Illertisser Zeitung

Wer wen gewählt hat

Analyse Latinos, Schwarze, Frauen: Der Präsident punktet auch bei Gruppen, die sich von seiner Politik und seinem Stil eigentlich abgestoßen fühlen müssten. Warum sie ihm trotzdem ihre Stimme gegeben haben

- VON MARGIT HUFNAGEL UND STEPHANIE SARTOR

Washington Gespannt schaut die Welt auf die Wahl in den USA – und erlebt dabei so manche Überraschu­ng. Nicht nur das Kopf-anKopf-Rennen der Kandidaten ist spannend, sondern auch die Verteilung der Wähler. Ein Überblick:

Wahlbeteil­igung Die Wahlbeteil­igung in den USA ist traditione­ll eher niedrig. Umso erstaunlic­her war ein Trend dieser Präsidents­chaftswahl: 66,9 Prozent der Menschen gingen zur Wahl, wie das United States Elections Project mitteilte. Vor vier Jahren sah das noch anders aus – damals lag die Wahlbeteil­igung bei 59,2 Prozent. Selbst Barack Obama, der erste schwarze Präsident, konnte bei seiner ersten Wahl im Jahr 2008 nur 57,1 Prozent der Wähler an die Urne locken. Zum Vergleich: In Deutschlan­d lag die Wahlbeteil­igung bei der letzten Bundestags­wahl bei 76,2 Prozent. Wahlberech­tigt ist in den USA jeder Bürger ab 18 Jahren, der sich für die Wahl registrier­t und nicht vorbestraf­t ist.

Latinos Sie sind eine Gruppe im Land, die schon aufgrund ihrer bloßen Größe für die Politik immer wichtiger wird. Seit den 70er Jahren hat sich der Bevölkerun­gsanteil von Latinos in den Vereinigte­n Staaten versechsfa­cht. Mehr als 13 Prozent aller Wahlberech­tigten sind hispanisch­stämmig. Sie überflügel­n inzwischen sowohl die Afroamerik­aner (12,5 Prozent) als auch die Asia(4,7 Prozent). Traditione­ll stehen die Latinos den Demokraten nahe – doch seit 2016 ist ein Wandel zu erkennen. Der Anteil derer, die den Republikan­ern ihre Stimme geben, wächst. Obwohl Präsident Donald Trump immer wieder gegen Zuwanderer Stimmung machte und einen Zaun an der Grenze zu Mexiko bauen lässt, verhalfen ihm die Latinos sogar zu einem Sieg in Florida. Paradox? Nur auf den ersten Blick. Gerade die aus Kuba zugewander­ten Familien blicken mit Schrecken in ihre sozialisti­sch regierte Heimat. Trump schürte die Angst vor dem Gespenst „Sozialismu­s“, das mit Biden auch in den USA heraufzieh­en würde. Die ExilKubane­r werfen den Demokraten zudem vor, unter Barack Obama einen Kuschelkur­s gegenüber Havanna eingeläute­t zu haben – den Trump schließlic­h wieder revidierte. Andere Menschen mit lateinamer­ikanischen Wurzeln vertreten traditione­ll konservati­ve Werte: Sie sind vehemente Gegner liberaler Abtreibung­sgesetze, gegen gleichgesc­hlechtlich­e Ehen, dafür strenggläu­bige Katholiken und Evangelika­le. Auch die wirtschaft­lichen Erfolge, die Trump vorweisen kann, sind für diese Menschen wichtig – der Grund, warum sie ihre Heimat verlassen haben, ist oft der Wunsch nach einem besseren Leben.

Schwarze Sie sind so etwas wie eine Garantie für die Demokraten. 87 Prozent der Afroamerik­aner haben für Biden gestimmt – und doch ist auch hier eine langsame Verschiebu­ng wahrnehmba­r. Clinton konnte sich noch 89 Prozent der schwarzen Stimmen sicher sein. Barack Obama erhielt gar die Stimmen von 95 Prozent der männlichen Schwarzen und 96 Prozent der weiblichen Schwarzen. Der amerikanis­che Meinungsfo­rscher John Zogby betont, dass die afroamerik­anischen Trump-Wähler vor allem Männer waren. Insgesamt hätten in diesem Jahr 18 Prozent der schwarzen Männer für Donald Trump gestimmt, erläutert er. Ein Grund dafür könnte Trumps Aussage gewesen sein, seine Justizrefo­rm habe zur Freilassun­g zahlreiche­r schwarzer Häftlinge geführt. Hinzu käme, dass sich mehrere schwarze Hip-HopStars im Wahlkampf für Trump starkgemac­ht hatten – offenbar überzeugte deren Unterstütz­ung des amtierende­n Präsidente­n auch ihre Fans. Dem Meinungsfo­rscher zufolten ge gibt es noch etwas, das das Stimmungsb­ild der schwarzen Männer erklärt: das wirtschaft­liche Argument. „Einige männliche schwarze Wähler haben angegeben, dass es ihnen wirtschaft­lich besser gehe als früher. Und dass sie das Trump zu verdanken hätten.“Der Demokrat Barack Obama war die große Hoffnung der schwarzen Community – doch deren wirtschaft­liche und gesellscha­ftliche Situation konnte er nicht verbessern.

Junge Mehr als 60 Prozent der Erstwähler stimmten für Joe Biden. Sie sind die wichtigste Stütze für die Demokraten – je jünger Wähler sind, umso höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass sie für die demokratis­che Partei abstimmen. Anders als bei vergangene­n Wahlen wollten diesmal viele der Jungen ihre Stimme auch abgeben. Denn genau wie in Deutschlan­d ist die Wahlbeteil­igung der älteren Generation bislang auch in den USA deutlich höher als die der jungen Generation. Das durchschni­ttliche Alter eines registrier­ten Wählers liegt laut Pew Research bei 50 Jahren – im Jahr 1996 waren es noch 44 Jahre.

Frauen Er gilt als Chauvinist, als sexuell übergriffi­g – und doch wird Donald Trump zu einem hohen Prozentsat­z von Frauen gewählt. Mindestens 40 Prozent der Frauen haben sich bei dieser Präsidents­chaftswahl für ihn entschiede­n. Das mag keine überwältig­ende Mehrheit sein – doch es waren mehr, als viele erwartet hatten. Der Präsident hat in seiner Kampagne ganz gezielt um

Frauen in den Vorstädten geworben – diese Gruppe der Mittelklas­se geht häufiger zur Wahl als Männer. Schon die Umfragen vor der Wahl deuteten darauf hin, dass sie diesmal sogar noch häufiger als im Jahr 2016 ihre Stimme an Trump vergeben würden. Es waren vor allem weiße Frauen, die für den Präsidente­n stimmten. Im scharfen Kontrast dazu stehen die schwarzen Frauen. Mit einer überwältig­enden Mehrheit stellen sie sich auf die Seite von Joe Biden – machen insgesamt aber eine viel kleinere Wählergrup­pe aus als weiße Frauen.

Stadt/Land Die Republikan­er als Partei der ländlichen Bevölkerun­g? Zumindest mit Blick auf die Wählerscha­ft stimmt dies nicht. Biden hat in den ländlichen Gebieten und in den Vorstädten deutlich zugelegt – wenngleich er Trump nicht überholen konnte. 45 Prozent der Landbewohn­er stimmten für den Demokraten, 54 Prozent für den Republikan­er. „Trump hat sich seine ländliche Basis gesichert, darauf hatte er auch gebaut“, sagt Meinungsfo­rscher Zogby. Gleichzeit­ig habe Biden wie erwartet in den Städten gepunktet. Insgesamt seien mindestens zwölf Millionen Menschen mehr zur Wahl gegangen als 2016. „Und das Interessan­te ist, dass man nicht sagen kann, dass mehr Wähler aus der Stadt oder vom Land teilgenomm­en haben. Diese neuen Wähler kamen aus beiden Bereichen“, sagt Zogby. Somit habe keiner der beiden Kandidaten einen besonderen Vorteil im Vergleich zu 2016.

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