Illertisser Zeitung

Ein leidenscha­ftlicher Mittelstän­dler

Nachruf Mario Ohoven starb mit 74 Jahren bei einem Verkehrsun­fall. Erinnerung­en an einen eloquenten Kämpfer

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Mario Ohoven war im besten Sinne eine schillernd­e Persönlich­keit. Wenn es darum ging, die Belange mittelstän­discher Unternehme­r als Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu verteidige­n, war er verlässlic­h zur Stelle. So stemmte sich der Unternehme­r mit zugespitzt­en Formulieru­ngen gegen Vertreter eines zu begehrlich­en Staates, der Firmeninha­ber mit üppigen Steuern und bürokratis­chen Daumenschr­auben traktiert. Ohoven fand den Weg in die Medien und nahm hinter den Kulissen auf die Politik Einfluss für seine Unternehme­r-Kolleginne­n und -Kollegen.

Nur einmal patzte Ohoven und wusste in einem Fernseh-Interview nicht weiter, blätterte verlegen in Papieren und sagt dann einen folgenschw­eren Satz, für den ihn der unerbittli­che TV-Entertaine­r Stefan Raab aufziehen sollte: „Ich muss weg!“Doch Ohoven hatte Humor und steckte die Witzeleien weg.

Auf alle Fälle sollte der Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft – kurz BVMW –, dem er seit 1998 als Präsident vorstand, dank seines Einsatzes immer mehr an Bedeutung gewinnen und auch eine wichtige Rolle neben führenden und bekanntere­n Unternehme­nsverbände­n wie dem BDI und dem BDA finden.

Wie jetzt bekannt wurde, starb Ohoven am Wochenende mit 74 Jahren bei einem Verkehrsun­fall. Die Trauer innerhalb des Bundesverb­andes mittelstän­discher Wirtschaft ist groß. So teilte die Organisati­on am Sonntag mit: „Wir verneigen uns in respektvol­ler Dankbarkei­t vor seinem unvergleic­hlichen Lebenswerk. Mario Ohoven hat in zwei Jahrzehnte­n den BVMW zu dem führenden Mittelstan­dsverband in Deutschlan­d mit 340 Geschäftss­tellen und 60 eigenen Auslandsbü­ros geformt.“Er sei das Gesicht und die Stimme des BVMW gewesen, sein Wort habe großes Gewicht in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft gehabt.

Ohoven sah sich in seiner selbstbewu­ssten Art als „Stimme des Mittelstan­ds“, ja als „streitbare­n, ehrlichen, unermüdlic­hen Menschen“. Bei der Lobbytätig­keit half ihm seine offene, rheinische Mentalität. Wer ihn als Journalist interviewt­e, merkte schnell: Dieser Mann redet nicht um den heißen Brei herum, bringt die Themen auf den Punkt und hat Lust darin, Einfluss auf die

Politik zu nehmen. Seine Äußerungen fanden folglich regelmäßig den Weg in die Medien, auch wenn mancher Repräsenta­nt etablierte­r Arbeitgebe­rund Industriev­erbände die Nase über ihn gerümpft haben mag. Ohoven forderte das nur umso mehr heraus. Er legte stets auch gesteigert­en Wert darauf, sich korrekt zu kleiden. Zur lachsfarbe­nen Krawatte trug er ein lachsfarbe­nes Einstecktu­ch. Auffällig waren seine weißen Krägen etwa zu blauen oder wiederum lachsfarbe­nen Hemden. Mit seiner ebenfalls stark engagierte­n Frau Ute-Henriette Ohoven, 74, nahm er an gesellscha­ftlichen Ereignisse­n teil. Der Mittelstan­dskämpfer hatte durchaus auch Vergnügen am Glamour. Seine Gattin ist Sonderbots­chafterin der Unesco. Das Ehepaar hat das Bild von Wirtschaft­svertreter­n, die sich in die Gemeinscha­ft einbringen, mitgeprägt. Der in Neuss geborene Ohoven entstammt einer traditions­reichen Unternehme­r-Familie, nämlich der Hanfspinne­rei und Papierfabr­ik Ohoven, die bis auf das Jahr 1810 zurückgeht. Doch der gelernte Banker beschäftig­te sich mehr als 40 Jahre mit Vermögensa­nlagen, genauer gesagt mit der Entwicklun­g steueropti­mierter Investitio­nen. Seine Unternehme­nsgruppe gehörte nach eigener Darstellun­g über 25 Jahre zu den Marktführe­rn auf dem Gebiet solcher Geldanlage­n. Das Spektrum reichte hier über Einkaufsze­ntren, Büroimmobi­lien, Denkmalsch­utzobjekte bis hin zu Flugzeugfi­nanzierung­en (Airbus und Boeing). Eine der Stimmen des deutschen Mittelstan­ds war also ein

Anlagebera­ter. Ohoven hat auch bei Kritik an seinen Geschäften immer wieder darauf verwiesen, dass Menschen mit ihm finanziell bestens gefahren seien. In seiner nicht von Zweifeln behafteten Art handelte er nach der Devise: Tue Gutes und rede darüber. Auf Ohovens Homepage wird das Beispiel erwähnt, wie 500 Einfamilie­nhäuser in Düsseldorf zu Preisen von einst rund 490000 D-Mark „minus Steuervort­eilen und Mehrwertst­euererstat­tung von ca. 250 000 D-Mark“vermittelt werden konnten. Inzwischen, so stellte es der Unternehme­r einst heraus, lägen die Preise für Immobilien dieser Art in der Düsseldorf­er Lage bei über 900000 Euro. Ohoven sah sich stets als Trendsette­r, eben als Mann mit dem Riecher für interessan­te Anlagen, etwa auch in Seniorenst­ifte. Dabei reihte sich der Unternehme­r auch wagemutig unter die Prognostik­er ein und warnte etwa nach eigener Sichtweise schon im Mai 2007 vor der Finanzmark­tkrise der Jahre 2008 und 2009. Er rühmte sich mehrerer solcher erfolgreic­her Voraussage­n. Ohoven konnte sich gut verkaufen und war ein begehrter Vortragsre­dner. Er sah sich selbst „als Visionär“.

So reagierte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) via Twitter bestürzt auf den Tod Ohovens: „Er hat Großes für die mittelstän­dische Wirtschaft geleistet, Ich habe ihn sehr geschätzt.“Fest steht jedenfalls, dass der deutsche Mittelstan­d mit ihm eine seiner wirkungsvo­llsten Stimmen, die Politik einen wichtigen Sparringsp­artner und Journalist­en einen verlässlic­hen Zitate-Geber verlieren.

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Foto: Rainer Jensen, dpa Mario Ohoven war einer der bekanntest­en Vertreter der deutschen Wirtschaft.

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