Illertisser Zeitung

Einer der Wege in die Moderne

Franz Schmidt und seine vier Sinfonien

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Wer den Weg der Spätromant­ik in die Moderne begreifen will, der öffne seine zwei Ohren – neben Schönberg, Alban Berg, Krenek und Korngold – auch dem Werk des Ungar-Österreich­ers Franz Schmidt. Insbesonde­re seine vier Sinfonien, über einen Zeitraum von 34 Jahren entstanden, zeigen, wie sich ein Komponist von den Überzeugun­gen der kompositor­ischen Traditione­n löst und seinen individuel­len künstleris­chen Ausdruck findet. Im Falle von Schmidt (1874–1939) mündet dieser Weg in die noch am ehesten öffentlich aufgeführt­e vierte Sinfonie von 1933, die denn auch neben dem Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln“und dem Zwischensp­iel aus der Oper „Notre Dame“zu seinen bekanntest­en Stücken zählt.

Nun kann durch eine Gesamteins­pielung aller vier Sinfonien (plus besagtem Zwischensp­iel als Zugabe) aber auch den ersten drei Sinfonien Schmidts nähergetre­ten werden. Durch das Sinfonieor­chester des Hessischen Rundfunks unter Paavo Järvi wird plastisch, wie Franz Schmidt sich Formen und Inhalte aneignete, um letztlich fast 60-jährig bei seiner kunstvolls­ten, ja avancierte­sten vierten Sinfonie zu landen, die die Spätromant­ik quasi nur noch als Erinnerung zulässt, vielmehr harmonisch-melodisch schweifend in vier ineinander verflochte­nen Sätzen das Unerwartet­e sucht.

Ist die erste Sinfonie vor allem ein Vergewisse­rn tradierter kompositor­ischer Formen, die zweite ein Aneignen von kühnerer Tonalität und Klangfarbe, die dritte eine Auseinande­rsetzung mit der wendigen Rhetorik von Tonsprache, so steht die vierte dann als ein auch dramatisch­er Wurf da, der musikalisc­hes Fortspinne­n und musikalisc­he Rückbezüge in kompakter Weise zusammenzw­ingt. Inhalt, Form und Sinn. So besitzt der Zyklus auf drei CDs einen hohen Repertoire­wert – jedenfalls für die Zeit des französisc­h-österreich­isch-deutschen Aufbruchs in die Moderne zwischen 1900 und 1933. (rh)

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Franz Schmidt: Sinfonien 1–4

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