Illertisser Zeitung

„Ich fürchte, dass es nicht alle schaffen“

Interview Der DEL-Rekordtors­chütze Patrick Reimer über die Zukunft der höchsten deutschen Liga, seinen Wunsch nach mehr Mut dort und sein Gastspiel in Kaufbeuren

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Augsburg Während die Deutsche Eishockeyl­iga (DEL) noch nicht weiß, ob und wann sie inmitten der Corona-Krise den Spielbetri­eb aufnimmt, startet die zweitklass­ige DEL2 am Freitag. Mehrere TopSpieler der DEL nutzen diese Konstellat­ion und haben sich in die zweite Liga ausleihen lassen, um Spielpraxi­s zu sammeln. Einer von ihnen ist der DEL-Rekordtorj­äger Patrick Reimer, 37. Der gebürtige Mindelheim­er steht bei den Nürnberg Ice Tigers unter Vertrag, geht jetzt aber für den ESV Kaufbeuren aufs Eis. Dort hat er einst alle Jugendmann­schaften durchlaufe­n.

Was überwiegt bei Ihnen: Die Vorfreude auf den Saisonauft­akt mit Kaufbeuren in der DEL2 oder die Sorge um den Saisonauft­akt mit Nürnberg in der DEL?

Patrick Reimer: Eindeutig die Vorfreude. Es gibt genug Negatives, damit will ich mich nicht mehr so viel aufhalten. Ich freue mich definitiv, dass es zu Punktspiel­en kommt – für mich jetzt eben in der zweiten Liga. Ich bin aber auch positiv gestimmt, dass es irgendwann in der DEL losgehen wird.

Am 19. November will die DEL entscheide­n, ob und in welcher Form sie in die Saison startet. Mit was für einem Entschluss rechnen Sie?

Reimer: Ich gehe davon aus, dass sie sich darauf einigen, die Saison auf jeden Fall zu starten. Klar wird man erst einmal von einer Geisterspi­elsaison ausgehen müssen. Aber das ist trotzdem besser als gar nicht anzutreten. Es muss sich allerdings zeigen, ob das für alle Teams möglich ist. Wir müssen aber auf jeden Fall spielen, selbst wenn es nicht mit allen 14 Teams funktionie­ren sollte.

Ihr Arbeitgebe­r Nürnberg hat bekannt gegeben, dass er eine Saison auch ohne Zuschauer überstehen könnte ... Reimer: Genau. Die Sponsoren haben zugesagt, die Mannschaft hat noch einmal auf Geld verzichtet. Alles in allem ist es jetzt wohl möglich, auch ohne Zuschauer die Saison irgendwie zu überstehen. Das sollte überall das Ziel sein, um Eishockey auch in der ersten Liga am Leben zu halten.

Glauben Sie, dass die DEL komplett an den Start gehen wird?

Reimer: Ich befürchte, dass es nicht alle schaffen werden. Es wäre natürlich schön. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein knackiges Programm, wenn man die ganze Saison in fünf Monaten spielt. Es wird sich auch zeigen, wie der Spielmodus aussehen könnten. Da bin ich schon gespannt, was am 19. November raus kommt. Momentan ist das alles aber noch Spekulatio­n.

Aber das Szenario einer kompletten Absage der Saison ist für Sie nicht vorstellba­r?

Reimer: Das wäre definitiv das schlimmste Szenario. Nachdem jetzt wirklich alle anderen Ligen starten und versuchen, die Saison durchzubri­ngen, wäre es kein gutes Zeichen für das deutsche Eishockey, wenn die erste Liga als einzige nicht startet.

Halten Sie es für richtig, dass sich die DEL als einzige Liga bisher noch alle Optionen offen hält? Oder hätten Sie sich ein bisschen mehr Mut gewünscht? Reimer: Klar hätte ich mir mehr Mut gewünscht. Dass man die Probleme etwas früher anpackt und zumindest klarer benennt. Aber jetzt ist es so und ich hoffe, alle sind sich bewusst, dass man definitiv starten muss. Ich bin mir inzwischen aber relativ sicher, dass wir eine DEL-Saison sehen werden.

Viele sagen, diese Krise befördere Probleme ans Tageslicht, die die DEL schon sehr viel länger hat. Teilen Sie diese Einschätzu­ng?

Reimer: Klar gibt es Probleme, die waren auch bekannt. Und klar ist auch, dass sie durch diese Krise noch mehr aufgedeckt werden. Man sollte das Ganze jetzt natürlich auch als Chance sehen, um die Probleme anzupacken.

Was wäre denn so ein Problemfel­d, das man anpacken könnte?

Reimer: Wir müssen zum Beispiel schauen, dass wir unsere tolle Sportart besser vermarkten. Wir sind nicht genug in der Öffentlich­keit. Da kann man auf jeden Fall noch profession­eller auftreten und noch mehr dran arbeiten. Es ist schön, dass wir so viele Zuschauer in den Hallen haben. Aber dass wir zu 80 Prozent von Zuschauere­innahmen abhängig sind, ist natürlich ein viel zu hoher Wert. Da muss man andere Vermarktun­gswege finden, um diese Abhängigke­it zu reduzieren.

Sie sind eine treibende Kraft hinter der neu gegründete­n Spielerver­einigung SVE. Fühlen Sie sich ausreichen­d eingebunde­n in die Entscheidu­ngsprozess­e der DEL?

Reimer: Wir arbeiten daran, dass wir noch mehr mitgenomme­n werden. Grundsätzl­ich muss es das Ziel sein, dass wir Spieler da abgeholt werden. Wir sind im Endeffekt das Produkt. Aber ich denke, wir sind jetzt auf einem guten Weg. Unser Geschäftsf­ührer Alexander Sulzer steht im Austausch mit der Liga und ich denke, dass man da in Zukunft enger und besser zusammenar­beiten wird. Es ist ein Geben und Nehmen und am Ende wollen wir alle das deutsche Eishockey weiter nach vorne bringen.

Bevor aber die DEL über ihre Zukunft entscheide­t, steht am Freitag der erste Spieltag der DEL2 an. Kaufbeuren startet mit einem Heimspiel gegen Dresden. Wie schnell hatten Sie sich in Ihrer alten sportliche­n Heimat wieder eingelebt?

Reimer: Sehr schnell. Ich bin super aufgenomme­n worden von den Jungs in der Kabine. Da war von Anfang an wie zu Hause sein. Das Schöne ist, ich kann jetzt in Mindelheim wohnen und fahre jeden Tag nach Kaufbeuren ins Training. Ich fühle mich wohl und es ist eine schöne Abwechslun­g. Aber ich freue mich natürlich darauf, wenn es in Nürnberg wieder losgeht.

Wie groß ist denn der sportliche Unterschie­d zwischen DEL und DEL2? Reimer: Die Jungs können alle schießen und Schlittsch­uh laufen. Die DEL ist taktisch geprägter und noch einen Ticken schneller. Aber in Kaufbeuren sind auch talentiert­e Jungs dabei und es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Wir werden sicherlich noch den ein oder anderen in der DEL sehen.

Ihr Tipp für das Heimspiel gegen Dresden?

Reimer: Sieg natürlich. Ich bin nach Kaufbeuren gegangen, um zu gewinnen. Es sind neun Spiele im November, die ich hoffentlic­h alle bestreiten kann. Wir wollen mit einem Heimsieg starten, auch wenn keine Zuschauer da sein dürfen.

Interview: Andreas Kornes

 ?? Foto: Benedikt Siegert ?? In Kaufbeuren lernte Patrick Reimer das Eishockeys­pielen. Jetzt kehrt er für ein paar Spiele dorthin zurück. Grund ist die unklare Lage in der DEL.
Foto: Benedikt Siegert In Kaufbeuren lernte Patrick Reimer das Eishockeys­pielen. Jetzt kehrt er für ein paar Spiele dorthin zurück. Grund ist die unklare Lage in der DEL.

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