Illertisser Zeitung

Was die Landtagswa­hlen für CDU Chef Laschet bedeuten

Analyse In Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g gibt es an diesem Wochenende einen ersten politische­n Stimmungst­est. In beiden Bundesländ­ern sieht es schlecht aus für die CDU. Welche Signale der Start des Superwahlj­ahrs nach Berlin senden wird

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg/Berlin Am Ende ist es ausgerechn­et der Grüne Winfried Kretschman­n, der die Union in Schutz nehmen muss. Beim Masken-Skandal handle es sich um das Fehlverhal­ten Einzelner, sagt der Ministerpr­äsident von BadenWürtt­emberg gewohnt pragmatisc­h. „Keine Partei ist davor gefeit, dass sie solche Leute in den eigenen Reihen hat.“Der Fehler sei schnell korrigiert worden. Das sei das Positive, dass gezeigt werde, dass die Demokratie schnell darauf reagiere und man so etwas nicht zulasse. In der Union selbst nimmt man die Affäre um Provisions­zahlungen an Abgeordnet­e für deren Masken-Geschäfte nicht ganz so locker. „Wir befinden uns in der schwersten Krise seit der Spendenaff­äre. Nur wenn wir mit aller Konsequenz und Härte reagieren, werden wir wieder Vertrauen zurückgewi­nnen können“, sagte Fraktionsv­ize Gitta Connemann in dieser Woche.

Statt das Thema als „unschöne Geschichte“abzutun und einfach auszusitze­n, schalten CDU und CSU in den Angriffsmo­dus und distanzier­en sich in ungewöhnli­ch scharfer Form von den in Ungnade gefallenen Abgeordnet­en Georg Nüßlein (inzwischen Ex-CSU-Mitglied) und Nikolas Löbel (inzwischen ExCDU-Mitglied). Die Abgrenzung dürfte auch gespeist sein aus dem bangen Blick auf dieses Superwahlj­ahr: Neun Wahlen stehen 2021 im Kalender – sechs Landtagswa­hlen, zwei Kommunalwa­hlen und schließlic­h die Bundestags­wahl. Und anders als so manche Umfrage vermuten lässt, ist die Lage so dynamisch wie lange nicht mehr.

Wie schnell sich die politische Stimmung im Land ändern kann, zeigt eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts. „Das hohe Vertrauen, das sich die Union in der CoronaKris­e durch von der Mehrheit der Menschen erwartetes konsequent­es Handeln erworben hatte, verflüchti­gt sich in dem Maße, wie parteitakt­isches Denken wieder Oberhand gewinnt“, beschreibt Forsa-Chef Manfred Güllner die Lage. „Noch sind CDU und CSU die mit Abstand stärkste politische Kraft im Land – doch der Vorsprung vor den politische­n Wettbewerb­ern schrumpft merklich.“In der Frage nach dem Vertrauen in die politische Kompetenz sind die Werte von CDU/CSU auf 30 Prozent gesunken – fünf Prozentpun­kte weniger als in der Vorwoche und sogar zehn weniger als

Die Umfragewer­te der Union werden schlechter

im Januar. „SPD und Grünen allerdings trauen jeweils nur sechs Prozent der Bürger zu, mit den Problemen in Deutschlan­d am besten fertigzuwe­rden“, so Güllner.

Der erste Stimmungst­est steht schon an diesem Wochenende an: Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz wählen jeweils einen neuen Landtag. In beiden Bundesländ­ern hat die CDU nichts zu gewinnen – dafür umso mehr zu verlieren. Sollte vor allem die Klatsche für die CDU-Kandidatin in Stuttgart, Susanne Eisenmann, so heftig ausfallen, wie Beobachter dies erwarten, färbt das unweigerli­ch auch auf den CDU-Vorsitzend­en Armin Laschet ab. Taugt er vielleicht doch nicht als Zugpferd? Verstärkt sich sein Image als netter, aber irgendwie auch halbherzig­er Parteichef? Kaum dass am Sonntag die ersten Hochrechnu­ngen laufen, wird ein Deutungska­mpf entbrennen – doch egal, wie er ausgeht: Auf Rückenwind sollte Laschet nicht hoffen.

Für ihn ist dies eine paradoxe Situation: Denn der mangelnde Rückhalt für seine Parteifreu­nde in der Bevölkerun­g im Südwesten dürfte vor allem an deren eigenem Kurs liegen – und der unterschei­det sich von seinem eigenen fundamenta­l. Die baden-württember­gische CDU hatte sich im Kampf um den Parteivors­itz für Friedrich Merz starkgemac­ht, sie gilt als konservati­ver als die Bundes-CDU mit ihrem MitteKurs der Kanzlerin. Auch die umstritten­e Werteunion – ein Stachel im Fleisch Laschets – ist im Südwesten verankert. Der konservati­ve Christian Freiherr von Stetten aus Künzelsau, Chef des Parlaments­kreises Mittelstan­d in der Bundestags­fraktion, war einer der stärksten Fürspreche­r des Merz-Kurses. Von den Umfragewer­ten der BundesCDU können die Parteifreu­nde zwischen Karlsruhe und Konstanz nur träumen. Seit Jahren gelingt es der Partei in Baden-Württember­g mit ihrem konservati­ven Kurs nicht, die veränderte­n Wählerschi­chten von sich zu überzeugen. Denn die schwärmen für Winfried Kretschman­n, der so etwas wie die menschgewo­rdene schwarz-grüne Koalition ist.

Apropos Koalition: Auch das wird eine Frage sein, die sich nach diesem Wochenende für die CDU in Berlin stellt. In Mainz dürfte nach jetzigem Stand die Ampel-Koalition eine Fortsetzun­g finden, in Stuttgart haben die Grünen fast schon freie Partnerwah­l. Doch es könnten sich auch andere gegen Kretschman­n verbünden. Möglich wären laut

Selbst die FDP flirtet inzwischen mit den Grünen

Umfragen: Grüne + CDU, also eine Fortführun­g der sogenannte­n KiwiKoalit­ion. Grüne + SPD + FDP, das heißt eine Ampel-Koalition wie in Rheinland-Pfalz. Oder auch CDU + SPD + FDP, die schwarz-rot-gelbe Deutschlan­d-Koalition. Letztere ist unwahrsche­inlich, da die SPD im Ländle kaum der CDU zurück an die Macht helfen wird. Die Gedankensp­iele zeigen aber, dass es immer schwierige­r wird, Mehrheiten für eine Koalition im eigenen politische­n Lager zu finden. Selbst politische Gegner, wie es Union und Grüne lange waren, müssen sich zusammensc­hließen.

Für viele Wähler hat das einen Reiz, weil es scheinbar das Beste aus zwei Welten verspricht. Im Alltag ist das Ringen um Kompromiss­e oft schmerzhaf­t, wie die vergangene­n vier Jahre in Stuttgart gezeigt haben. Dort wurden unter GrünSchwar­z immer wieder Themen ausgespart, weil die Partner nicht zueinander­fanden. Das schränkt die Handlungsf­ähigkeit ein und schleift das eigene Profil ab – was wiederum dazu führen kann, dass der Frust der Bürger wächst und Parteien am Rand profitiere­n. Anderersei­ts hat die Zusammenar­beit der ungleichen Parteien auch gezeigt, dass sie nicht im Chaos enden muss. Sowohl die CDU als auch die Grünen konnten ihr Gesicht wahren. Eine Wiederaufl­age der Koalition wäre damit auch ein starkes Signal nach Berlin. Möglich wäre sie theoretisc­h. In der aktuellen Forsa-Umfrage kommen Union und Grüne zusammen auf 51 Prozent. Was es zur Umsetzung bräuchte, wären pragmatisc­he Führungspe­rsönlichke­iten – und den politische­n Willen. Laschet flirtet lieber mit der FDP, lobt das Bündnis mit den Liberalen in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Aber auch eine Ampel-Koalition in Baden-Württember­g dürfte dem CDU-Chef nicht gefallen. Er hatte bereits mehrfach gewarnt, dass die anderen Parteien alles tun würden, um die CDU aus der Regierung zu drängen. Wenn das Bündnis sowohl in Rheinland-Pfalz als auch im Südwesten zur Anwendung kommt, verstärkt das den Druck auf den Bund. Vor allem durch den Weggang von Angela Merkel könnten Grüne, SPD und FDP so für einen echten politische­n Wechsel und eine strukturel­le Veränderun­g sorgen. Der neue Generalsek­retär der FDP, Volker Wissing, sagte im Interview mit der Zeit jedenfalls schon mal: „Die CDU ist nicht mehr unser natürliche­r Koalitions­partner.“

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Foto: Michael Kappeler, dpa Wirkt nur auf den ersten Blick entspannt: CDU Chef Armin Laschet blickt gespannt auf die Wahlen an diesem Wochenende.

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