Bitte haben Sie einen Augenblick Geduld
Eigentlich wollte der Bücherwurm arbeiten, und eigentlich sollte er nur ein kurzes Telefonat für seine alte Tante führen und etwas für sie regeln. Seit zehn Minuten inzwischen sagte die Frauenstimme am Telefon die gleichen Sätze, während eine Querflöte im Hintergrund eine aufheiternde Melodie spielte. „Einen Moment noch bitte. Bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld.“Bücherwurm bekam bereits die Befürchtung, die Klänge in Dauerschleife nachts zu träumen. Wie lange dauert eigentlich ein Augenblick?
Während des Wartens suchte der Bücherwurm bei Philosophen im Internet Rat, die sich offenbar diese Frage seit mindestens Jahrhunderten auch schon stellen. Man könne die „Besonderheit des Augenblicks dadurch charakterisieren, dass man ihn als eine Erfahrung bezeichnet, die ein ästhetisches Moment aufweist“, fand der Bücherwurm bei Georg Bertram. Nun, besonders ästhetisch war die Warteschleife nicht, außer vielleicht die Querflöte im Hintergrund, und die Erfahrung war auch keineswegs neu. Goethe kam ihm in den Kopf. „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! (...) “.
Aber weiter wartend verweilen wollte der Bücherwurm inmitten der Servicewüste gerade nicht, er wollte doch nur eine einzige Antwort. Als er endlich kurz davor war, aufzulegen, änderte die freundliche Frauenstimme ihre Aussage: Der Bücherwurm könne es später wieder versuchen.