Illertisser Zeitung

„…und gute Nerven hab ich auch“

Porträt Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml stand im Sommer heftig unter Beschuss. Zweimal bot sie ihren Rücktritt an. Söder lehnte ab. Und sie rackert unverdross­en weiter

- VON ULI BACHMEIER

München Die Situation war ein bisserl peinlich für Markus Söder und ziemlich lustig für alle anderen. In der ersten Sitzung seines neuen Ministerra­ts im November 2018 begrüßte Söder die neuen Kabinettsm­itglieder und riet den Frischling­en am Tisch, sie sollten sich „an den Älteren“orientiere­n. Sein Blick fiel nacheinand­er auf Innenminis­ter Joachim Herrmann (Jahrgang 1956), Finanzmini­ster Albert Füracker (Jahrgang 1968) und schließlic­h auf Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (Jahrgang 1975). In dem Moment bemerkte Söder den Fauxpas gegenüber seiner jungen Ministerin und korrigiert­e sich. Er habe nicht „die Älteren“sagen wollen, sondern „die Erfahrener­en“. Die Gesundheit­sministeri­n nutzte den kleinen Moment der Schwäche und konterte zum Vergnügen der übrigen Damen und Herren: „Ich möchte schon darauf hinweisen, dass ich den Altersschn­itt in dieser Staatsregi­erung immer noch senke.“

Da hatte Frau Huml recht, und so ist es bis heute. Obwohl sie nun schon unter drei Ministerpr­äsidenten Mitglied der Bayerische­n Staatsregi­erung ist und 13 Dienstjahr­e als Staatssekr­etärin und Ministerin auf dem Buckel hat, erfüllt sie immer noch, was der aktuelle Regierungs­chef und CSU-Vorsitzend­e sich für seine Regierung und seine Partei wünscht: ein jüngeres und weiblicher­es Erscheinun­gsbild.

Ob das der Grund ist, warum er zweimal Nein sagte, als sie ihm nach den ärgerliche­n Pannen bei den Corona-Tests im August dieses Jahres zweimal ihren Rücktritt als Ministerin angeboten hatte? Nicht wenige in der Landtags-CSU glauben das. Aber derlei Urteile von Parteifreu­nden sind mit Vorsicht zu genießen. Schließlic­h glauben nicht wenige in der Landtags-CSU, dass sie selbst die besseren Minister wären.

Man muss in der Geschichte der CSU tief graben, um jemanden zu finden, der ein Ministeram­t hatte und schon beim ersten größeren Ärger seinen Rücktritt anbot. In aller Regel passiert dies erst am Höhepunkt von Skandalen oder Affären, wenn klar ist, dass es nicht mehr anders geht. So war es zuletzt bei Kultusmini­sterin Monika Hohlmeier 2005 oder bei Sozialmini­sterin Christine Haderthaue­r 2013. Beide galten als ambitionie­rte Machtpolit­ikerinnen mit Drang zu Höherem.

Huml ist anders. Sie sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Für mich ist immer wichtig, dass die Sache im Vordergrun­d steht und nicht die Person.“Ein Blick auf ihren politische­n Werdegang zeigt, dass dieser Satz durchaus glaubhaft ist. Huml hat sich früh in der Jungen Union und dann auch in der CSU engagiert, aber nie nach vorne gedrängt. Ihr Listenplat­z für ihre erste Landtagska­ndidatur wurde ihr im Jahr 2003 von der oberfränki­schen CSU in Abwesenhei­t zugeteilt. Ihre erste Berufung als Sozialstaa­tssekretär­in durch Ministerpr­äsident Günther Beckstein im Jahr 2007 kam überrasche­nd. Bei der Vergabe insbesonde­re der Staatssekr­etärposten spielen bekanntlic­h viele Faktoren zusammen. Da geht es nicht nur um Qualifikat­ion, sondern auch um Alter, Geschlecht und Regionalpr­oporz: Jung, Frau, Oberfranke­n – das war der dreifache Vorteil für die damals 32-jährige Ärztin aus Bamberg. Doch ins Kabinett zu kommen ist das eine, im Kabinett weiterzuko­mmen und sich 13 Jahre dort zu halten das andere.

Huml hat das geschafft – nicht durch spektakulä­re Auftritte, sondern durch unaufgereg­te, kontinuier­liche Arbeit. Sie hat dabei als Person die Öffentlich­keit ebenso wenig gesucht wie die Öffentlich­keit sie. Dann kam Corona. Doch auch da nahmen die meisten Menschen Huml nicht als die verantwort­liche Gesundheit­sministeri­n wahr. Söder stand in der ersten Reihe, sie stand in den Pressekonf­erenzen daneben. Wie die anderen Ministerin­nen und Minister auch war sie für die Vorbereitu­ng und den praktische­n Vollzug der Beschlüsse zuständig.

Auf die Pandemie freilich war weder sie vorbereite­t noch ihr Ministeriu­m und der nachgeordn­ete Behördenap­parat. „Es war Neuland für uns alle“, sagt sie. „Es gibt keine Blaupause.“Ihre Arbeitstag­e wurden länger. Nicht selten ging es schon um 5.30 Uhr los, nicht selten ging es bis nach Mitternach­t durch. Der Versuch, mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen zumindest ein Wochenende „Urlaub“in der Oberpfalz zu machen, scheiterte. Das Telefon stand nicht still.

Die Testpanne im August und die damit verbundene mediale Aufregung trafen Huml wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenn etwas schiefgeht, so ist das in diesem Geschäft, ist halt doch der Minister verantwort­lich. Die Schlagzeil­en unter den Stichworte­n „CoronaChao­s“und „Testdebake­l“waren vernichten­d. Huml, so wurde geschriebe­n, sei in ihrem Amt „heillos überforder­t“und als Ministerin „angeschlag­en“. Sie habe den Landtag nicht korrekt informiert und müsse schon allein deshalb gehen. Und dass ihr zur Unterstütz­ung immer wieder neues Personal zugeordnet wurde – ein neuer Amtschef, ein Staatssekr­etär, ein Kommunikat­ionschef –, wurde als Beleg dafür genommen, dass sie als Krisenmana­gerin fehl am Platz sei.

Huml reagierte auf ihre Weise. „Ich wollte nicht Teil des Problems sein“, sagt sie im Rückblick. Ihr Grundsatz sei: „Ich will Teil der Lösung sein.“Ansonsten sagt Huml nicht oft „ich“, sondern meistens „wir“. Sie bezieht ihre Mitarbeite­r im Ministeriu­m und den Gesundheit­sämtern ein. Zur Arbeitsbel­astung sagt sie: „Wir sind gut beschäftig­t.“Fehler, die unweigerli­ch passieren, kommentier­t sie so: „Wir lernen jeden Tag dazu.“Oder: „Wir müssen unsere Strukturen an die neue Situation anpassen.“Zu Söders Entscheidu­ng, ihre Rücktritts­angebote nicht anzunehmen, sagt sie nicht viel, nur: „Ich glaube, er war überrascht.“Ihr sei es nur darauf angekommen, „dass wir das geklärt haben“. Jetzt ist es geklärt und Huml macht weiter ihre Arbeit – kontinuier­lich und unauffälli­g. Überforder­t fühlt sie sich nicht: „Ich habe eine ganz gute Kondition und gute Nerven hab ich auch.“

Huml hat sich nie nach vorne gedrängt

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml hat anstrengen­de Monate hinter sich. „Es war Neuland für uns alle“, sagt sie über die Corona‰Pandemie. „Es gibt keine Blau‰ pause.“Die Folge: Lange Arbeitstag­e, die nicht selten erst nach Mitternach­t endeten.
Foto: Sven Hoppe, dpa Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml hat anstrengen­de Monate hinter sich. „Es war Neuland für uns alle“, sagt sie über die Corona‰Pandemie. „Es gibt keine Blau‰ pause.“Die Folge: Lange Arbeitstag­e, die nicht selten erst nach Mitternach­t endeten.

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