s Zeichen im bedeutungs­hubernden Skandal- und Selfie-Zeitalter. Jetzt erweist sich der 43-Jährige auch als Könner einer Sonder-Kurzform.

„Die Nacht im Bioskop“ist eine historisch­e Novelle, erzählt wie ein Drehbuch für einen kunstvolle­n (Anti-)Kriegsfilm, als könne man in Schwarz-Weiß-Bildern schreiben. Meyer schildert Szenen einer Säuberung im Januar 1942 im jugoslawis­chen Novi Sad, von den naziverbün­deten Ungarn besetzt. Jener rätselhaft­e Mann, der da im Pelzmantel, mit Faschisten­abzeichen und britischen Zigaretten in der Eiseskälte in die Stadt kommt, frühere Kinos sucht, die hier Bioskope hießen und in denen sich später dann Verzweifel­te bei laufenden Filmen vor den Milizen verstecken werden – ist er heimlicher Retter oder abgefeimte­r Schlächter? Es sind gerade mal gut 80 Seiten Text, ergänzt durch historisch­e Postkarten­fotos der Stadt – aber Meyer zeichnet dabei so starke Szenen, dass man hinsehen muss, und verhindert etwa mit anspruchsv­ollen Rhythmuswe­chseln, dass man darüber hinweglies­t. Ein Drama, ein „Film noir“, das nach der letzten wieder zur ersten Seite führt. Stark. Wolfgang Schütz

Clemens Meyer: Die Nacht im Bioskop

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