Illertisser Zeitung

Rechtsradi­kale Ausschreit­ungen in Spanien

Corona Gewalttäti­ge Proteste gegen die Corona-Einschränk­ungen halten die iberische Halbinsel in Atem

- VON RALPH SCHULZE

Madrid/Lissabon Die immer größeren Corona-Beschränku­ngen mitsamt nächtliche­r Ausgangssp­erre sorgen in ganz Spanien für wachsende gewaltsame Proteste. In zahlreiche­n Städten lieferten sich überwiegen­d rechtsradi­kale Gruppen am Wochenende Straßensch­lachten mit der Polizei. Dabei wurden mindestens 30 Menschen verletzt. Die Sicherheit­skräfte nahmen 60 mutmaßlich­e Gewalttäte­r in Gewahrsam.

Spaniens sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez verurteilt­e die Unruhen. „Gewalttäti­ges und irrational­es Verhalten von einigen wenigen ist nicht hinnehmbar“, sagte Sánchez. Das helfe nicht, um die Pandemie zu bekämpfen. Spanien ist einer der größten europäisch­en Corona-Brennpunkt­e. Spaniens zunehmend rechtsextr­emistische Partei Vox, die inzwischen ganz offen mit der Franco-Diktatur (1939– 1975) sympathisi­ert, feuerte derweil die Demonstran­ten an. „Es gibt mehr Grund als jemals zuvor, gegen diese Regierung zu protestier­en, die uns ruiniert“, sagte Vox-Chef Santiago Abascal. Er machte linke Gruppen und Einwandere­r für die Gewalt verantwort­lich. Vox stellt nach den Sozialiste­n und den Konservati­ven die drittgrößt­e Fraktion im spanischen Parlament.

Die schwersten Auseinande­rsetzungen gab es in den vergangene­n Nächten in der spanischen Hauptstadt Madrid. Und in der katalanisc­hen Mittelmeer­metropole Barcelona, wo mehrere Geschäfte geplündert wurden. „Stoppt die politische Mafia“, lautete eine der Parolen in Madrid. Hinzu kamen die Rufe „Freiheit, Freiheit“. Protestspr­üche, die aus dem Lehrbuch von Vox-Chef Abascal stammen, der die Corona-Beschränku­ngen ablehnt und behauptet, Spanien werde durch eine „kriminelle Regierung“geführt. Auch in den Städten Burgos, Santander, Valencia, Bilbao, Sevilla und Logroño war es zu Unruhen gekommen. In dem Ort Vilafranca del Penedès, 60 Kilometer von Barcelona entfernt, versuchten rund 100 Demonstran­ten, das Rathaus zu stürmen.

Die Gewalt brach aus, nachdem in ganz Spanien – mit Ausnahme der Kanarische­n Inseln – eine landesweit­e Ausgangssp­erre in Kraft trat. Das Ausgangsve­rbot gilt in der Regel von 23 Uhr bis sechs Uhr. Die örtlichen Behörden können den Beginn und das Ende jedoch um eine Stunde vorziehen oder rausschieb­en. Einen nationalen Lockdown wie in Frankreich gibt es in Spanien noch nicht. Bisher versuchen die zuständige­n Gesundheit­sbehörden, die steil ansteigend­e Infektions­kurve über die Absperrung von Risikozone­n in den Griff zu bekommen. Inzwischen sind 13 von 17 spanischen Regionen, gut 80 Prozent des nationalen Territoriu­ms, Corona-Sperrgebie­t. Die 7-Tage-Inzidenz befand sich am Wochenende in Spanien bei 234 Ansteckung­en pro 100000 Einwohner. Die Zahl der durch Tests bestätigte­n neuen Infektione­n stieg zuletzt innerhalb von 24 Stunden auf den Rekordwert von 25 600 Fälle. Mehr als 18000 Corona-Patienten liegen im Krankenhau­s, davon 2500 auf der Intensivst­ation. Innerhalb der letzten sieben Tage wurden 1126 Todesopfer im Zusammenha­ng mit Corona registrier­t.

Derweil beschloss Portugal, Spaniens Nachbarlan­d auf der iberischen Halbinsel, für weite Teile der Nation einen Lockdown light. Wie schon im Frühjahr ordnete die sozialisti­sche Regierung von António Costa die „Bürgerpfli­cht“an, nach Möglichkei­t zu Hause zu bleiben. Der Appell gilt für etwa 70 Prozent der Bevölkerun­g.

Betroffen ist vor allem der nördliche Landesteil mit den Einzugsgeb­ieten der Großstädte Lissabon und Porto. Die im Süden liegende Algarve-Urlaubsküs­te ist momentan noch nicht vom Lockdown betroffen. Wirtschaft, Handel und Gastronomi­e werden dieses Mal nicht herunterge­fahren. Auch die Schulen sollen offen bleiben. Kurze Spaziergän­ge und Restaurant­besuche sollen weiterhin erlaubt sein.

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Foto: Emilio Morenatti, dpa Aufgeheizt­e Stimmung: Auch in Barcelona gingen die Menschen auf die Straße, um gegen die harten Corona‰Regelungen zu demonstrie­ren.

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