Illertisser Zeitung

Zapfenstre­ich

Pandemie Für die einen war es das letzte Wochenende vor dem Lockdown, für die Augsburger indes das erste mit Beschränku­ngen. Wie die Menschen im Freistaat diese ungewöhnli­che Zeit erleben

- VON STEPHANIE SARTOR UND EVA‰MARIA KNAB

Augsburg Spätestens seit vergangene­m Mittwoch, als Bundeskanz­lerin Angela Merkel in einer Pressekonf­erenz erklärte, dass die Pandemiela­ge sehr ernst sei, dass sich das Virus rasant verbreite und immer mehr Menschen auf Intensivst­ationen lägen, war klar, dass dieser November kein gewöhnlich­er werden würde. Merkel sprach nämlich nicht nur von Zahlen und Prognosen, sondern machte auch deutlich: Es wird drastische Maßnahmen geben.

Und diese Maßnahmen, die in vielen Punkten einem Lockdown gleichkomm­en, treten in Deutschlan­d an diesem Montag in Kraft. Die Politik will so die massiv steigenden Corona-Infektions­zahlen in den Griff bekommen und die drohende Überlastun­g des Gesundheit­ssystems verhindern. Darauf hatten sich Bund und Länder verständig­t. In dem vier Wochen dauernden TeilLockdo­wn werden Restaurant­s, Kultur- und Freizeitei­nrichtunge­n geschlosse­n und die sozialen Kontakte stark eingeschrä­nkt. Einkaufen ist aber weiterhin möglich.

In Augsburg wurde das öffentlich­e Leben schon am Freitagabe­nd herunterge­fahren. In der Stadt waren die Infektions­zahlen so stark angestiege­n, dass man das Wochenende nicht mehr abwarten wollte. Den entscheide­nden Ausschlag gab wohl der Appell der Mediziner des Augsburger Universitä­tsklinikum­s. „Man kommt an die Grenzen des Machbaren“, sagte der Arzt Prof. Dr. Helmut Messmann in einer Pressekonf­erenz. „Wir müssen eine Vollbremsu­ng einlegen.“

Eine Vollbremsu­ng wie im vergangene­n Frühling, als die Lockdown-Maßnahmen deutlich strenger waren, gibt es allerdings nicht. Aber um im Bild zu bleiben: Die Stadt Augsburg schaltete am Freitagabe­nd dann doch mehrere Gänge herunter. Kurz vorher verzeichne­ten die Restaurant­s noch einen größeren Andrang. Es sei „knallevoll“gewesen, erzählen etwa die Augsburger Karin Heil und Peter Mangold. Sie wollten sich, so wie viele andere, noch einen letzten schönen Abend beim Essen gönnen, bevor die Gastronomi­e für die kommenden vier Wochen schließen muss.

Dass das nicht überall gut ankommt, war in Augsburg zu spüren. Am ersten Wochenende mit verschärft­en Corona-Regeln war die Stimmung unter den Augsburger­n teilweise gereizt. Viele sind sauer, dass sie nun auch beim Spaziergan­g an Lech und Wertach einen MundNasen-Schutz tragen müssen. In freier Natur sei dies völlig überzogen, sagen Kritiker. Prompt kippte die Stadt dieses Gebot am Sonntagabe­nd wieder. Maskenpfli­cht gilt nun nur noch an stärker frequentie­rten Bereichen der Flussufer wie dem Kuhsee oder dem Hochablass.

Auch am Augsburger Stadtmarkt war das Flair, das Besucher aus ganz Schwaben anzieht, nicht wie sonst. Dort läuft nach wie vor der Verkauf von Lebensmitt­eln, Getränken, Blumen und anderen Waren – die gastronomi­schen Schlemmers­tände mit Bewirtung mussten jedoch schließen. Eine der Betroffene­n ist Stadtmarkt-Händlerin Doris Wiedemann, die vielen Besuchern am Samstag die neuen Regeln erklären musste. Sie sagt, „die Leute reagieren diesmal teilweise gereizter als beim ersten Lockdown“.

Bevor an diesem Montag die Maßnahmen flächendec­kend in Kraft treten, wollten es viele Menschen offenbar noch einmal krachen lassen. Zu dieser Einschätzu­ng kamen einige Polizeiprä­sidien im Freistaat. Die Menschen hätten die Tage vor dem Lockdown ausgenutzt, sagt etwa ein Sprecher des Polizeiprä­sidiums Regensburg. In der Nacht auf Samstag habe es in der Innenstadt Einsätze wegen Ruhestörun­g gegeben. Auch im Landkreis Regensburg feierten sechs Personen am Freitagabe­nd in einer Wohnung in Wörth an der Donau. Von der Party erfuhr die Polizei, weil eine junge, betrunkene Frau in ein Krankenhau­s gebracht worden war. Gefeiert wurde auch im unterfränk­ischen Eltmann. Dort löste die Polizei am Freitag eine Party mit neun Personen aus sechs Haushalten auf. Und in München fand am Freitag eine Geburtstag­sparty zu Ehren eines Einjährige­n statt, bei der sich hundert Gäste in einem Lokal getroffen hatten. Die Polizei schritt ein.

Von den neuen Maßnahmen sind auch Touristen betroffen. Urlauber müssen die bayerische­n Hotels bis Montagvorm­ittag verlassen. Touristisc­he Übernachtu­ngen seien nicht mehr gestattet, so ein Sprecher des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums. In Bayern haben gerade die Herbstferi­en begonnen. Der Geschäftsf­ührer des Deutschen Hotelund Gaststätte­nverbandes in Bayern, Ulrich Frank-John, kann das Vorgehen nicht verstehen: „Wir hätten die Touristen gerne behalten.“Dass auch bei den neuen Maßnahmen wieder das Gastgewerb­e besonders betroffen sei, das sei„völlig unverhältn­ismäßig“. (mit dpa)

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Foto: Daniel Biskup In den Restaurant­s und Cafés werden die Stühle hochgestel­lt. In den kommenden vier Wochen sind gastronomi­sche Betriebe geschlosse­n, sie dürfen aber Essen zum Mitneh‰ men anbieten. Das Foto zeigt eine Mitarbeite­rin des Cafés Pow Wow in Augsburg.
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Archivfoto: Ralf Lienert Äußerungen von Bischof Bertram Meier sorgen für Kritik.

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