Illertisser Zeitung

Die Kunst vor dem Verfassung­sgericht

Corona Bayern kündigt zwar die Theater-Öffnung an, aber damit ist für die Initiative „Aufstehen für die Kunst“juristisch nicht alles geklärt. Deshalb will sie grundsätzl­ich prüfen lassen, welche Auflagen in Pandemieze­iten zulässig sind

- VON RÜDIGER HEINZE

München Sollten bayerische Theater, Konzert- und Opernhäuse­r tatsächlic­h am 22. März wieder öffnen, so will Kunstminis­ter Bernd Sibler (CSU) „weg von starren Zuschauerz­ahlen“, wie sie 2020 mit Begrenzung­en von 50, 200 oder 500 Personen noch galten. Die maximal zulässige Zuschauerz­ahl solle sich stattdesse­n nach den örtlichen Gegebenhei­ten sowie der Einhaltung des vorgeschri­ebenen Mindestabs­tandes und den gängigen Hygienemaß­gaben richten, sagt Sibler. Details dazu würden noch ausgearbei­tet. Vorausgese­tzt bleibt, dass die Sieben-TageInzide­nz in den zwei Wochen zuvor den Wert von 100 nicht überschrit­ten hat und die Entwicklun­g des Infektions­geschehens stabil oder rückläufig ist.

Für den Fall des Falles dürfte gleichzeit­ig dann auch folgende Verordnung greifen: Liegen die Inzidenz-Zahlen zwischen 50 und 100 – wie derzeit beispielsw­eise in München und Augsburg –, müssen Besucher zum Eintritt einen tagesaktue­llen negativen Corona-Schnell- oder Selbsttest vorlegen. Einen solchen Test können die Häuser für ihr Publikum auch selbst am Eingang anbieten. Bei einer stabilen InzidenzLa­ge unter 50 sind nach Angaben des Kunstminis­teriums jedoch keine Tests nötig.

Weil der Freistaat Bayern mit diesen Anordnunge­n und Überlegung­en zu erkennen gibt, dass er die Öffnung der Bühnen vorbereite­t, sieht nun auch die von dem Sänger Christian Gerhaher maßgeblich betriebene Initiative „Aufstehen für die Kunst“erst einmal von ihrem geplanten Eilantrag vor dem Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of ab (wir berichtete­n).

Stattdesse­n jedoch möchte die Initiative nun per Popularkla­ge vor dem Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of grundsätzl­ich klären lassen, ob es verfassung­sgemäß ist, wenn die Öffnung der Theater und Konzertbüh­nen von der InzidenzLa­ge abhängig gemacht und mit Auflagen verknüpft wird, die anderen Bereichen so nicht zugemutet würden. „Vor allem im Verhältnis zu Religion und Industrie sehen wir eine verfassung­smäßige Schieflage“, erklärt der Mitinitiat­or Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, ebenfalls ein Sänger.

Ein schnelles Urteil dazu ist jedoch nicht zu erwarten – ganz abgesehen davon, dass der Fall bis vor das Bundesverf­assungsger­icht wandern könnte.

Gleichzeit­ig erklärt „Aufstehen für die Kunst“: Sollte auf dem Weg zur Öffnung der bayerische­n Bühnen kurzfristi­g wieder umgekehrt werden, wird ein Eilantrag vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of gestellt. Dies bestätigt telefonisc­h aus Berlin auch der Anwalt der Initiative, Wolfram Hertel aus der Fach-Kanzlei Peter Raue: „Mit schönen Worten allein ist es nicht getan.“Hertel befürchtet durchaus, dass jetzt womöglich nur ein gutwillige­s Öffnungsze­ichen gesetzt werden könnte, das dann vor dem 22. März wieder zurückgeno­mmen wird. „Bei Blumenläde­n, Tattoo-Studios und Massage-Praxen hängt die Öffnung auch nicht vom Inzidenzwe­rt ab.“

Und Wolfram Hertel erklärt auch, warum der Artikel 5 des Grundgeset­zes über die Kunstfreih­eit nicht nur ideell gemeint ist: Schon in den frühen Jahren der Bundesrepu­blik habe das Bundesverf­assungsger­icht festgestel­lt, dass die Kunstfreih­eit gleichrang­ig sowohl für den Werkbereic­h des einzelnen Künstlers gelte als auch für den Wirkbereic­h. Hertel: „Die Kunst muss die Möglichkei­t haben, das Publikum zu erreichen.“

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Foto: Gregor Hohenberg Der Sänger Christian Gerhaher betreibt maßgeblich die Initiative „Aufstehen für die Kunst“.

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