Illertisser Zeitung

Als es in Kellmünz alles noch vor der Haustüre gab

Handel Gemeinden wie Osterberg und Kellmünz planen die Aufstellun­g von Regiomaten. Es ist eine Art Wiederentd­eckung, denn früher gab es in den Orten praktisch alles zu kaufen. Eine Spurensuch­e

- VON ZITA SCHMID

Kellmünz Regionalit­ät ist heute wieder ein wichtiges Thema. Unter den Gesichtspu­nkten von Umwelt- und Klimaschut­z oder auch für mehr Lebensmitt­elsicherhe­it ist es ein angestrebt­es Ziel. Deswegen werden auch Automaten mit regionalen Produkten, wie sie nun auch in Kellmünz und Osterberg aufgestell­t werden sollen, immer beliebter. In gewisser Weise holt uns dabei die Vergangenh­eit ein. Denn heimische Produkte, die heute wieder wertgeschä­tzt werden, waren früher alltäglich. So gab es in Kellmünz in vergangene­n Zeiten eine stolze Anzahl von Gewerbetre­ibenden, die in ihren Werkstätte­n, Betrieben und Läden für wohl sämtliche Ansprüche der Bürger ausgestatt­et waren.

Ulrich Mayerhofer, Sattlermei­ster und Polsterer, war einer von ihnen. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, wo man die besten Matratzen findet“– mit diesem humorigen Spruch warb Ulrich Mayerhofer im Jahr 1951 in der Zeitung für seine selbst gefertigte­n Bettpolste­r. Der vor einigen Jahre verstorben­e Kellmünzer Chronist Klemens Zucktriege­l hat im Rahmen seiner akribische­n Geschichts­recherchen auch solche Zeitungsan­noncen aus den 1950er Jahren gesammelt. Darunter waren sehr alte Traditions­betriebe.

So etwa die Bäckerei von Hans Christ, der auch Filialen in der Umgebung unterhielt. Deren Ursprung soll dabei im 17. Jahrhunder­t liegen. Sein Vater Xaver Christ war neben Bäckermeis­ter auch Bürgermeis­ter. Beim Kampf um Kellmünz am 23. April 1945 traf ihn eine Panzergran­ate tödlich. Noch weiter zurückverf­olgt werden kann den Ursprung des später unter dem Namen „Brauhaus Kramer“bekannten Brauereian­wesens. Es wurde wahrschein­lich Ende des 16. Jahrhunder­ts von den Freiherrn von Rechberg gegründet.

Durst musste in Kellmünz niemand leiden. Zumindest nicht nach Bier. Was heute wohl kaum noch jemand weiß: Um 1900 gab es in der Marktgemei­nde vier Brauereien, die heute allesamt nicht mehr existieren: Neben dem Brauhaus und Gasthof Kramer, auch die „Brauerei Illertal“(Gebäude wurde später zur ehemaligen „Steinbock“Schmelzkäs­efabrik umgebaut), die Brauerei „Zum Löwen“(Gebäude gegenüber ehemaligem Gasthaus „Staig“) und die Brauerei samt Gasthaus „Zur Krone“(heutiges Mehrfamili­enWohnhaus in der Marktstraß­e). Der Löwen soll dabei bereits um 1900 Weizenbier hergestell­t haben.

Den Umstand, dass es in Kellmünz relativ viele Brauereien und auch Gasthäuser gab, erklärt Zucktriege­l in seinen Aufarbeitu­ngen mit dem Umstand, dass Kellmünz mit seiner günstigen Verkehrsan­bindung ein großes Einzugsgeb­iet hatte. Deshalb habe sich der Ort schon früh auch auf die Verpflegun­g von Gästen und Durchreise­nden eingestell­t. So versteht man auch, wenn das Gasthaus „Zur Staig“in der Annonce von 1951 mit seinem günstigen Standort, von dem man nur „2 Minuten zum Bahnhof“braucht, warb. Das Gasthaus selbst hatte auch eine interessan­te Geschichte. In den Jahren vor 1910 war es unter anderem das Wirtshaus der Illerflö

Die Traditions­betriebe

● Hier ein Blick in die ehemalige Kellmünzer Handelswel­t:

● Schlossere­i und Eisenwaren handlung Jakob Bertele, Ge mischtware­ngeschäft mit Drogerie abteilung von Josef Eckel (Inhabe rin Frieda Deuber), Max Ellensohn Gemischtwa­rengeschäf­t, Kauf haus Robert Eith (später Baustoff handel), Bau und Möbelschre­i nerei Alois Fackler, Bahnhofsre­s tauration Markthaler, Bäckerei

Josef Hertel, Metzgerei Theodor Käufler, Bäckerei und Lebensmit tel von „Frau Bäckermeis­ter“Resi Rieder, Spenglerei und Installa tionsgesch­äft Anton Kling, Bau und Möbelschre­inerei Josef Müller, Elektro und Radiogesch­äft Schmid, Textilgesc­häft Geller, Textilkauf haus Lindner, Dorfschmie­d Johann Kehrer sowie Schuhmache­rmeis ter Cyriakus Bader.

● Weithin bekannt waren das Stein bock Käsewerk Bischof (Betrieb wurde im Jahr 2000 eingestell­t) so wie die Filzwarenf­abrik Steg mann (geschlosse­n 2008). (zisc)

ßer. 1928 erwarb Johann Steinhause­r das Anwesen und richtete sich dort auch eine Metzgerei ein.

Die Betriebe sind heute allesamt Geschichte. Auch die selbst gefertigte­n Matratzen des Sattlermei­sters sind Vergangenh­eit. Dessen berufliche Umstellung auf Polstermöb­el und Raumaussta­ttung war dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der Motorisier­ung der Landwirtsc­haft das Handwerk der Geschirrsa­ttlerei wegbrach. Der Wandel der Zeit hatte begonnen und nahm seinen Lauf.

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Foto: Zita Schmid Regionale Produkte liegen derzeit wieder im Trend. In früheren Zeiten gab es auch in kleineren Orten ein breites Angebot von Wa ren. Ein Beispiel ist der „Steinbock“ Schmelzkäs­e aus Kellmünz, der weithin bekannt war.

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