Daimler verkauft in Europa 23 Prozent weniger Busse
Wirtschaft Massive Umsatzrückgänge bei Evobus im dritten Quartal. Gute Nachrichten für Neu-Ulm sind rar
NeuUlm Die Daimler Bussparte hat wie erwartet mit massiven Rückgängen zu kämpfen. Im dritten Quartal verzeichnete der Konzern allein in Europa einen Umsatzrückgang von 23 Prozent. Am stärksten betroffen ist das für Neu-Ulm relevante Segment der Reisebusse.
Klar ist: Die Covid-19-Pandemie hat nach wie vor die gesamte Branche im Griff und die Märkte sind von den Folgen der Krise gekennzeichnet. „Trotz coronabedingtem Absatzrückgang sind wir in Europa weiter mit klarem Abstand Marktführer“, wird Till Oberwörder, Leiter Daimler Buses & Vorsitzender der Geschäftsführung der Evobus in einer Pressemitteilung zitiert.
Nach einem erfolgreichen Jahr 2019 sind im ersten Halbjahr 2020 alle Kernmärkte aber signifikant zurückgegangen. Und auch im zweiten Halbjahr 2020 sei der Einfluss von
Covid-19 auf die Busmärkte groß. Durch die zeitweise komplette Einstellung des Reiseverkehrs liegt auf der Hand, dass die Reisebus-Produktion am meisten Federn hat lassen müssen. Das habe nahezu alle Kernmärkte wie Europa, Brasilien oder Mexiko getroffen. Diese Entwicklungen machen sich in den Absatzzahlen im dritten Quartal 2020 so bemerkbar: Die Daimler-Bussparte erreichte einen Absatz von 5100 (im Vorjahr 9000) Einheiten. In Europa hat Daimler mit 1900 Einheiten 23 Prozent weniger Komplettbusse und Fahrgestelle der Marken Mercedes-Benz und Setra abgesetzt als im Vorjahresquartal. In Deutschland sanken die Verkäufe um sechs Prozent auf 700 Einheiten. Trotz deutlichem Markt- und Absatzrückgang habe die Bussparte in allen Segmenten stabile Marktanteile erreichen können.
Die Krise hat, wie berichtet, aktuell auch Auswirkungen auf die Auslastung im Werk Neu-Ulm. Das Produktionsvolumen für Reisebusse liegt deutlich unter dem Vorjahresniveau, teilt Daimler schriftlich mit. Neue Aufträge für Reisebusse gibt es derzeit so gut wie keine in NeuUlm: „Es ist nichts im Rohr. Eine Katastrophe“, sagte Betriebsratschef Hansjörg Müller im Gespräch mit unserer Zeitung. Derzeit würde zwar unter „Vollgas“bei den 3850 Beschäftigten des größten industriellen Arbeitgebers der Region gearbeitet. Ein Ende sei aber in Sicht, wenn die bestehenden Aufträge abgearbeitet sind. Derzeit finden Gespräche zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat über Sparmaßnahmen und die Strategie zur Bewältigung der Krise statt. Ergebnisse sollen Anfang November vorliegen. Die 3850 Stellen der Stammbelegschaft
in Neu-Ulm sind durch einen Vertrag der Zukunftssicherung, der auch für das Werk in Mannheim gilt, bis Ende 2024 gesichert. Betriebsbedingte Kündigungen sind also ausgeschlossen. Jedoch wird im Werk spekuliert, dass über Ruhestandsregelungen und Abfindungen Stellen abgebaut werden könnten.
Gerade in Pandemie-Zeiten betont die Daimler-Busparte die Sicherheit von Busreisen mit dem Hinweis auf Nachrüstlösungen zum Infektionsschutz: Dazu zählen etwa sensorgesteuerte Spender für Desinfektionsmittel und „HochleistungsPartikelfilter“mit antiviraler Schutzschicht. Die Daimler-Bussparte weißt zudem darauf hin, dass sie auch in der Krise noch Großaufträge an Land ziehen kann. Wenngleich in Neu-Ulm mit Bedauern zur Kenntnis genommen wird, dass es sich nicht um Reisebusse handelt.
So habe Daimler erfolgreich bei einer großen Ausschreibung in Israel teilgenommen und den Zuschlag für insgesamt 415 Einheiten an Stadtund Überlandbussen erhalten. Für den vollelektrischen Stadtbus Mercedes-Benz E-Citaro, der in Mannheim gefertigt wird, gingen im dritten Quartal Bestellungen über 30 Fahrzeuge für die Rhein-NeckarRegion und über 24 Fahrzeuge für das Stadtgebiet Darmstadt ein. In Belgien konnte Daimler eine Ausschreibung über 129 Einheiten des Mercedes-Benz Citaro hybrid f für sich gewinnen. Daraus folgt: Die Auslastung im Stadtbus-Werk Mannheim sei weitestgehend stabil, während in Neu-Ulm bald Beschäftigungslosigkeit droht. Nicht wenige Beschäftigte werden dort bedauern, dass durch jüngste Umstrukturierungen Reisebusse aus Schwaben nach Baden abwanderten. (heo)