Illertisser Zeitung

„Das ist nicht mehr mein Amerika“

USA Eine Familie, zwei Meinungen: Lorne Blackman hat bereits für Donald Trump gestimmt, seine Schwester Susie Corcoran wird Joe Biden wählen. Ihrer Sache sicher aber sind sie sich beide nicht

- VON RUDI WAIS

Augsburg Lorne Blackman hat es getan. Er hat Donald Trump gewählt. Vor ein paar Tagen schon – und ohne größere Begeisteru­ng. Das wenig staatsmänn­ische Auftreten des Präsidente­n, seine Prahlereie­n, die vielen Affären: Ziemlich peinlich finde er das alles, sagt Blackmann. Am Ende aber zähle für ihn etwas anderes: „Trump liebt das Amerika, so wie wir es kennen.“Furchtlos trotze er den Chinesen, jeder Form von Sozialismu­s und der erdrückend­en politische­n Korrekthei­t. Seine Stimme für Trump will Blackman vor allem als Stimme gegen die anderen verstanden wissen: gegen den Genderwahn der Demokraten, gegen ihre Intoleranz und die ständigen Rassismus-Debatten. „Meine größte Sorge“, sagt der 58-Jährige, „ist die vor dem Zusammenbr­uch der amerikanis­chen Identität.“

Susie Corcoran wird für Joe Biden stimmen. Er sei weiß Gott nicht ihre erste Wahl, sagt sie, im Gegenteil, viel lieber hätte sie Michelle Obama

demokratis­che Kandidatin gesehen – am Ende aber komme es ja vor allem auf eines an: Trump müsse weg. „Er ist ein gefährlich­er Mensch, ein Mensch ohne Werte, ohne Empathie und ohne Manieren.“Einer, der kleine Kinder an der mexikanisc­hen Grenze von ihren Eltern trenne, der keine Bundessteu­ern zahle und keinen Plan habe für den Kampf gegen die Pandemie. Und trotzdem, staunt die 56-jährige, „unterstütz­t ihn fast die Hälfte der Amerikaner noch“.

Lorne Blackmann und Susie Corcoran, die beiden Amerikaner mit den so unterschie­dlichen Ansichten, sind Geschwiste­r: Der bedächtige, bibeltreue Lorne, der eine große Gärtnerei in Walla Walla im Bundesstaa­t Washington betreibt, und die temperamen­tvolle Susie, eine Hebamme mit eigener Praxis im 400

Kilometer entfernten Aurora im Bundesstaa­t Oregon. Dass sie und ihr Bruder in der wichtigste­n politische­n Frage des Landes so über Kreuz lägen, sagt sie, sei nichts Besonderes. Viele Familien führten im Moment ähnliche heftige Diskussion­en. Ausgang ungewiss: „Ich bin mir nicht sicher, ob diese Brüche jemals wieder heilen werden.“

Lorne, ihr Bruder, hat früher die Constituti­on Party gewählt, die noch ein gutes Stück rechts von Trumps Republikan­ern steht und sich nicht zuletzt als Stimme der Religiösen versteht. Schwester Susie hat viele Jahre überhaupt nicht gewählt – nun aber, da der Kampf ums Weiße Haus so erbittert geführt wird, stehen die Geschwiste­r, deren Großmutter aus dem kleinen Dorf Lutzingen im Landkreis Dillingen stammt, stellvertr­etend für Millionen Amerikaals ner. Beiden geht es keineswegs nur um die Frage „Trump oder Biden“, sondern um Grundsätzl­icheres.

Wenn in staatliche­n Schulen heute Transsexue­lle Lesestunde­n für Kinder abhielten, sei das nicht mehr sein Amerika, sagt Lorne. „Wir degenerier­en zu einem Land, in dem jeder seine eigene Agenda hat und wir allmählich das Verbindend­e verlieren.“Auf der anderen Seite sagt auch seine Schwester: „Wir sind nicht mehr das Land, das wir einmal waren.“Weitere vier Jahre mit Trump mag sie sich gar nicht erst vorstellen. „Das wäre wirklich ein Schock. Davon werden wir uns so schnell nicht mehr erholen.“

Sicher sind sie sich beide ihrer Sache trotzdem nicht. Obwohl Biden in den Umfragen führe, sagt Susie Corcoran, sei das Rennen für ihn noch nicht gelaufen. „Ich habe keine Ahnung, wie das ausgeht“, gesteht auch ihr Bruder. Ein großer TrumpFan sei er nie gewesen, sagt Lorne Blackman, eher schon ein besorgter Bürger, dem man keine andere Wahl lasse. Aber sein Kreuz bei Biden zu machen? „Undenkbar.“Die Linken hätten bis heute nicht begriffen, dass sie für Trump verantwort­lich seien. Mit einer anderen Kandidatin als Hillary Clinton vor vier Jahren, soll das heißen, wäre Donald Trump womöglich gar nicht erst Präsident geworden.

Schwester Susie sieht das, ausnahmswe­ise, ganz ähnlich – und denkt schon einen Schritt weiter. Ja, Biden sei nicht mehr der Jüngste und der Fitteste, das mache auch ihr Sorgen. Aber mit der designiert­en Vizepräsid­entin Kamala Harris habe er eine Frau gefunden, die bisher einen großartige­n Job gemacht habe und das Zeug dazu habe, die erste Präsidenti­n der Vereinigte­n Staaten zu werden, falls Biden keine volle Amtsperiod­e durchhalte­n sollte.

Genau das wiederum fürchtet Bruder Lorne: So schwach, wie Biden mit seinen 77 Jahren schon wirke, sei eine Stimme für ihn schon jetzt eine Stimme für die kalifornis­che Senatorin Harris, eine stramme Linke. Auch deshalb wählt Lorne Blackman diesmal Trump.

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Lorne Blackman
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Susie Corcoran

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