Zapfenstreich
Pandemie Für die einen war es das letzte Wochenende vor dem Lockdown, für die Augsburger indes das erste mit Beschränkungen. Wie die Menschen im Freistaat diese ungewöhnliche Zeit erleben
Augsburg Spätestens seit vergangenem Mittwoch, als Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Pressekonferenz erklärte, dass die Pandemielage sehr ernst sei, dass sich das Virus rasant verbreite und immer mehr Menschen auf Intensivstationen lägen, war klar, dass dieser November kein gewöhnlicher werden würde. Merkel sprach nämlich nicht nur von Zahlen und Prognosen, sondern machte auch deutlich: Es wird drastische Maßnahmen geben.
Und diese Maßnahmen, die in vielen Punkten einem Lockdown gleichkommen, treten in Deutschland an diesem Montag in Kraft. Die Politik will so die massiv steigenden Corona-Infektionszahlen in den Griff bekommen und die drohende Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Darauf hatten sich Bund und Länder verständigt. In dem vier Wochen dauernden TeilLockdown werden Restaurants, Kultur- und Freizeiteinrichtungen geschlossen und die sozialen Kontakte stark eingeschränkt. Einkaufen ist aber weiterhin möglich.
In Augsburg wurde das öffentliche Leben schon am Freitagabend heruntergefahren. In der Stadt waren die Infektionszahlen so stark angestiegen, dass man das Wochenende nicht mehr abwarten wollte. Den entscheidenden Ausschlag gab wohl der Appell der Mediziner des Augsburger Universitätsklinikums. „Man kommt an die Grenzen des Machbaren“, sagte der Arzt Prof. Dr. Helmut Messmann in einer Pressekonferenz. „Wir müssen eine Vollbremsung einlegen.“
Eine Vollbremsung wie im vergangenen Frühling, als die Lockdown-Maßnahmen deutlich strenger waren, gibt es allerdings nicht. Aber um im Bild zu bleiben: Die Stadt Augsburg schaltete am Freitagabend dann doch mehrere Gänge herunter. Kurz vorher verzeichneten die Restaurants noch einen größeren Andrang. Es sei „knallevoll“gewesen, erzählen etwa die Augsburger Karin Heil und Peter Mangold. Sie wollten sich, so wie viele andere, noch einen letzten schönen Abend beim Essen gönnen, bevor die Gastronomie für die kommenden vier Wochen schließen muss.
Dass das nicht überall gut ankommt, war in Augsburg zu spüren. Am ersten Wochenende mit verschärften Corona-Regeln war die Stimmung unter den Augsburgern teilweise gereizt. Viele sind sauer, dass sie nun auch beim Spaziergang an Lech und Wertach einen MundNasen-Schutz tragen müssen. In freier Natur sei dies völlig überzogen, sagen Kritiker. Prompt kippte die Stadt dieses Gebot am Sonntagabend wieder. Maskenpflicht gilt nun nur noch an stärker frequentierten Bereichen der Flussufer wie dem Kuhsee oder dem Hochablass.
Auch am Augsburger Stadtmarkt war das Flair, das Besucher aus ganz Schwaben anzieht, nicht wie sonst. Dort läuft nach wie vor der Verkauf von Lebensmitteln, Getränken, Blumen und anderen Waren – die gastronomischen Schlemmerstände mit Bewirtung mussten jedoch schließen. Eine der Betroffenen ist Stadtmarkt-Händlerin Doris Wiedemann, die vielen Besuchern am Samstag die neuen Regeln erklären musste. Sie sagt, „die Leute reagieren diesmal teilweise gereizter als beim ersten Lockdown“.
Bevor an diesem Montag die Maßnahmen flächendeckend in Kraft treten, wollten es viele Menschen offenbar noch einmal krachen lassen. Zu dieser Einschätzung kamen einige Polizeipräsidien im Freistaat. Die Menschen hätten die Tage vor dem Lockdown ausgenutzt, sagt etwa ein Sprecher des Polizeipräsidiums Regensburg. In der Nacht auf Samstag habe es in der Innenstadt Einsätze wegen Ruhestörung gegeben. Auch im Landkreis Regensburg feierten sechs Personen am Freitagabend in einer Wohnung in Wörth an der Donau. Von der Party erfuhr die Polizei, weil eine junge, betrunkene Frau in ein Krankenhaus gebracht worden war. Gefeiert wurde auch im unterfränkischen Eltmann. Dort löste die Polizei am Freitag eine Party mit neun Personen aus sechs Haushalten auf. Und in München fand am Freitag eine Geburtstagsparty zu Ehren eines Einjährigen statt, bei der sich hundert Gäste in einem Lokal getroffen hatten. Die Polizei schritt ein.
Von den neuen Maßnahmen sind auch Touristen betroffen. Urlauber müssen die bayerischen Hotels bis Montagvormittag verlassen. Touristische Übernachtungen seien nicht mehr gestattet, so ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums. In Bayern haben gerade die Herbstferien begonnen. Der Geschäftsführer des Deutschen Hotelund Gaststättenverbandes in Bayern, Ulrich Frank-John, kann das Vorgehen nicht verstehen: „Wir hätten die Touristen gerne behalten.“Dass auch bei den neuen Maßnahmen wieder das Gastgewerbe besonders betroffen sei, das sei„völlig unverhältnismäßig“. (mit dpa)