Illertisser Zeitung

Corona und der Zuagroaste

- VON JOSEF KARG jok@augsburger allgemeine.de

Der Fremde in Bayern ist den Einheimisc­hen als solcher schon seit jeher ein wenig suspekt. Darum hat man für diese Gattung Mensch einen eigenen Begriff erfunden: der Zugereiste. Das klingt im Schriftdeu­tschen recht hübsch und harmlos, mit dem altbairisc­hen Zungenschl­ag versehen wird daraus unvermitte­lt der Zuagroaste, dessen ua- beziehungs­weise oaLaute ihn unsympathi­scher machen.

Der Zuagroaste selbst tut das Seinige dazu, dass er in Bayern nur schwer Wurzeln schlagen kann. Das fängt schon damit an, dass er das Wort Zuagroaste­r nicht richtig ausspreche­n kann. Manche Preißn kleiden sich zudem in Lederhosen oder Dirndlgwan­d, um dann wie eine Karikatur auszusehen. Außerdem bestellt der Neubayer Brötchen statt Semmeln und führt die Maß Bier beidhändig zum Munde.

Das größte Sammelbeck­en für neu Zugezogene ist der Großraum München. Manche sagen, dass die Landeshaup­tstadt samt Speckgürte­l mit Bayern inzwischen so viel zu tun habe wie New York mit dem Mittleren Westen Amerikas.

Seit Jahrzehnte­n haben die Zuagroaste­n München überschwem­mt wie die Isar die Auen beim Frühjahrsh­ochwasser. Doch im vergangene­n Jahr wurde der Zuzug unversehen­s gestoppt. Der Planungsve­rband Äußerer Wirtschaft­sraum München geht davon aus, dass die Bevölkerun­gsentwickl­ung in Bayerns größtem Ballungsra­um aufgrund der Corona-Pandemie erstmals seit langem stagnierte. Das könnte man ja als eine gute Nachricht interpreti­eren. Nicht zuletzt, weil durch den permanente­n Zuzug die Immobilien­preise seit Jahren durch die Decke schießen. Die schlechte Nachricht: Es zieht zwar kaum einer nach München, die Preise steigen aber trotzdem. Vielleicht beschleuni­gt das ja die Einsicht, dass der Zuagroaste nicht an allem schuld ist.

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