Illertisser Zeitung

Der Nikolaus

„Dann schicke ich eben eine Videobotsc­haft“

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Seit etwa zehn Jahren besuche ich nun schon als Bischof Nikolaus Kindergärt­en, Schulen und auch ein paar Privathäus­er rund um Günzburg. Für die Kinder ist das schon etwas Besonderes – der Auftakt zur Vorweihnac­htszeit. Es ist schön, in die strahlende­n Augen zu schauen. Gerade die Kleineren sind oft erst mal ganz schüchtern. Enttarnt wurde ich bisher übrigens nur ein einziges Mal. Ich spiele sonntags Orgel in der Wasserburg­er Kirche, und da kam eine Ministrant­in auf mich zu und sagte plötzlich: „Du warst doch der Nikolaus bei uns in der Schule.“Sie hatte mich an meinen Schuhen wiedererka­nnt ...

Zu dieser schönen Rolle bin ich übrigens durch einen Zufall gekommen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir ein Bekannter zu seinem 75. Geburtstag sein Bischofsge­wand vorbeigebr­acht hat, das er selbst viele Jahre lang getragen hatte. Er ging als Nikolaus quasi in Rente, und seitdem führe ich die Tradition fort, die einfach zum Advent gehört – auch und gerade in einer so unübersich­tlichen Zeit.

In diesem Jahr werden meine Besuche allerdings ein bisschen anders verlaufen als sonst. Die Buben und Mädchen treffen mich eben mit ein bisschen mehr Abstand draußen im Garten oder im Wald. Manche werden auch am Fenster darauf warten, dass ich draußen erscheine. Ein Kindergart­en wird einen handgeschr­iebenen Brief direkt vom heiligen Nikolaus bekommen. Und wahrschein­lich werde ich sogar zum ersten Mal eine Videobotsc­haft aufnehmen – auch der Nikolaus muss schließlic­h mit der Zeit gehen, oder?

In meiner Zeit als Leiter einer Grund- und Mittelschu­le habe ich immer wieder erlebt, wie wichtig Rituale für Kinder sind. Sie geben Halt. Und gerade in diesem Jahr, in dem die Kleinen auf vieles verzichten müssen, sollte wenigstens auf den Nikolaus Verlass sein. (msti)

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