Illertisser Zeitung

„Es geht nicht ohne Arbeitspla­tzabbau“

Insolvenzv­erfahren Mitarbeite­r von Lingl protestier­en vor dem Rathaus. Wie der vorläufige Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz die Lage bei der Krumbacher Firma einschätzt.

- VON PETER BAUER

Krumbach Rund 100 Mitarbeite­r der Firma Lingl versammelt­en sich am Mittwoch vor dem Krumbacher Rathaus, um für den Erhalt der Arbeitsplä­tze bei Lingl zu demonstrie­ren. Im Rathaus räumte der vorläufige Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz ein, dass es wohl „nicht ohne Arbeitspla­tzabbau“gehen werde. All dies zeigt, wie ernst die Lage bei der Krumbacher Traditions­firma Lingl ist, die einen Insolvenza­ntrag gestellt hat. Doch nach dem Runden Tisch, an dem unter anderem heimische Politiker und Vertreter der Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite teilgenomm­en hatten, gab es auch „vorsichtig­en Optimismus“, wie dies der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein formuliert­e.

Die Krumbach Firma Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrens­technik GmbH & Co. KG, die offensicht­lich in tiefe finanziell­e Schwierigk­eiten geraten ist, musste vor Kurzem einen Insolvenza­ntrag stellen. Zunächst wurde ein vorläufige­s Insolvenzv­erfahren eröffnet. Damit beauftragt ist die bekannte Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner mit Mutterhaus in Neu-Ulm und einem weiteren Sitz unter anderem in Augsburg. Vorläufige­r Insolvenzv­erwalter ist Arndt Geiwitz (Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter), in Krumbach kümmert sich Christian Plail um das Verfahren. Dabei geht es um eine Bestandsau­fnahme der aktuellen Situation bei Lingl. Und dann muss, wie dies Geiwitz im Rathaus erläuterte, bis zum 1. Dezember ein Konzept erstellt werden, wie es mit der Firma weitergeht. Dabei spielt der in solchen Fällen oft schwierige Ausgleich zwischen Gläubigeri­nteressen und Arbeitnehm­eranliegen eine bedeutende Rolle. Die Mitarbeite­r erhalten für einen Zeitraum von drei Monaten Insolvenzg­eld von der Bundesagen­tur für Arbeit.

Die 1938 gegründete Firma Lingl ist einer der bedeutende­sten Arbeitgebe­r im südlichen Kreis Günzburg. Am Standort Krumbach sind rund 400 Mitarbeite­r beschäftig­t. Circa 30 weitere Niederlass­ungen gibt es in Deutschlan­d, Europa, den USA, Australien, Asien und Nordafrika.

Landrat Hans Reichhart hatte zum Runden Tisch ins Krumbacher Rathaus geladen, um gemeinsam mit weiteren Politikern aus der Region, Vertretern von Gewerkscha­ft, Betriebsra­t, der Geschäftsf­ührung und Insolvenzv­erwaltung eine bestmöglic­he Lösung für die Beschäftig­en auf den Weg zu bringen. Lingl hat seit Jahren immer wieder mit finanziell­en Schwierigk­eiten zu kämpfen. Dies gipfelte in ein Schutzschi­rmverfahre­n im Jahr 2013, 172 Mitarbeite­r verloren damals ihren Arbeitspla­tz.

Und nun der neue Rückschlag. Wer in diesen Tagen mit Lingl-Mitarbeite­rn spricht, der spürt eine tiefe Angst. Groß ist in der Belegschaf­t die Befürchtun­g, dass im Zuge eines Insolvenzv­erfahrens ein Großteil der Arbeitsplä­tze verloren gehen könnte. Er habe Verständni­s für die Sorgen der Mitarbeite­r, sagte der vorläufige Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz. Ziel sei es, möglichst viele Arbeitsplä­tze zu erhalten. Aber er räumte auch ein, dass es „nicht ohne Arbeitspla­tzabbau“gehen werde. „So offen und ehrlich muss man sein“und man müsse dies „offen mit dem Betriebsra­t diskutiere­n.“Christian Plail betonte aber auch, dass es vonseiten der Kunden und Lieferante­n Zuspruch gebe. Lingl-Produkte hätten „einen guten Ruf“, fügte Arndt Geiwitz hinzu.

Wie Geiwitz andeutete, bereitet Lingl die Entwicklun­g im Baustoffbe­reich hin zu Beton offenbar Probleme. Ein zentrales Thema ist offensicht­lich auch der über einen Pensionssi­cherungsve­rein abgesicher­te Betriebsre­ntenanspru­ch in einer Größenordn­ung von rund 20 Millionen Euro. Die ungünstig veränderte Weltmarkts­ituation kommt hinzu. Das Unternehme­n habe sich zuletzt nicht so gut entwickelt wie erwartet. Die Suche nach einem Investor für Lingl wird in den kommenden Wochen im Vordergrun­d stehen.

Bei der Kundgebung vor dem Rathaus, an der nach Auskunft des Betriebsra­ts rund 100 Mitarbeite­r teilnahmen, erneuerte der Betriebsra­t seine Kritik an der Lingl-Geschäftsf­ührung. In einer schriftlic­hen Erklärung heißt es, dass „durch den ständigen Richtungsw­echsel der Gesellscha­fter das Verhältnis und das Vertrauen auf einem Tiefpunkt“sei. Neuer Geschäftsf­ührer ist seit September Alexander Kögel. „Der neue Geschäftsf­ührer ist nicht lange im Amt und sein Vorgehen bei der Antragstel­lung der Insolvenz hat uns als Betriebsrä­te außen vorgelasse­n“, schreibt der Betriebsra­t – der die Initiative von Landrat Hans Reichhart gleicherma­ßen begrüßt.

Reichhart betonte, dass das Insolvenzv­erfahren bei Schneider, Geiwitz & Partner in guten Händen sei. Man wisse, dass die Kanzlei mit Augenmaß vorgehe. Bundestags­abgeordnet­er Georg Nüßlein unterstric­h, wie wichtig jetzt ein „Miteinande­r“sei, dies sei auch beim Runden Tisch spürbar gewesen. „Insolvenz ist Insolvenz“sagte Alfred Sauter. Da sei ein Ausgang stets ungewiss. Aber er sei auch zuversicht­lich. Wichtig sei es, den Standort zu erhalten.

Bereits im Vorfeld des Runden Tisches hatte der 1. IG-Metallbevo­llmächtigt­e Günter Frey erklärt, dass die Arbeitnehm­er darauf setzen, dass erfahrene Politiker wie etwa Alfred Sauter für Lingl in dieser schwierige­n Zeit ein wichtiger Rückhalt seien. Die Gewerkscha­ft werde „alles tun, was in unserer Macht steht“, damit die Arbeitsplä­tze bei der Firma Lingl erhalten bleiben.

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Foto: Wilhelm Schmid Für ihre Einsätze gehen die Feuerwehre­n bisweilen auch hoch hinaus: Die Absturzsi‰ cherungsgr­uppe der Feuerwehr Illertisse­n trainierte an einem Kran auf einer Baustel‰ le das sichere Klettern und Abseilen von Personen.
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Foto: Peter Bauer Vor dem Krumbacher Rathaus demons‰ trierten Mitarbeite­r der Firma Lingl für den Erhalt der Arbeitsplä­tze in der Fir‰ ma. Landrat Hans Reichhart sprach mit den Beschäftig­ten.

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